Tina Balzli: «Eine gute Regulierung fördert Innovation»


Das DLT Gesetz ermöglicht Asset Managern die Tokenisierung von Wertpapieren auf der Blockchain und ist vor über vier Jahren in Kraft getreten. Eine Tokenisierungs-Welle ist bislang aber ausgeblieben. Warum?

Seit Anfang Februar 2021 erlaubt das DLT-Gesetz die Emission von Registerwertrechten nach Art. 973d ff. OR (d.h. von Wertpapieren auf der Blockchain) und seit Anfang August 2021 den Betrieb von DLT-Handelssystemen als neuer Finanzmarktinfrastruktur. Allein die rechtliche Grundlage begründet jedoch noch keinen funktionsfähigen Markt. Die verhaltene Dynamik erklärt sich vor allem durch das Fehlen einer durchgängigen Infrastruktur über Primärmarkt und Sekundärmarkt. Die Einbindung in bestehende CSD und Depotlandschaften ist komplex und erfordert weiterhin Zeit und Kapital. Zugleich ist die Zahl der aktiven Teilnehmer noch zu gering, sodass im Sekundärhandel keine Netzwerkeffekte entstehen und die Preisbildung ineffizient bleiben kann. Asset Owner erwarten nachweisliche Verbesserungen bei Kosten, Liquidität und Zugang und nicht die Token Form als Selbstzweck.

Erst dieses Jahr hat die Finma ein DLT-Handelssystem bewilligt. Der Innovationsprozess scheint schleppend zu verlaufen. Täuscht das?

Dieser Eindruck täuscht nur teilweise. Im März 2025 hat die Finma mit „BX Digital” das erste DLT-Handelssystem bewilligt. Diese Bewilligung umfasst den Handel und die Abwicklung von Transaktionen mit DLT-Effekten und schliesst damit einen der bislang fehlenden Bausteine für die angesprochenen Netzwerkeffekte im Sekundärmarkt. Bereits 2021 hatten Gesellschaften der SIX-Gruppe als Börse und als Zentralverwahrer für digitale Werte grünes Licht erhalten, jedoch nicht unter der neuen Kategorie des DLT-Handelssystems. Dies zeigt einen schrittweisen Ausbau der Marktinfrastruktur in einem vorsichtigen regulatorischen Rahmen. Ob daraus spürbare Marktbreite entstehen wird, hängt nun von konkreten Listings, aktiven Market Makern, der Anbindung der Depotbanken und weiteren Prozessen ab.

Welche Vorteile bietet die Tokenisierung von Wertpapieren für Asset Manager und welche für die Investoren?

Asset Managern bieten sich durch schlankere Emissionsprozesse, eine präzisere digitale Registerführung und programmierbare Corporate Actions über den gesamten Lebenszyklus eines Instruments potenziell deutliche Effizienzgewinne. Hinzu kommen potenziell neue Produktformen, wie fraktionierte Beteiligungen in Private Markets, sowie die Möglichkeit durchgängiger Prozesse von der Zeichnung bis zur Verwahrung mit höherem Automatisierungsgrad. Perspektivisch sinken die Kosten für Transfer Agent und Settlement, und durch Delivery versus Payment in einem Schritt werden Gegenparteirisiken reduziert. Der regulatorische Rahmen für DLT-Effekten und die entsprechenden Infrastrukturen ist vorhanden und unterstützt Standardisierung, Interoperabilität sowie revisionssichere Nachvollziehbarkeit für Compliance und Reporting. Investoren profitieren von schnelleren und planbareren Abwicklungen, höherer Transparenz der Eigentumsverhältnisse und einem breiteren Zugang zu bisher schwer zugänglichen oder illiquiden Anlagen. Niedrigere Mindestbeträge erleichtern die Diversifikation, und eine bessere Datenverfügbarkeit verbessert die Preisfindung und das Portfolio-Reporting. Ihre volle Wirkung werden diese Vorteile jedoch erst entfalten, wenn bankfähige, durchgängige Endkundenprozesse etabliert sind, ausreichend Sekundärmarktliquidität vorhanden ist und Depotbanken, Broker und Market Maker angeschlossen sind.

Ist die Krypto-Regulierung in der Schweiz tatsächlich zu restriktiv und komplex, wie kritisiert wird?

Die schweizerische Krypto-Regulierung hat sich zum Ziel gesetzt, technologie-neutral und prinzipienbasiert zu sein. Dies mag grundsätzlich zutreffen und die Anwendbarkeit innerhalb der Gesetzessystematik auch im Hinblick auf zukünftige Neuerungen insgesamt erleichtern. Dennoch haben sich insbesondere im Zusammenhang mit der sogenannten Fintech-Lizenz, die auch im Zusammenhang mit Krypto-Werten relevant sein kann, sowie bei der Ausgabe von Stablecoins gewisse regulatorische Defizite herauskristallisiert. Entsprechende Gesetzesänderungen werden nun in der noch bis zum 6. Februar 2026 laufenden Vernehmlassung zu den Änderungen des Finanzinstitutsgesetzes (Zahlungsmittelinstitute und Kryptoinstitute) vorgeschlagen. Neben der Ablösung der Fintech-Lizenz durch die Lizenz für Zahlungsmittelinstitute mit punktuellen Änderungen zur Verbesserung der Attraktivität und des Kundenschutzes wird auch eine neue Lizenz für Kryptoinstitute vorgeschlagen, die unterschiedliche Dienstleistungen mit Kryptowährungen erbringen. Das Hauptproblem des Schweizer Krypto-Marktes bleibt jedoch der weitgehend fehlende direkte EU-Marktzugang, ein Defizit, das durch nationale Gesetzgebungsdynamiken allein nicht zu beheben ist.

