Banker hätten das nötige Kleingeld, liessen sich aber oft mehr von Schein als vom Sein leiten, sagt René Beyer, Inhaber und Geschäftsführer des ältesten Uhr- und Juweliergeschäfts der Welt, im Interview mit finews.ch


Herr Beyer, haben die Banker besondere Vorlieben bei Uhren?

Banker sind eine spezielle Sorte von Menschen, weil sie eigentlich nichts selber produzieren und mit einer Uhr sozusagen etwas besitzen, das von Hand gemacht worden ist. Das ist schon mal eine gute Grundvoraussetzung, um mit ihnen ins Geschäft zu kommen.

Ihr Verständnis für Uhren ist – sagen wir es einmal diplomatisch – eher geteilt. Viele Banker lassen sich mehr vom Schein als vom Sein leiten. Sie kaufen beispielsweise eine Hublot vom Hörensagen her oder sie schauen, was andere Kollegen so tragen. Oft muss ich den Bankern auch erklären, wieso jetzt diese Uhr zu ihnen passt und diese nicht.

Wovon hängt das ab?

Einem Banker im mittleren Management kann ich doch keine «President» von Rolex vorschlagen. Die kann er sich erst leisten, wenn er eines Tages Herrn Rohner bei der Credit Suisse ablöst (lacht). Soviel ist klar. Ich finde Banker interessant, aber sie sind nicht meine interessanteste Kundschaft.

Warum?

Banker verfügen zwar über das nötige Kleingeld. Aber mir sind die Leute am liebsten, die «hardcoremässig» unterwegs sind, und eine bestimmte Uhr, wie beispielsweise einen bestimmten Ferrari, um jeden Preis besitzen wollen und die ganze Technik in einer Uhr schätzen.

Das tun Banker nicht?

Die meisten sind emotional relativ kühl. Sie richten sich nach der Verfügbarkeit einer Uhr, deren Grösse und nach der Bekanntheit des Uhrengeschäfts – und natürlich nach dem Preis. Für meine Begriffe ist der Banker schon fast zu rational.

Kann man mit Ihnen über den Preis verhandeln?

Natürlich. Das kann man sogar sehr gut. Ich sage dabei immer, «Rabat» ist eine Stadt in Marokko, und da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen. Im Ernst: Der Preis ist für uns ein Argument unter vielen. Was zählt, ist der ganze Service – der Mehrwert, den wir bieten.

«Pro Mitarbeiter erzielen wir einen Umsatz von mehr als einer Million im Jahr»

Ich kann Ihnen beim Kauf einer Uhr auch noch eine Führung in unserem Uhrenmuseum anbieten oder neuerdings eigenen Honig, seit wir zuoberst auf dem Dach unseres Geschäfts an der Zürcher Bahnhofstrasse Bienen züchten. Erst wenn die Leute ihre zweite oder dritte Uhr bei uns kaufen, begreifen sie, weshalb sie vorher einen grossen Fehler begangen haben. Das entgangene Verkaufserlebnis holt man nie wieder zurück.

Wieviel Umsatz erzielt Beyer Chronometrie?

Das sagen wir nicht, da wir als Familienunternehmen dies nicht publizieren müssen. Doch ich kann Ihnen verraten, dass wir pro Mitarbeiter einen jährlichen Umsatz von mehr als einer Million Franken erzielen, und wir haben mehr als 70 Beschäftigte.

«Zu meinem ganzen Leidwesen dominiert heute ein globalisierter Trend»

Wir sind der fünft- oder sechstgrösste Juwelier in der Schweiz – mit einem einzigen Geschäft notabene, und der durchschnittliche Verkaufspreis pro Kunde liegt über 10'000 Franken.

Sind die Chinesen heute Ihre Hauptkundschaft?

