Die notorische Kapitalschwäche der Credit Suisse könnte der Bank zum Verhängnis werden, wie ein berühmtes Beispiel aus der Vergangenheit illustriert.

Wenige Tage vor seiner Wahl zum neuen Präsidenten der Credit Suisse (CS) am nächsten Freitag äusserte sich António Horta-Osório zur Situation bei der CS. In der Wochenend-Serie «Lunch with the FT» (Artikel kostenpflichtig) sagte er gegenüber der britischen Zeitung, die Bank habe eine starke Marke und sei makroökonomisch hervorragend unterwegs, namentlich in Asien sowie in der Vermögensverwaltung. Diese Ausgangslage sei anders als bei seiner bisherigen Arbeitgeberin, der Lloyds Bank, die vor zehn Jahren kurz vor ihrem Ende stand.

Der Vergleich ist insofern interessant, als es in der Schweiz schon einmal eine grosse Marke gab, die unverwüstlich schien – trotzdem existiert sie heute nicht mehr: die Swissair. Natürlich führten andere und vielfältige Gründe zum Niedergang der Schweizer Vorzeige-Airline. Trotzdem lassen sich Parallelen zwischen dem Leidensweg der Swissair damals und den akuten Problemen der CS heute nicht von der Hand weisen.

Zu wenig Geld

Der Swissair fehlte am Ende das Geld, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. So schlimm steht es um die CS nicht. Doch die Eigenkapitalausstattung der Bank ist – selbst nach den jüngsten Finanzinjektionen – notorisch dünn, wie finews.ch bereits früher festgestellte, und dürfte weiter strapaziert werden, sollte es zu neuerlichen Verlusten oder zu Klagen von Investoren oder Kunden kommen. 

Setzen die CS-Verantwortlichen ihre Strategie im riskanten Investmentbanking unverändert fort, könnte dies im negativen Falle an die Substanz der ganzen Bank gehen. Noch ein Archegos-Fall wäre definitiv zuviel.

Hohe Löhne abgeschöpft

Selbst wenn die CS-Verantwortlichen die One-Bank stets als grossen Vorteil für die vermögenden Kunden und deren Bedürfnisse gepriesen haben, so sind sie den Beweis dafür unter dem Strich schuldig geblieben. Seit der Einführung der One-Bank 2005 blieben die Ergebnisse der CS stets so volatil, dass der Aktienkurs nur eine Richtung kannte – nach unten.

Die One-Bank hat weder den Kundinnen und Kunden noch den Aktionärinnen und Aktionären jemals gedient, sondern vor allem dem Top-Management und den CS-Investmentbankern, die an der Wall Street hohe Risiken eingehen und hohe Löhne abschöpfen konnten. Nachhaltig war die Entwicklung nie, sonst würde die CS heute in der Top-Liga der Investmentbanken spielen.

In falscher Sicherheit gewähnt

Wie tief sie in der Hackordnung steht, illustrierte der Skandal um den Hedgefonds Archegos. Der CS gelang es – im Gegensatz zu ihren Konkurrentinnen J.P. Morgan und Goldman Sachs – nur sehr spät, ihre Positionen am Markt abzustossen, so dass ihr Verlust wesentlich höher als bei den anderen Banken ausfiel.

Sofern CS-Chef Thomas Gottstein die Investmentbank nicht radikal stutzt oder sogar abspaltet, sondern bereits wieder mit Boni für verdiente Banker winkt, wie er vergangene Woche andeutete, und gleichzeitig die jüngsten Skandale als «Ausrutscher» abtut, setzt er die Kapitalausstattung der Bank fahrlässig aufs Spiel – womit dies die erste Parallele zur Swissair wäre, die sich aufgrund ihrer starken Marke in einer falschen Sicherheit wähnte und mit ihrer Hunter-Strategie einen Expansionskurs fuhr, der ihre Verhältnisse weit überstieg.

Klare Vorstellungen – fehlender Fokus

Das wiederum hatte viel mit der Verblendung oder zumindest mit der Uneinsichtigkeit des Managements und des Verwaltungsrats zu tun. Vor diesem Hintergrund zeugen die jüngsten Verlautbarungen Gottsteins nicht von allzu grosser Einsicht. Statt die Bereitschaft zu signalisieren, radikal über die Bücher zu gehen, hinterlässt der CS-Chef den Eindruck, möglichst bald wieder zum «Business as usual» zurückehren zu wollen. Wie weit ihm dies unter dem künftigen Präsident Horta-Osório möglich sein wird, bleibt abzuwarten.

Bei seinem Lunch mit der «FT» versicherte der Portugiese, er habe eine klare Vorstellung, was geschehen müsse, um die aktuelle Führung implizit zu unterstützen. Ein fehlender Fokus führt ins Verderben, wie das Beispiel Swissair gezeigt hat. Viel Zeit bleibt Horta-Osório nicht, will er bei der CS den Hebel umlegen.

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