Aufsichtsabgabe: Antwort des Bundesrats ist eine Enttäuschung
Nun liegt die bundesrätliche Antwort auf die im Juni 2025 eingereichte Interpellation von Benjamin Fischer zur Finma-Aufsicht über unabhängige Vermögensverwalter (UVV) vor.
Der Zürcher SVP-Nationalrat hatte darin erhebliche Mängel im Aufsichtsmodell mit den privaten Aufsichtsorganisationen (AO) ausgemacht. Er bemängelte «explodierende Aufsichtskosten, Doppelspurigkeiten in den Prüfungen und überbordende Bürokratie», die insbesondere kleine Vermögensverwalter existenziell bedrohten, und bat den Bundesrat um die Beantwortung von fünf Fragen.
- Ist der Bundesrat sich der massiven Zunahme der Finma-Aufsichtskosten im Bereich der UVV bewusst? Die nicht direkt verursachten Gemeinkosten (Overhead) für diesen Aufsichtsbereich sind von 1,86 Millionen Franken im Jahr 2022 auf 9,247 Millionen im Jahr 2024 angestiegen – das entspricht rund 75 Prozent der gesamten Finma-Aufsichtskosten für UVV.
- Wie beurteilt der Bundesrat diese Entwicklung und die daraus resultierende Quersubventionierung zulasten der UVV, und welche Massnahmen sieht er vor, um die Kosteneffizienz der Aufsicht zu verbessern?
- Wie stellt der Bundesrat sicher, dass es keine Doppelspurigkeiten zwischen der Prüfung durch die AO und der Finma gibt? Nach dem Finanzmarktaufsichtsgesetz Finmag soll sich die Aufsichtstätigkeit auf risikoorientierte Prüfungen stützen und Doppelprüfungen vermeiden. In der Praxis kommt es jedoch ausschliesslich zu Mehrfachkontrollen: Die AO führen die Prüfungen der eingereichten Gesuche auf der Erhebungs- und Gesuchsplattform (EHP) durch, dennoch werden alle von einer AO genehmigten Gesuche auch ohne Verdacht erneut von der Finma nochmals bearbeitet oder Fälle frühzeitig an die Finma «eskaliert».
- Hält der Bundesrat diese doppelte Aufsicht für verhältnismässig und effizient?
- Welche Schritte werden unternommen, um klare Kompetenzabgrenzungen zu gewährleisten, wie es das Finmag fordert?
Im Juli 2025 nahmen (was sicher kein Zufall ist) gleich zwei Lobbyorganisationen für Vermögensverwalter zur Angelegenheit Stellung.
Anfang des Monats sagte die neu formierte Interessenvertretung namens «Initiative Patrimoniale Suisse» (Inpasu) «den zunehmenden Fehlentwicklungen im Aufsichtsregime» öffentlich den Kampf an – «insbesondere der Intransparenz der Finma-Kostenstruktur, der ausufernden Regulierung ohne Risikobasis und dem ineffizienten AO-Modell».
Strukturelle Abhängigkeit der Aufsichtsorganisationen von der Finma
Stein des Anstosses sind die von der Finma erhobenen Aufsichtsabgaben für UVV, die sich zwischen 2022 und 2024 vervielfacht haben sollen – «ohne nachvollziehbare Erklärung, ohne öffentlich zugängliche Aufschlüsselung, und ohne Einspruchsrecht der bezahlenden Institute», wie Inpasu monierte.
Aufgrund der strukturelle Abhängigkeit der AO, die selber eine Finma-Bewilligung benötigten, könnten diese «ihre Rolle als neutrale, schützende Instanz gegenüber ihren Mitgliedern nicht glaubwürdig wahrnehmen», konstatierte Inpasu und hielt fest, man erwarte die Antwort des Bundesrats auf die Interpellation Fischer mit Spannung.
Direkte und indirekte Verrechnung
Zwei Wochen später stiess der etablierte Verband der Schweizerischen Vermögensverwalter (VSV) ins gleiche Horn, wenn auch etwas weniger kräftig.