Früher waren es die Deutschen, dann die Japaner. Eine Zeit lang kamen auch viele Inder, dann wurden es wieder weniger, später Südamerikaner, Russen. Die Schweizer sollten immer noch etwa 50 Prozent unseres Geschäfts ausmachen, aber mittlerweile machen die Asiaten insgesamt rund 40 Prozent unserer Klientel aus, zu Lasten der Europäer.

Begehren die Chinesen andere Uhren als beispielsweise die Schweizer?

Ja, grundsätzlich schon. Früher wollten die Chinesen zumeist Dreizeiger-Uhren und möglichst klein. Zu meinem Leidwesen dominiert heute aber ein globalisierter Trend. Alle wollen mehr oder weniger das Gleiche. China passt sich im Positiven wie im Negativen der übrigen Welt an.

Welche Uhren verzeichnen die grösste Nachfrage?

Meistens sind das Stücke von Patek Philippe und Rolex, bei denen die Nachfrage immer grösser ist als das Angebot. Diese Firmen könnten ihre Produktion locker hinauffahren, aber das machen sie bewusst nicht.

Warum?

In gewissem Sinne übernehmen sie ihren Kunden und Sammlern gegenüber eine gewisse Verantwortung. Sie achten darauf, dass nicht zu viele Uhren hergestellt werden, so dass der Wert nicht schwankt, sondern stabil bleibt respektive tendenziell eher steigt.

Patek Philippe und Rolex, das sind die zwei ganz grossen Namen in der Uhrenwelt. Wie unterschieden sich diese beiden Hersteller voneinander?

Der eine Hersteller ist der Meister in der Quantität und gleichzeitig im Produzieren auf einem extrem hohen Qualitätsniveau, einem Franchising also, das man, böse gesagt, mit McDonald’s vergleichen kann.

«Eine Rolex darf einfach nie versagen»

Es ist ein Produkt, das sehr bekannt ist und überall auf der Welt gleich schmeckt. Coca-Cola kennt auch jeder, ist aber von Land zu Land etwas verschieden. Der Big Mac hingegen muss überall gleich aussehen, gleich schmecken und gleich hergestellt sein.

Das ist Rolex?

Ja. Rolex ist das beste Produkt, das standardisiert hergestellt wird. Die Ästhetik rein vom Werk her ist nicht wichtig. Wichtig ist, dass diese Uhr sozusagen wie ein Traktor funktioniert. Eine Rolex darf einfach nie versagen. Es ist eine Uhr, die für Professionals gedacht ist, die unter keinen Umständen jemals sagen müssen, meine Uhr hat mich im Stich gelassen.

Patek Philippe ist das Gegenteil?

Patek Philippe produziert so wenige Uhren, dass eigentlich keine Uhr genau gleich ist wie die andere. Eigentlich ist das auch nicht ganz korrekt. Denn keine Uhr ist gleich wie die andere.

Sagen wir es so: Eine Patek Philippe darf eine gewisse Unpräzision haben, weil dahinter Handarbeit steckt, die sich und das muss ich betonen, auf den Tausendstel-Millimeter bezieht. Bei den Minuten-Repetitionen sind es im Monat vielleicht fünf bis sieben Stück, die Firmenbesitzer Thierry Stern persönlich begutachtet. Und wenn er sagt, die gefällt mir nicht vom Ton her, gibt er sie dem Uhrmacher zurück und sagt: «Sorry, du musst sie nochmals auseinandernehmen und neu zusammensetzen.»

«Eine Patek Philippe ist das Beste als Ersatzwährung, wenn Geld keinen Wert mehr haben wird»

Das ist die Perfektion von Patek Philippe, dass jede Uhr absolut perfekt, im Prinzip jedes Stück eine Einzelanfertigung ist. Geld spielt für Leute, die eine Patek Philippe kaufen, keine oder nur eine Rolle untergeordnete Rolle. Darum kann sich die Herstellerin auch ein Vielfaches an Investitionen leisten.

Ist eine Patek Philippe somit ein sicheres Investment?

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
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