Die Vollgeldinitianten verbreiten das Bild von Banken, die grenzenlos Geld schöpfen können. Der Nationalbank-Präsident bezeichnet dies zu Recht als Unsinn, schreibt Martin Hess von der Bankiervereinigung.

Martin Hess Martin Hess ist Leiter Wirtschaftspolitik bei der Schweizerischen Bankiervereinigung

Im Schutze der Komplexität der Geldtheorie fällt es den Vollgeldinitianten leicht, mit suggestiven Behauptungen Stimmung gegen die Banken zu machen. Die privilegierten Banken könnten Geld «per Knopfdruck aus dem Nichts erschaffen», lautet ihre zentrale These.

Am Dienstag äusserte sich dazu einer, der es wissen muss: Thomas Jordan, Präsident des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank. Er nahm kein Blatt vor den Mund und bezeichnete gemäss Redetext die vermeintliche Geldschöpfung von Banken zur eigenen Mittelbeschaffung als «Unsinn». Er stellte klar, dass nicht die Geschäftsbanken, sondern die Zentralbanken Geld auf Knopfdruck herstellen können. Das Bild vom Geld aus dem Nichts sei irreführend.

So läuft’s wirklich

Niemand bestreitet, dass im Moment der Kreditgewährung die Geldmenge durch die gleichzeitige Erhöhung der Einlagen zunimmt. Der Kreditnehmer wird den Betrag aber sogleich wieder überweisen. Somit verschwindet das Geld aus den Büchern der kreditgebenden Bank sofort wieder. Sie kann die bei sich geschaffenen Einlagen deshalb nicht nachhaltig erhöhen.

Die Suggerierung einer sich selbst bereichernden Bank als Hauptargument in einer Abstimmung über die Änderung der Schweizerischen Bundesverfassung zu führen, ist unverantwortlich. Das würde ja bedeuten, dass sich illiquide Banken immer selbst Geld schaffen könnten und es keine Finanzkrisen gäbe.

Der Kunde beantragt Kredite…

Nie wird eine Bank einen Kredit vergeben, ohne dass am Ursprung ein Kunde diesen beantragt. Die dafür verlangten Zinsen stellen dabei sicher, dass die Risiken für die Bank abgegolten werden. Dumpingzinsen, damit ein Schuldner mehr als die erforderliche Kreditsumme beantragt, sind weder erlaubt noch betriebswirtschaftlich sinnvoll.

Nebst der Kreditnachfrage von Kunden beschränken auch die SNB mit ihrer Zinspolitik und die Bankenregulierung mit ihren Kapital- und Liquiditätsauflagen das Kreditwachstum. Die Bankiervereinigung hat dazu einen Erklärfilm produziert.

…will aber kein Vollgeld

Und wenn wir schon beim Kunden sind: Wäre bei Bankkunden die Nachfrage nach Vollgeld vorhanden, wären die Finanzinstitute sicherlich mit einem entsprechenden Angebot auf dem Markt.

Alles deutet darauf hin, dass es für den Kunden vorteilhaft ist, zwischen risikolosem, unverzinstem Bargeld einerseits und Buchgeld andererseits wählen zu können. Letzteres unterliegt oberhalb der Leistung der Einlagensicherung dem Insolvenzrisiko der Bank, ist aber in gewöhnlichen Zeiten verzinst und mit Dienstleistungen im Zahlungsverkehr verbunden. Im Vollgeldsystem hingegen hat der Kunde keine Wahl.

Bankensystem funktioniert

Ich teile Thomas Jordans Auffassung, dass das heutige Bankensystem der Schweiz gut funktioniert und sich bewährt hat. Das ist nicht nur für die Nationalbank Grund genug, die Vollgeldinitiative als radikal abzulehnen. Auch Bundesrat und Parlament haben sich mit einer Deutlichkeit gegen die Initiative ausgesprochen, die keine Zweifel aufkommen lässt.

Das Vollgeldsystem hätte – abgesehen von den unbekannten Risiken aufgrund fehlender Analysen – hohe volkswirtschaftliche Kosten zur Folge. Den höchsten Preis haben gemäss Philippe Bacchetta von der Universität Lausanne die Kontoinhaber, also wir alle, zu bezahlen. Wir Sparer könnten keine Einlagen mehr halten, die gleichzeitig sicher, möglichst sofort verfügbar und verzinst sind.

Hauptleidtragende auf der Kreditseite werden Haushalte und KMUs sein. Sie haben keinen Zugang zu Kapitalmärkten als Alternative zu einem erschwerten und teureren Kredit.

Selbst die SNB, die einen direkteren Einfluss auf die Kreditvergabe erhielte, warnt vor einer Zentralisierung der verschiedenen Funktionen bei sich selbst. Ein deutlicheres Zeichen als solch klare Worte einer üblicherweise zurückhaltenden Behörde gibt es nicht.