Der VSV kritisierte nicht nur die Höhe, sondern auch die Zusammensetzung der Abgabe. Die Finma finanziert sich zum einen über Gebühren für Dienstleistungen im Zusammenhang mit ihrer Bewilligungs- und Aufsichtstätigkeit, die sie den betreffenden Instituten direkt in Rechnung stellt. Zum anderen erhebt sie von den Beaufsichtigten jährlich pro Bereich eine Aufsichtsabgabe für die Kosten, die durch die Gebühren nicht gedeckt sind – für den Bereich der Vermögensverwalter schickt sie die Rechnung an die AO, die diese wiederum auf ihre Mitglieder überwälzen.
Moderate individuelle Gebühren, explodierende allgemeine Aufsichtsabgaben
Im Mai 2025 hatte die Finma den AO eine Rechnung für die Aufsichtsabgabe von durchschnittlich rund 6'500 Franken pro Vermögensverwalter zugestellt. Gemäss VSV waren es im Jahr 2023 noch 3'148 Franken.
Für den VSV sind die Gebühren der Finma für die zahlreichen Bewilligungsverfahren «eher tief» ausgefallen. Der Vorwurf: Die Behörde habe den Vermögensverwaltern nun indirekt über die Aufsichtsabgabe an die AO eine hohe Nachrechnung gestellt.
Mangelhafter Rechtsschutz
Auch der VSV kritisierte strukturelle Defizite in Bezug auf den Rechtsschutz. Vermögensverwalter könnten sich rechtlich kaum gegen die hohen Rechnungen wehren, weil sie dazu gegen ihre eigene AO vorgehen müssten. Die AO wiederum hätten aufgrund der geringen Erfolgsaussichten bisher davon abgesehen, die Abgabe anzufechten.
Der Bundesrat sieht jedoch, wie aus seinen (nachfolgend zur besseren Lesbarkeit sanft redigierten) Antworten hervorgeht, offenbar keinen Handlungsbedarf – anders als Nationalrat Fischer, VSV und Inpasu:
- Für die hohen Kosten macht der Bundesrat folgende Faktoren verantwortlich: die sehr hohe Anzahl von Bewilligungs- und Änderungsgesuchen, die hohe Zahl der von den AO an die Finma zur Vorabklärung eskalierten Fälle; der deutliche Anstieg an Instituten unter intensiver Finma-Aufsicht im zweiten Halbjahr 2024 sowie die Aufsichtshandlungen der Finma zur Kontrolle der effektiven Umsetzung des Aufsichtssystems durch die fünf AO. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Zahl der Institute, welche die Aufsichtskosten dieses Aufsichtsbereichs finanzierten, in den letzten Jahren stark zugenommen habe.
- Der Bundesrat verweist auf das geltende Recht, wonach die Kosten der Finanzmarktaufsicht vollständig von den Beaufsichtigten pro Aufsichtsbereich zu tragen sind. Die Kosten würden verursachergerecht zugeordnet. Die nicht durch Gebühren individuell zurechenbaren Kosten seien durch alle Beaufsichtigten des Aufsichtsbereichs (hier also die AO und nicht die UVV) zu tragen. Sie setzen sich gemäss Bundesrat zusammen aus den Personal- und Betriebskosten, die dem Bereich AO zugeordnet werden können. Dazu gehören der Aufwand der Finma für Bewilligung und Aufsicht über die AO. Dazu zählen ferner die Kosten für die Bewilligung, die Genehmigung der Änderungen sowie für die «intensive» Aufsicht und das Enforcement über die von den AO beaufsichtigten Institute, die nicht über Gebühren verrechnet werden können. Dann kommt doch auch noch eine materielle Antwort:«In der Aufbauphase eines neuen Aufsichtssystems ist es in der Natur der Sache, dass zwingende Grundsatzfragen abgeklärt werden müssen, die den ganzen Aufsichtsbereich betreffen und nicht mittels Gebühr einem einzelnen Institut direkt zur Last gelegt werden können.»
- In dieser Antwort (die auch gleich für die Fragen 4 und 5 gelten soll) erläutert der Bundesrat zuerst das zweistufige Aufsichtsmodell. Die Finma bewilligt die UVV und nachträgliche Änderungen von wesentlicher Bedeutung. Nach der Erteilung der Bewilligung übernimmt eine AO, die wiederum von der Finma bewilligt und direkt beaufsichtigt wird, die laufende Aufsicht. Mit der EHP habe die Finma diesen Prozess und die Kommunikation zwischen ihr, Gesuchsteller und AO vereinfacht, auch für die Meldung von (wesentlichen und anderen) Änderungen von Tatsachen. Der Bundesrat hält fest, Finma und AO koordinierten ihre Aufsichtstätigkeiten, um Doppelspurigkeiten zu vermeiden. Bis Ende 2024 hätten die AO 29 Fälle zur Vorabklärung an die Finma eskaliert «meist schwerwiegende Fälle mit hohem Aufwand». Beruhigendes Fazit des Bundesrats: «Doppelspurigkeit hinsichtlich dieser Fälle gibt es keine.»
