Das wertvollste Fintech Europas hat in der Schweiz Fuss gefasst. Schweiz-Chef Christian Kehr sucht nun Personal für das Zürcher Büro und betrachtet eine Banklizenz als Option, wie er im Interview mit finews.ch erklärt.


Herr Kehr, seit vergangenem Sommer ist der schwedische Zahlungsanbieter Klarna – das wertvollste Fintech Europas – mit eigenem Team in der Schweiz. Wie laufen die Geschäfte?

Die Einführung ist sehr gut gelaufen, und wir verzeichnen ein starkes Wachstum bei den Nutzerzahlen. Das zeigt uns, dass das Interesse an Klarna und unseren Produkten bei Schweizerinnen und Schweizern hoch ist. Wir wollen in Zukunft weitere Shopping-Services und Bezahloptionen auf den Markt bringen. Aus diesem Grund eröffnen wir auch ein Büro in Zürich und sind dabei, das Team vor Ort weiter aufzubauen.

Klarna will auch Schweizer Unternehmen ansprechen, richtig?

Aktuell fokussieren wir auf die Vielzahl an starken Schweizer Marken, denen wir insbesondere bei der Expansion ins Ausland helfen können. Klarnas hohe Brand-Awareness, unter anderem in den nordischen Ländern aber auch in Deutschland und in Österreich, bietet Schweizer Marken Zugang zu einer breiten Zielgruppe, insbesondere unter Millennials und Generation-Z-Shoppern.

«Das ist nur ein Teil dessen, was wir tun»

Zu unseren Wachstums-Partnern aus der Schweiz zählen wir heute schon On-Running, Mammut, Swarovski, Breitling, Vitra und viele weitere. Gleichzeitig offerieren wir internationalen Marken wie Adidas, Nike, Farfetch den Zugang zum Schweizer Markt.

Wie wirkt sich die Coronakrise auf den Online-Verkauf nieder?

Der E-Commerce hat durch die Massnahmen der Pandemie überall auf der Welt einen enormen Auftrieb erfahren. Der Trend wird anhalten. Eine aktuelle Umfrage von uns hat ergeben, dass 77 Prozent der Konsumenten 2022 den Grossteil ihrer Einkäufe online tätigen wollen.

Bei Klarna sehencwir insbesondere bei unserem ‹Buy now pay later›-Angebot eine zunehmende Nachfrage. Das ist natürlich nur ein Teil dessen, was wir tun. In Zukunft wollen wir die komplette Wertschöpfungs-Kette rund um den Bereich Shopping und Banking abdecken – von der Inspiration zu den Retouren und den persönlichen Finanzen.

Klarna ist mit ‹Buy now pay later› seit 2005 unterwegs und inzwischen einer der führenden Anbieter weltweit. Warum sind Sie so spät auf die Schweiz gekommen?

Der DACH-Raum ist inzwischen eine unserer etabliertesten Regionen und verzeichnet nach wie vor starke Wachstumsraten. In der Schweiz bieten wir bereits seit 2018 unsere Bezahl-Optionen an und verzeichnen eine zunehmende Nachfrage seitens Endkonsumenten und der integrierten Händler.

«Die letzten eineinhalb Jahre haben wie ein Katalysator für den E-Commerce gewirkt»

Für die kommenden Jahre planen wir unser Angebot sukzessive weiter auszubauen und noch präsenter werden.

‹Buy now pay later› meint ganz profan den Kauf auf Rechnung. Ist die hiesige Abneigung gegenüber dem Schuldenmachen wirklich so sprichwörtlich?

Die Schweizerinnen und Schweizer setzen sich bewusst mit ihren Finanzen auseinander, was einem globalen Trend folgt und für uns eine positive Entwicklung ist. Bei Klarna wollen wir aber auch einen transparenten Überblick über Ausgaben und Bestellungen verschaffen, so dass Kunden diese zu jeder Zeit aktiv einsehen und managen können und so nie den Überblick verlieren.

Dabei entscheiden sich viele Klarna-Nutzerinnen und -Nutzer für unsere Pay-Now-Option, also das sofortige Bezahlen einer Bestellung per Bankeinzug.

Die Schweizer Konkurrentin Cembra erwartet bei ‹Buy now pay later› bis 2025 ein jährliches Plus zwischen 20 und 30 Prozent – das lässt auf eine Goldgrube schliessen. Wie beurteilen Sie das Potenzial in der Schweiz?

