Die Credit Suisse steht wegen ihres sinkenden Eigenkapitals unter verstärkter Beobachtung. Investoren fragen sich: Kann die Bank ihre Ausschüttungsversprechen einlösen?

Die Credit Suisse (CS) bewegt sich auf dünnem Eis. Verschärft sich die durch die Coronapandemie verursachte Wirtschaftskrise, werden die Kapitalreserven nicht mehr viel Schutz bieten. Die CS gehört zu den Banken in Europa mit dem schwächsten Kapitalpuffer in einem sogenannten Stressszenario.

Das ist – knapp zusammen gefasst – das Fazit eines kürzlich veröffentlichten, 19 Seiten langen Analyseberichts des Brokers Kepler Chevreux zur CS. Analysten haben sich zur Eigenkapitalsituation der CS vermehrt geäussert, seit die Schweizer Grossbank in ihrem Bericht zum Erstquartalsergebnis ankündigte, sie erwarte per Ende Jahr ein Absinken der Eigenkapitalquote auf bis zu 11,5 Prozent – nach 12,7 Prozent Ende 2019.

Die Aktie fasst niemand an

Die Gründe dafür lägen in regulatorischen Änderungen gemäss Basel III sowie in einem erwarteten Anstieg der Risk Weighted Assets, bedingt durch die höhere Volatilität im Markt. Auch die UBS erwartet deswegen ein Absinken der Eigenkapitalquote.

Doch das kritische Augenmerk im Markt gilt der CS, was sich auch im Aktienkurs spiegelt. Mit einer Jahresperformance von über minus 24 Prozent ist sie deutlich schlechter als jene der UBS. Im Vergleich zu den US-Banken ist die Performance jedoch deutlich besser, der Dow Jones U.S. Banks Index liegt über 35 Prozent im Minus.Das Verhältnis vom Aktienkurs zum Buchwert der CS liegt allerdings bei historisch tiefen 0,5.

Risikospreads sprangen in die Höhe

Dass Marktmisstrauen gegenüber der CS zeigte sich im Februar, als sich die Corona bedingten Börsenturbulenzen anbahnten. Die sogenannten Spreads der Credit Default Swaps (CDS) für die CS sprangen gemäss Daten von IHS Markit in die Höhe, von 44 auf 147 – ein Niveau, das andere europäische Banken, die nicht als sonderlich stabil gelten, auch erreicht hatten. Zum Vergleich: Der CDS-Spread der UBS erreichte in dieser Periode den Höchstwert von 64.

Wie Recherchen von finews.ch im Mai zeigten, lagen die Risikoausschläge der Handelsabteilungen der CS im Februar und im März insgesamt sieben Mal im Ausnahmebereich (bei der UBS geschah das drei Mal). Das hätte den Regulatoren ausgereicht, um mehr Kapital einzufordern. Doch die Finma hatte im April rückwirkend ein Moratorium für die Value-at-Risk-Berechnungen erwirkt.

SNB und Finma sprangen zur Hilfe

Im März und April sprang der Liquiditätsbedarf bei der CS und bei den Banken insgesamt stark an, da Unternehmen Liquidität aufbauten und Kreditlinien zogen. Die CS zog ihrerseits alle Register, um ihre Liquidität zu erhalten. Marktbeobachter berichteten, dass die CS in dieser Periode Strukturierte Produkte mit den höchsten Coupons verkaufte. Zudem bot sie Festgeld-Konti in Dollar zu Bedingungen an, die deutlich über dem Liborzinssatz lagen.

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) sprang den Banken zur Hilfe und liess den antizyklischen Kapitalpuffer, den sie zur Absicherung der Risiken im Hypothekarmarkt aufgebaut haben, ausser Kraft setzen. Das sind maximal 2,5 Prozent der Eigenkapitalquote. Die Kapitalanforderungen für die CS sanken somit in einer wirtschaftlichen Lage, in der theoretisch höhere Kapitalpuffer vonnöten wären.

Ausfallgefährdete Corporate Bonds

SNB und Finma agieren in diesen Zeiten als Schutzpatrons des Bankenplatzes. Namentlich auch der CS stellten die Aufseher im jüngsten Finanzstabilitätsbericht eine solide Kapitalbasis fest und lobten, sie und die UBS hätten im ersten Quartal Rückstellungen für mögliche Kreditausfälle getätigt. Bei der CS war es rund 1 Milliarde Franken.