In einer Stellungnahme vom Montag zeigt sich Inpasu von der Antwort der Landesregierung enttäuscht und bedauert, dass «die Antwort in weiten Teilen nicht auf die konkreten Inhalte eingeht, zentrale Punkte unbeantwortet lässt und stattdessen formale Verweise und allgemeine Aussagen wiederholt, die den tatsächlichen Entwicklungen nicht gerecht werden».
So sei der Hinweis des Bundesrats auf die hohe Zahl der eingereichten Bewilligungs- und Änderungsgesuche für den Anstieg der indirekt über die AO auf die UVV überwälzten Kosten unerheblich, weil die Kosten für Gesuche direkt den entsprechenden UVV verrechnet würden.
Wo bleibt die Verhältnismässigkeit?
Inpasu vermisst zudem Überlegungen zur Verhältnismässigkeit und rechnet vor, dass die in der Interpellation angeprangerten Gemeinkosten von 9,247 Millionen Franken «bei einem geschätzten Personalaufwand von 180’000 Franken pro Vollzeitstelle dem Gegenwert von mehr als 50 Stellen «allein zur Bearbeitung von Grundsatzfragen und übergeordneten Aufsichtsthemen» entsprechen. «Dies ist mehr als doppelt so viel Personal, wie sämtliche AO gemeinsam in diesem Bereich beschäftigen.»
Doppelspurigkeiten träten in der Praxis oft aus (z. B. Zweitprüfungen von bereits durch die AO genehmigten Dossiers und Änderungsmeldungen durch die Finma), hält Inpasu trotzig fest und vermisst in der bundesrätlichen Antwort Ausführungen , wie die 29 eskalierten Fälle Mehrkosten von mehreren Millionen Franken rechtfertigen sollten – ausserdem seien in diesen Fällen die Verursacher der Aufsichtshandlungen klar identifizierbar und die Kosten somit direkt den betroffenen Instituten in Rechnung zu stellen.
Keine zweckdienliche Antwort des Bundesrat
Die Antwort des Bundesrates trage in keiner Weise dazu bei, die berechtigten Anliegen der Branche ernsthaft zu beleuchten. Weder sei auf die strukturelle Intransparenz der Kostenverteilung eingegangen worden, noch sei eine kritische Auseinandersetzung mit der aktuellen Praxis erfolgt. Inpasu will aber nicht locker lassen und gelobt, «sich weiterhin mit Nachdruck für eine verhältnismässige, transparente und rechtsstaatlich einwandfreie Aufsicht» zu engagieren – affaire à suivre.
Dass die Interessenvertretung die bundesrätliche Antwort kritisiert, gehört zum Spiel. Allerdings geht der Bundesrat inhaltlich tatsächlich kaum auf die Kernfragen ein, abgesehen vom einigermassen nachvollziehbaren Hinweis auf Investitionen in der Aufbauphase eines neuen Aufsichtssystems.
Das Werk von Verwaltungsjuristen?
Seine Antworten sind im Original noch sperriger formuliert, mit Ausführungen zur geltenden Rechtslage überladen und von Wunschdenken geprägt («Doppelspurigkeiten gibt es keine») – was den dringenden Verdacht aufkommen lässt, dass nicht sonderlich motivierte Verwaltungsjuristen die Feder geführt haben –und keine Politiker oder gar Ökonomen.
Das Wohl und Wehe des Schweizer Finanzplatzes hängt nicht davon ab, ob die UVV ein paar Millionen mehr oder weniger bezahlen müssen und ob dies direkt über Gebühren oder indirekt über die Aufsichtsabgabe geschieht. Irritierend sind aber der Legalismus und das fehlende Einfühlungsvermögen, die in der Antwort der Landesregierung zum Ausdruck kommen, und die Nonchalance, mit der eine fundierte Anfrage eine Volksvertreters abgefertigt wird.