Welche Länder und Märkte sind der Schweiz regulatorisch voraus?

Wie bereits erwähnt, war die Schweiz mit dem DLT-Gesetz beispielsweise im Zivilrecht (Registerwertrechte) oder im Finanzmarktinfrastrukturrecht (DLT-Handelssysteme) vergleichsweise früh dran. Liechtenstein punktet mit dem Gesetz über Token und Vertrauenswürdige-Technologien-Dienstleister (TVTG) und dem darin enthaltenen Token-Container-Modell. Die EU hat die Regulierung im Bereich der Kryptowerte mit der Markets in Crypto-Assets Regulation (MiCAR) harmonisiert und testet den Handel und die Abwicklung von Transaktionen mit Kryptowerten unter dem sog. DLT-Pilotregime. Das Vereinigte Königreich setzt bislang insbesondere auf Sandbox-Ansätze. Singapur schärft die Regeln für digitale Zahlungs-Token und treibt mit dem „Project Guardian” die Entwicklung von tokenisierten Fonds voran. Die Schweiz wird insbesondere dann wettbewerbsfähig bleiben, wenn sich die neuen Finanzmarktinfrastrukturen sowohl hinsichtlich Teilnehmer und Produkte skalieren lassen.

Im Asset Management liegt der Fokus derzeit eher auf der Tokenisierung des Anlagefonds. Worin liegt das grösste Potenzial?

Kurzfristig liegt das Potenzial vor allem in der Steigerung der Prozesseffizienz durch digitale Zeichnung und Rücknahme von Anteilen, on-chain Register und entsprechend weniger Abstimmungsaufwand. Hinzu kommen tokenisierte Fondsanteile mit digitalem Transfer Agent, automatisierten Corporate Actions, effizienterem Onboarding und KYC sowie geldmarktnahen, tokenisierten Settlement-Assets (cash leg) in entsprechenden Finanzmarktinfrastrukturen. Mittelfristig entsteht zusätzlicher Nutzen durch ein interoperables on-chain-Betriebsmodell, bei dem Abwicklung, Register und Reporting auf einer verifizierbaren Datenbasis aufsetzen. Dadurch werden neue Distributions- und Liquiditätswege möglich, etwa NAV nahe Abwicklung geeigneter Vehikel, tokenisierte Feeder Strukturen für Private Markets und automatisierte Ausschüttungen. Internationale Initiativen wie Project Guardian zeigen die Zielarchitektur für eine umfassende Fonds Lifecycle Automatisierung.

Technologische Innovationen und Regulierung: Das sind zwei Begriffe, die oftmals schlecht zusammen können. Warum haben Sie sich dieses Gebiet ausgesucht?

Genau diese Spannungslage finde ich persönlich und fachlich sehr spannend. Eine gute Regulierung und dazu gehört auch eine pragmatische Anwendung der bestehenden Gesetze auf neue Sachverhalte bremst Innovation nicht, sondern fördert sie im Idealfall durch Rechtssicherheit.

Künstliche Intelligenz hat als Megathema die Blockchain überholt. Werden sich die beiden Technologien Asset Management einmal ergänzen?

Ich bin überzeugt, dass sich beide Technologien komplementär entwickeln werden. KI kann on-chain Daten effizient auswerten und automatisiert KYC und AML-Prüfungen, Pricing und NAV Kontrollen ausführen. DLT kann Daten fälschungssicher speichern und Regeln automatisch ausführen, etwa für Corporate Actions und Compliance Prüfungen. Pilotprogramme im Ausland zeigen bereits die Automatisierung von Subscriptions und Redemptions über interoperable Rails. Die Kombination aus KI und Blockchain setzt sich durch, wenn Zuständigkeiten, Datenquellen und Kontrollen klar geregelt sind.

Welche Perspektiven sehen Sie für das Schweizer Asset Management mit Blick auf das technologische Wettrüsten?

Aus Schweizer Sicht bietet das technologische Wettrüsten vor allem Umsetzungschancen. Der Rechtsrahmen steht in der Schweiz grundsätzlich, wobei die FINMA-Praxis zum Teil noch der Anpassung bedarf. Kurzfristig lassen sich Zeichnung und Rücknahme digitalisieren, Registerführung präzisieren, Corporate Actions automatisieren und Onboarding/KYC straffen. Geldmarktnahes Settlement-Asset reduziert Abwicklungsrisiken. Mittelfristig kann ein Fondsbetrieb der nächsten Generation entstehen, indem Abwicklung, Register und Reporting auf einer verifizierbaren Datenbasis laufen. KI übernimmt wiederkehrende Prüfungen wie Pricing Checks, NAV-Kontrollen und Anomalieerkennung, während DLT die Ereigniskette fälschungssicher hält und Regeln programmierbar macht. Die Schweiz hat als Innovationsführerin die Voraussetzungen, vorne mitzuspielen, wenn sie konsequent mit der praxisnahen Umsetzung beginnt.


Dieser Beitrag erscheint in Zusammenarbeit mit der Asset Management Association Switzerland.