Der positiven Beurteilung der CS-Kapitalstärke der Schweizer Regulatoren steht eine Reihe von kritischen Analystenberichten zu diesem Thema gegenüber. Kepler Chevreux führte an, die CS trage im Verhältnis zu ihrem Eigenkapital ein sehr hohes Risiko mit vom Ausfall gefährdeten Unternehmensanleihen. Barclays schrieb bereits im April, die Reserven zur Abfederung von Wertberichtigungen könnten je nach Entwicklung nicht genügen. Das bedeute, dass sich darüber hinausgehende Wertberichtigungen direkt ins Eigenkapital fressen würden. Punkto Eigenkapital schnitt die CS im Stresstest von Kepler dann als drittbeste Bank von 26 ab.

Ertragseinbrüche erwartet

Das grösste Risiko für die CS ist auch die grösste Unbekannte: Der Einfluss der Coronakrise auf ihre Erträge und auf ihre Bilanz. Nach dem ersten Quartal blieb die CS im Ausblick – verständlicherweise – vage. An einer Investorenkonferenz im Juni sah die Bank keinen Anlass, eine revidierte Prognose zu machen. Das kann als positives Zeichen gewertet werden.

Doch wird sich die Coronakrise bereits im zweiten Quartal und auch danach in den Erträgen massiv bemerkbar machen. Der «Umbau», den CEO Thomas Gottstein gemäss Gerüchten plant, dürfte in erster Linie der Kostenseite gelten. Am kommenden 30. Juli wird man bei der Präsentation der Zweitquartalsergebnisse mehr wissen.

Der im zweistelligen Prozentbereich erwartete und anhaltende Ertragsrückgang stellt für die CS ein grösseres Problem dar. Sie wird kaum Kapital aufbauen können – und das wiederum stellt ihre Aussschüttungspolitik im in Frage und insbesondere die geplante Auszahlung der zweiten Dividendentranche im kommenden Herbst.

Appeasement gegenüber Aktionären

An der Investorenkonferenz hatte die CS noch bekräftigt, die Aktionäre im kommenden vierten Quartal beglücken zu wollen. Sie bilde auch laufend Reserven, um für 2020 und auch für 2021 eine Dividende zahlen zu können.

Die Aussage, die CFO David Mathers gemacht hatte, liesse sich auch als «Appeasement Politics» interpretieren, nachdem die CS erst vor Kurzem auf einen aktionärsfreundlicheren Kurs umgeschwenkt ist und den Investoren laufend steigende Ausschüttungsquoten in Cash versprochen hat.

Dividenden bis 2021 unwahrscheinlich

Der Aktienkurs der CS impliziert, dass die Investoren nicht daran glauben. Auch der Analyst der Zürcher Kantonalbank glaubt nicht, dass die Bank die zweite Dividendentranche zahlen kann. Die Skepsis teilt J.P. Morgan. Zahlungen an Aktionäre seien bis ins Jahr 2021 unwahrscheinlich.

Der Analyst der US-Bank sieht darin Konfliktpotenzial mit Teilen des CS-Aktionariats, das sich gegen den Rauswurf von CEO Tidjane Thiam ausgesprochen hatte. Diese Bruchlinie könnte sich wieder auftun, was ein weiteres Risiko für die CS darstelle.

Die CS selber wollte zunächst zum Artikel keinen Kommentar beifügen, schickte aber nach der Veröffentlichung noch folgendes Statement: «Die Credit Suisse ist sehr gut kapitalisiert. Alle ihre Kapitalkennzahlen liegen über den regulatorischen Anforderungen, mit einer CET-Ratio von 12.1 Prozent (vs. Anforderung von 10.0 Prozent) und einer Tier 1 Leverage ratio von 5.8 Prozent (vs. Anforderung 5.0 Prozent). Die Credit Suisse verfügt über das höchste verlustabsorbierende Kapital aller Banken in der Schweiz (CET1 Kapital von 36.3 Milliarden Franken und TLAC von 92.9 Milliarden Franken).»

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.65%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.52%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.19%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.12%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.52%
pixel