Der Internet-Gigant Facebook will einmal mehr die Welt verbessern: Diesmal mit einer globalen Kryptowährung. Man kann nur hoffen, dass die Regulatoren das Projekt begraben, schreibt finews.ch-Chefredaktor Peter Hody.

Facebook ist zu 100 Prozent die falsche Institution, eine Weltwährung herauszugeben und zu kontrollieren. Suchen die Regulatoren dieser Welt nach möglichen Gründen, den Facebook-Coin Libra abzulehnen?

Hier sind sie: Facebook ist ein Konzern, dessen einzige «raison d'être» ist, die persönlichen Daten von Milliarden von Menschen auf dieser Welt zur Gewinnmaximierung zu nutzen und der zudem von einer einzigen Person geführt und kontrolliert wird, die ihre Unzulänglichkeiten immer wieder bewiesen hat.

Er hat sich Mühe gegeben

Ein Mark Zuckerberg, der ein globales Währungssystem kontrolliert, die Nutzer, die Zahlungsströme, die Liquidität, die Transparenz, die Daten – geht's noch?

Nun hat sich der Social-Media-Gigant Mühe gegeben, für Libra eine Corporate-Governance-Struktur aufzubauen, die das Kryptowährungsprojekt vom Facebook-Konzern (und damit von Zuckerbergs Kontrolle) abkoppelt: Calibra ist das Tochterunternehmen und zusammen mit anderen US-Konzernen Gründungsmitglied der Libra Association – eines Vereins also.

Das Projekt ist zudem in der neutralen Schweiz angesiedelt, die wegen ihrer hohen Rechtssicherheit und strenger Datenschutzregelung von IT-Unternehmen hoch geschätzt wird. Facebook hat sich auch Mühe gegeben, den Anschein zu geben, bei dem Projekt «aussen vor» bleiben zu wollen: Auf der Internetseite Libra.org findet sich das Wort «Facebook» nicht einmal.

Einmal mehr die Welt verbessern

Die Handschrift von Zuckerberg trägt Libra allemal. So wird mit Libra einmal mehr das Märchen verbreitet, die Kryptowährung solle dazu dienen, das Leben von Milliarden von Menschen leichter machen.

«To make the world a better place» ist im Silicon Valley die Pseudoreligion, die in jedem Mission Statement der Tech-Konzerne einer Öffentlichkeit weis machen soll, es handle sich bei den auf die Zerstörung überkommener Wirtschaftsstrukturen und auf Gewinnmaximierung fokussierten Unternehmen um philanthropische Einrichtungen.

Alles, immer und überall

Keine Frage: Die Internetgiganten, vereint unter dem Akronym GAFA (Google, Apple, Facebook, Amazon), haben mit ihren radikal auf Kunden und Nutzer zentrierten Geschäftsmodellen die Welt in mancherlei Hinsicht einfacher gemacht: Kommunikation, Information, Konsum und Unterhaltung sind revolutioniert worden. Geldtransfers, Bezahlen und weitere Finanzdienstleistungen sehen die Morgendämmerung einer solchen Revolution.

«User experience», «customer journey», «touch point», «client engagement», «disintermediation», «ecosystem», «leaving out the middle man» sind die Buzzwords, mit welchen heute jeder Manager einer beliebigen (und noch in der analogen Welt beheimateten) Branche oder Industrie um sich wirft.

Personendaten als Pfand

Das Versprechen: Günstigere und einfachere Dienstleistungen für Konsumenten, denen überall und jederzeit alles zur Verfügung steht. Dagegen ist nichts einzuwenden. Die Kehrseite ist eine furchterregende Machtballung auf einige wenige Entscheider, die Personendaten als Pfand halten.

Zuckerberg ist möglicherweise der Mann, der diese Vision am radikalsten vorantreibt. Er ist mittels Kontrolle über Milliarden persönlicher Daten zu einem der mächtigsten Menschen der Welt geworden – und versagt persönlich angesichts dieser immensen Herausforderung.

Facebook ist ein Konzern, der in den vergangenen Jahren vor allem mit Skandalen Schlagzeilen machte: Mangelhafter und fahrlässiger Datenschutz, Beeinflussung von Wahlen und demokratischen Prozessen, Verbreitung von Fake News, intransparente Richtlinien und ihre Umsetzung – die Liste liesse sich fortschreiben.

Witze über den Schutz der Privatsphäre

Notiert sei noch dies: Zuckerberg hat vor rund einem Monat blumig versprochen, die Privatsphäre von Facebook-Nutzern künftig besser zu schützen – und Witze über die angeschlagene Reputation von Facebook gerissen. 

Dieser Zuckerberg will nun eine Kryptowährung – das «Internet des Geldes» – über seine Plattform an Nutzer bringen. Libra würde «mit einem Schlag systemkritisch werden und muss darum Gegenstand der höchsten Standards der Regulierung» werden, wie es Mark Carney ausdrückte, der Gouverneur der Bank of England.

Der Inbegriff von Inkompatibilität

Höchste Standards der Regulierung und Facebook – das ist der Inbegriff von Inkompatibilität. Zuckerberg hat seine Geschäftsmodelle bislang immer und wissentlich in Gefilden verfolgt, in denen eine staatliche Aufsicht schwach oder kaum vorhanden war.

Seine Machtfülle im Facebook-Konzern, die unzeitgemässen Corporate-Governance-Strukturen und die bislang demonstrierte und arrogante Unfähigkeit, den Kontroversen adäquat zu begegnen, sind mit ein Grund, dass Politiker in Europa und in den USA zunehmend bereit sind, das soziale Netzwerk zu zerschlagen.

Insofern hat Zuckerberg das Projekt Libra zu einem ungünstigen Zeitpunkt lanciert. Man kann nur hoffen, dass die Regulatoren es begraben.

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