Kleine Bank mit grosser Geschichte: Wohin steuert Quilvest?
Quilvest (Switzerland), die Privatbank der argentinischen Braudynastie Bemberg, verwaltet 6 Milliarden Franken. Doch nach sechs Jahren mit negativem Neugeld ist der weitere Weg ungewiss.
Jahrzehntelang residierte Quilvest diskret, aber prominent im Stockerhof. Nun ist sie umgezogen – an die Füsslistrasse, wie die Bank kürzlich auf LinkedIn mitteilte. Auf der städtischen Landkarte ist das ein Detail – beide Adressen liegen keine fünf Gehminuten auseinander.
Dennoch stellt sich die übergeordnete Frage: Wohin steuert Quilvest strategisch und institutionell?
Vom Quilmes-Bier zur Quilvest-Bank
Der Umzug erfolgt in einer interessanten Phase für die Bank. Gegründet in den 1930er-Jahren als Family Office der einflussreichen Bemberg-Dynastie – einer der bedeutendsten Unternehmerfamilien Lateinamerikas und Gründerin der argentinischen Brauerei Quilmes – balancierte Quilvest stets zwischen Tradition und Diskretion.
Zusätzlich zu Beteiligungen in den Bereichen Bier und Energie verfügen die Bembergs seit Langem über ein wichtiges Standbein in der Finanzwirtschaft. Ihr Private Banking umfasste zeitweise Standorte an Finanzplätzen wie Luxemburg, Paris und Zürich.
Ein einstiges 30-Milliarden-Imperium
Ende der 2010er-Jahre verwaltete Quilvest Wealth Management – die inzwischen aufgelöste Muttergesellschaft der Schweizer Bank – Vermögen in Höhe von 30 Milliarden Franken und beschäftigte weltweit über 300 Mitarbeitende. Die Schweizer Einheit allein betreute über 7 Milliarden Franken Kundengelder.
Das war vor fünf Jahren.
Von Quilvest Wealth Management zu Bemberg Capital
Seither hat die Gruppe ihre internationalen Ambitionen zurückgefahren. 2021 verkaufte Quilvest Wealth Management ihre Aktivitäten in Luxemburg und Paris (unter dem Namen CBP Quilvest) an die Fideuram Bank Luxembourg der Intesa Sanpaolo.
Die verbleibenden Finanzaktivitäten gingen in der Familienholding Bemberg Capital auf. Deren zweite Säule, neben der Schweizer Bank, bleibt Quilvest Capital Partners in Luxemburg – ein globaler Investmentmanager mit Fokus auf mittelständische Unternehmen und rund 7 Milliarden Dollar verwaltetem Vermögen.
«Off-Boarding nicht-strategischer Kunden»
In einem E-Mail-Austausch mit finews.com beschreibt Matthias Jenzer, CEO von Quilvest (Switzerland), die Entwicklung als bewusst eingeleiteten Umbau: «Ende 2019 haben wir eine Überprüfung unseres Geschäfts begonnen, die zu einer gezielten Reorganisation und Straffung führte», schreibt er.
«Während dieser Prozess zum Off-Boarding nicht-strategischer Kunden führte, sind wir mit unserer neu ausgerichteten Strategie und dem neuen Betriebsmodell vollumfänglich zufrieden – wir sind überzeugt, damit langfristig gut aufgestellt zu sein.»
Ein Blick auf die Zahlen zeigt jedoch ein differenzierteres Bild:
2024 | 2023 | 2022 | 2021 | 2020 | 2019 | |
Verwaltete Vermögen | 5,9 Mrd. | 5,5 Mrd. | 6,6 Mrd. | 7,3 Mrd. | 7,2 Mrd. | 7,1 Mrd. |
Neugeld | -471 Mio. | -813 Mio. | -534 Mio. | -594 Mio. | -291 Mio. | -556 Mio. |
Betriebsgewinn | 1,4 Mio. | 4,5 Mio. | 4,2 Mio. | 2,6 Mio. | 3,7 Mio. | 2,2 Mio. |
2024 erzielte Quilvest (Switzerland) ein Periodenergebnis (nach Steuern und ausserordentlichen Erträgen) von 1 Million Franken – nach 3.5 Millionen im Vorjahr. Das sind bescheidene Zahlen für eine Bank mit einer Bilanzsumme von 220 Millionen Franken per Ende 2024 – was die Frage aufwirft, ob sie ihre Kapitalkosten überhaupt deckt.
Der Betriebsertrag sank von 30,2 auf 28,9 Millionen Franken (minus 4,5 Prozent), während der Aufwand um knapp 9 Prozent stieg – von 23,9 auf 26,0 Millionen Franken. Treiber waren höhere Personalkosten und allgemeine Ausgaben.
Negatives Neugeld
Das verwaltete Vermögen stieg leicht auf 5,9 Milliarden Franken – bleibt damit aber klar unter den früheren Höchstwerten. Der Zuwachs geht auf günstige Marktbewegungen zurück, nicht auf Neugeldzuflüsse.
Auf der Kostenseite zeigt sich dagegen wenig Bewegung. Trotz der geschrumpften Vermögensbasis beschäftigte die Bank 2024 rund 90 Vollzeitstellen – genauso viele wie vor fünf Jahren. Dies erklärt sie mit dem «neu positionierten Modell» und gestärkten Investment- und Front-Office-Teams. Doch stellt sich die Effizienzfrage: Warum braucht eine Bank mit weniger als 6 Milliarden verwaltetem Vermögen und einigen wenigen UHNW-Kunden solch eine Infrastruktur?
Eine Familienangelegenheit?
Im Bahnhofstrassen-Umfeld wird vermutet, dass ein bedeutender Teil der AuM von der Familie Bemberg selbst stammt – die Bank wäre damit de facto ein institutionalisiertes Multi Family Office mit Banklizenz. Quilvest wollte sich auf Anfrage nicht zum Anteil der Eigentümerfamilie an den AuM äussern.
Warum die Familie Bemberg eine schrumpfende Bank mit 90 Mitarbeitenden im kosten- und regulierungsintensiven Umfeld des Schweizer Bankenplatzes unterhält, bleibt ihr Geheimnis. Gerade in dem von ihr anvisierten Kundenkreis vermögender Familien zeigen die diversen kleinen, margenstarken Family Offices, dass es auch anders geht.
Strategische Entschlossenheit
Häuser wie Marcuard Family Office oder Novum Capital Partners (kürzlich von finews.ch porträtiert) verzeichnen stetige Neugeld-Zuflüsse – trotz geopolitischer Unsicherheiten und Zurückhaltung auf Kundenseite.
Quilvest dagegen scheint sich eher zurückzuziehen als anzugreifen. Jenzers Aussagen deuten zwar auf strategische Entschlossenheit hin – doch die Zahlen widerspiegeln eher ein Haus, das seinen Biss erst wiederfinden muss.
Kleiner, leiser
Und so bedeutet der Umzug vom Stockerhof an die Füsslistrasse mehr als nur eine neue Adresse. Er steht für den Rückzug eines einst global aktiven Hauses in ein kleineres, leiseres Format. Die Dynastie bleibt am Ruder.
Doch als Privatbank wirft Quilvest Fragen auf: Wie viel des Geschäfts basiert auf Drittkunden abseits von «Friends and Family»? Wie hoch sind die effektiven Kapitalkosten? Und vor allem: Woher soll künftiges Wachstum kommen? Wie auch immer die genaue Strategie aussieht – bislang schlägt sie sich nicht in Wachstum nieder.