Entgegen allen Druckversuchen und Empfehlungen halten Banken wie die UBS und die Credit Suisse an ihren Dividendenzahlungen fest. Europas höchster Banker warnt vor Risiken, die derzeit niemand versteht.

Wollen Banken ihre Angestellten, die Wirtschaft und Stakeholder vor den Gesundheitsrisiken durch die Corona-Pandemie bewahren, müsste ihre erste Sorge die Gesundheit ihrer Kapitalpositionen sein.

Auf diese Logik scheinen manche Banken nicht anzusprechen. Oder vielmehr: Sie glauben, die von der Corona-Pandemie ausgehenden Risiken für ihre Geschäfte und ihr Eigenkapital genügend einschätzen zu können. Und halten darum an den Dividendenzahlungen in diesem Frühjahr fest.

Trügerische Sicherheit

So auch die UBS und die Credit Suisse, die grössten und für die Stabilität der Schweizer Wirtschaft wichtigsten Kreditinstitute der Schweiz: Die UBS wird über 2,8 Milliarden Dollar ihres Jahresgewinnes an Aktionäre verteilen, die Credit Suisse gut 700 Millionen Franken.

Bislang hat keine Schweizer Bank sich entschieden, ihre Ausschüttung aufzuheben oder aufzuschieben. Die generell starke Eigenkapitalposition im Vergleich zu vielen europäischen Konkurrenten wiegt den Schweizer Finanzplatz in Sicherheit – zumal nun Bund und SNB für die Hilfskredite bürgen.

Ein Risiko, das Banken nicht verstehen

Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) und ihren Direktor Mark Branson macht dies nervös, zumal ihre Appelle an den Schweizer Kreditinstituten abprallen. Nun redet Europas Top-Banker den Kollegen ins Gewissen: Jean Pierre Mustier, CEO der italienischen Unicredit und Chairman der European Banking Federation, spricht in einem Interview mit «Euromoney» Klartext und gleichzeitig Warnungen aus.

Eine gesunde Bilanz und genügen Eigenkapital seien angesichts der unbekannten Risiken, die von der Corona-Pandemie ausgingen, unerlässlich. «Covid-19 ist ein Risiko, das Banken nicht wirklich verstehen. Also muss man extrem vorsichtig handeln.» Darum begrüsse er die Empfehlung der Europäischen Zentralbank, Dividendenzahlungen einzufrieren.

Aktionäre im Mentalitätswandel

Aktionäre würden einen solchen Schritt nachvollziehen können oder gar begrüssen. «Die Sicht von langfristig orientierten Aktionären und von Banken ist diese: Es handelt sich um eine nie dagewesene Situation und eine neue Welt. Also müssen wir unsere Mentalität und Herangehensweise ändern.» Es lägen keinerlei Vorteile darin, Dividenden jetzt auszuzahlen, nur Nachteile. «Wenn sich die Lage im Laufe des Jahres verschlechtert und die Risiken für das Eigenkapital zunehmen, dann wird die Situation noch viel schlechter.»

Mustier spricht Klartext, ohne schwarzmalerisch zu wirken. «Eine Finanzkrise ist unausweichlich, auch wenn es zu früh zu sagen ist, in welcher Form.» Doch würden viele Unternehmen Probleme bekommen und die Risiken für die Banken entsprechend steigen.

 Anderes Krisenmanagement nötig

Mustier hat keine Patentlösung parat. Er räumt ein, dass er die momentanen Risiken nicht vollständig versteht. Darum müssten Banken und ihre Manager ein ganz anderes Krisenmanagement führen. Komme es zu einem grossen Schock, würden Menschen in der Regel weiterhin linear denken und ihr Handeln auf Kontinuität ausrichten. «Doch geht es bei solchen Schocks darum, das Denken und Handeln auf Diskontinuität auszurichten. Anders geht es nicht.» Krisenmanagement heisse, Brüche zu antizipieren und zu managen. Dies sei in Bezug auf alle möglichen Themen notwendig.

Die Corona-Pandemie sei bislang beispiellos. Es handle sich noch um eine Gesundheits- und keine Finanzkrise. «Es gibt kein Rezept in dieser Situation, ausser den gesunden Menschenverstand zu nutzen», so der Unicredit-CEO. «Eines ist klar: Wir müssen Kapital und Mitarbeiter schützen, damit wir wir unsere Kunden bedienen und die Wirtschaft unterstützen können.»

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