Die letzten eineinhalb Jahre haben wie ein Katalysator für den E-Commerce und damit auch für digitale Bezahlmethoden gewirkt. Der Markt für ‹Buy now pay later› hat dadurch einen starken Schub erlebt, was sich natürlich auch positiv auf unsere Unternehmensentwicklung auswirkt. Es ist davon auszugehen, dass sich der Markt bis 2024 mindestens verdoppeln wird.

«Wir sind schon lange nicht mehr nur im Checkout-Bereich aktiv»

In den USA hat jede zweite Nutzerin und Nutzer im Jahr 2020 mindestens einmal ‹Buy-now-pay-later›-Angebote genutzt. Wir erwarten auch für den DACH-Markt eine ähnliche Entwicklung. Die Schweiz beheimatet enorm starke Marken. Schon jetzt haben viele dieser Marken die Bedeutung und Vorteile von digitalem Vertrieb erkannt und ihre Payment-Optionen dementsprechend angepasst.

Sie müssten auch stark daran interessiert sein, mit den grossen Schweizer Retailern Migros und Coop ins Geschäft zu kommen. Die haben aber teils selber Online-Handelstöchter. Wie geht Klarna da vor?

Um unsere Händler noch besser zu unterstützen, weiten wir unsere Services und Leistungen weltweit aus. Mit dem Klarna Comparison Shopping Service (CSS) können Händler zum Beispiel effizienter ihre Werbebudgets einsetzen und ihre Conversion Rate optimieren. Durch unsere jüngsten Übernahmen, wie zum Beispiel von Hero, stellen wir uns darüber hinaus zukünftig im Live-Shopping-Bereich auf und bieten unseren Händlern ein Social-Shopping-Angebot.

Über dieses können Produktexperten mit Kunden via Text, Chat und Video verbunden werden – dies im E-Commerce-Shop des Händlers oder langfristig direkt innerhalb der Klarna-App. Mit diesen Services unterstützen wir Händler bei ihrem Wachstum und freuen uns, dass sich aus diesem Grund bereits zahlreiche Detailhändler für Klarna entschieden haben.

Für Klarna wird es nach dem erfolgten Online-Einkauf erst richtig spannend?

Wir sind schon lange nicht mehr nur im Checkout-Bereich aktiv, sondern begleiten unsere Nutzer entlang des gesamten Einkaufserlebnisses. Das heisst, wir bieten vor dem Kauf Inspirationen, Kunden haben die Möglichkeit, Wunschlisten anzulegen und sich über neue Angebote und Preissenkungen zu informieren. Und wir sorgen nach dem Einkauf dafür, dass alles reibungslos abläuft.

«Dann werden wir die Option einer Banklizenz prüfen»

Dazu können die Nutzer ihre Bestellungen inklusive Sendungsverfolgung in der Klarna-App einsehen, finden dort eine Übersicht zu ihren Ausgaben und monatlichen Budgets und können das gesamte Retouren-Management in der App verwalten.

Strebt Klarna in der Schweiz den Eintritt ins Geschäft mit Konsumkrediten und damit eine Banklizenz an?

Der Ausbau unseres Angebots hat immer zum Ziel, die Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden zu befriedigen. Wir evaluieren dabei fortlaufend die Marktbedürfnisse. Sollten wir dafür eine Nachfrage feststellen, werden wir – wie es auch in den anderen Märkten der Fall war – diese Option genau prüfen.

Haben Sie seit Ihrer Ankunft schon Reaktionen von Schweizer Finanzakteuren erhalten?

Der Schweizer Markt bietet ein vitales und breit aufgestelltes Ökosystem im Finanzbereich, das enorm viele Experten und Top-Talente beheimatet. Wir stehen in einem Austausch mit den Akteuen vor Ort und haben bisher eine sehr positive Resonanz erfahren.


Christian Kehr hat im vergangenen November den Aufbau des Schweizer Marktes bei Klarna übernommen. Der E-Commerce-Spezialist war zuvor für den Sportartikel-Hersteller Mammut und den Schweizer Online-Marktplatz Ricardo in Führungspositionen tätig; zu seinen Stationen in der Schweizer Finanzwelt zählt Flynt, das Fintech-Projekt des einstigen Leonteq-Chefs Jan Schoch. Mit einer Bewertung von mehr als 45 Milliarden Dollar gilt der schwedische Bezahldienst Klarna als wertvollstes Fintech Europas und bedient nach eigenen Angaben über 90 Millionen Kunden weltweit. Im Jahr 2020 knackte das Finanzunternehmen erstmals die Umsatzmilliarde.

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