Seit #MeToo zittern männliche Manager häufiger um ihren Job als je zuvor. Hat das auch auf dem Schweizer Bankenplatz zu Veränderungen geführt?

Vor gut einem Jahr sorgte der Hashtag «#MeToo» in den sozialen Medien für Furore. Bei den hiesigen Banken macht es aber nicht den Anschein, als hätte sich in diesem Jahr viel verändert. Fragt man Denise Chervet, die Geschäftsführerin des Schweizerischen Bankpersonalverbands, hat auch sie diesen Eindruck:«Ich habe nicht gehört, dass #MeToo in den Schweizer Banken ein Thema ist.»

Bankangestellte hierzulande seien viel zurückhaltender, solche Fälle anzuzeigen, aus Furcht, ihre Stelle oder ihre Karriere zu gefährden, so Chervet. Das Schweizer Gesetz schütze Angestellte, die sich wehren, nicht gerade gut. Ausserdem seien auch die Gerichte verglichen mit dem angelsächsischen Raum viel weniger klägerfreundlich, was Entschädigungen angeht.

Keine proaktiven Ansätze

Chervet: «Darum gibt es keine Paranoia auf der Seite der Arbeitgeber.» Bei den grossen, internationalen Banken gäbe es zwar Stellen, an die sich Mitarbeitende im Falle einer Belästigung wenden könnten, und dort gäbe es auch ziemlich strenge Richtlinien, um solche Fälle zu vermeiden. Die gab es aber laut Chervet schon vor #MeToo. Und das grössere Problem seien allerdings die kleineren Banken: «Dort geht man das Thema sexuelle Belästigung weniger offen an.»

Das bestätigt auch Kamales Lardi, Strategieberaterin für digitale Transformation bei Lardi&Partner. Sie habe nicht den Eindruck, dass Finanzinstitute das Thema #MeToo proaktiv angehen würden. Einzig: «Einige Banken und andere Unternehmen haben das Thema jedoch als Reaktion auf Vorfälle oder Bedenken unter den Mitarbeitern angesprochen oder das Thema im Rahmen interner Diversity-&-Inclusion-Initiativen angesprochen.»

Angst und Misstrauen

Verbessert hat sich also nicht viel. Dafür berichtet zum Beispiel die internationale Nachrichtenagentur «Bloomberg» dieser Tage, Top-Manager, Vermögensverwalter und Banker würden sich in den USA häufig nicht mehr trauen, mit Frauen alleine in den Lift zu steigen, mit ihnen zu Abend zu essen, oder mit ihnen Mentor-Protegée-Beziehungen zu unterhalten.

Fürchten sie, sie hätten sich nicht unter Kontrolle? Oder sie würden selber Opfer eines sexuellen Übergriffs? In den meisten Fällen ist es weder das eine noch das andere.

Unbegründete Sorgen

Denn in eben diesen Fällen fürchten sich Männer am ehesten vor einer Falschanklage. Oder dass ein von ihnen gemachtes Kompliment – natürlich immer nur eine harmlose Bemerkung – von einer – selbstverständlich – überempfindlichen Empfängerin als Grenzüberschreitung verstanden wird.

Genau so sind auch viele Männer unsicher, ob und wie sie heutzutage überhaupt noch flirten dürfen, ohne gleich sozial geächtet zu werden, oder sogar hinter Gittern zu landen und so selber Opfer unerwünschter Annäherungen zu werden.

Auch wenn die meisten dieser Ängste unbegründet sind – und nur diesen Schluss lassen entsprechende Statistiken zu Verurteilungsraten und Falschverurteilungen nun mal zu – bleibt nach solchen Aussagen immer die Frage, ob solche Probleme das einzige Vermächtnis der #MeToo-Bewegung sind.

Der nächste Hashtag kommt bestimmt

Alles fing vor einem Jahr damit an, dass die US-amerikanische Schauspielerin Alyssa Milano nach Bekanntmachung des Weinstein-Skandals auf Twitter postete: «Wenn du sexuell belästigt oder angegriffen wurdest, schreib 'Me too' als Antwort auf diesen Tweet.»

Mit den gleichentags folgenden 200'000 #MeToo-Posts wurde der Beginn der gleichnamigen Bewegung eingeläutet. Und seit da scheint in grossen Unternehmungen, ob in Hollywood, New York oder Zürich, der Teufel los zu sein. Und trotzdem zeigt das Beispiel des Schweizer Bankenplatzes, dass der Hashtag MeToo wahrscheinlich nicht der letzte sein wird.

Auch die Grossbanken kämpfen damit

Auch die Schweizer Grossbanken hatten übrigens – und zwar sowohl die UBS als auch die Credit Suisse – dieses Jahr mit dem Thema zu kämpfen, oder tun das immer noch. Die UBS hat vor rund drei Wochen in London eine hochrangige HR-Managerin eingestellt, um die Wogen zu glätten, nachdem erst Vergewaltigungsvorwürfe von einer ehemaligen Praktikantin geäussert wurden und die UBS das Thema danach kritikwürdig bearbeitet hat (wie auch finews.ch berichtete). Als Nachwehe dieses Vorfalls hat die Grossbank unter anderem eine Hotline eingeführt, auf der sich Opfer von sexueller Belästigung melden können.

Bei Credit Suisse wurde ein mutmasslicher Vergewaltigungsfall – ebenfalls in London – zur Chefsache erklärt: Das mutmassliche Opfer kontaktierte CS-CEO Tidjane Thiam persönlich per Brief, worauf dieser eine Untersuchung anordnete. Nur: Der Brief, den Thiam Ende Februar erreichte,  wurde schon zu Jahresbeginn verschickt. Warum Thiam den Brief erst so spät erhalten hat? Um diese Frage zu klären, ordnete der CEO eine zweite Untersuchung an. Das mutmassliche Opfer fasste übrigens durch die oben erwähnte Causa UBS den Entschluss, sich ebenfalls an die Öffentlichkeit zu wenden.

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