Schweden hat sich in der Coronakrise einem liberaleren Weg verschrieben als die meisten Länder. Die Bilanz: Die Macht der staatlichen Epidemiologen ist erstaunlich gross – und wirtschaftlich hat der Ansatz Schweden sicher (noch) nicht geschadet.

Katastrophen bringen es mit sich, dass für eine gewisse Zeit Menschen in den Vordergrund treten, die sonst nicht öffentliche Personen sind. Daniel Koch ist so einer – Chefbeamter und «Mister Corona» in der Schweiz. Ein anderer heisst Anders Tegnell – er ist das Pendant zu Koch in Schweden. Beide sind plötzlich sehr berühmt und beide haben eine sehr grosse Verantwortung zu tragen.

Koch hatte das «Glück», dass die Schweizerische Strategie erstens sehr stark von der verheerenden Situation im benachbarten Norditalien geprägt war und zweitens mehr oder weniger gleich wie in den umliegenden Ländern ausformuliert worden ist.

Tegnell steht für Schweden's liberale Strategie

Tegnell hingegen hat Schweden eine Vorgehensweise verschrieben, die so anders ist überall sonst in Westeuropa. Und damit verknüpft sich das Schicksal der Entwicklung in Schweden noch viel stärker mit seinem Namen als die Strategie der Schweiz.

Seit die Schweiz zudem auf der besseren Seite der (ersten?) Welle steht, hat sich der Fokus komplett auf die Exit-Strategie verschoben und damit auf die Geschwindigkeit der Lockerung, welche von politischen Gruppierungen ganz unterschiedlich beurteilt wird. Der mittlerweile pensionierte «Mister Corona» ist längst nicht mehr so im Zentrum der Aufmerksamkeit wie eben noch.

Gegenwind ist ihm sicher

Tegnell hingegen erfährt eben gerade ziemlich viel Gegenwind – 22 Forscher haben ihn und seine Kollegen als «Beamte ohne Talent» beschrieben und die Politik aufgefordert, endlich radikal durchzugreifen.

Dabei stützen sie sich auch auf die Kritik aus den zwei Nachbarländern Finnland und Norwegen. So sagte etwa der finnische Präsident Sauli Niinistö der schwedischen Zeitung «Dagens Nyheter», dass man der Bevölkerung nicht empfehlen könne, nicht ins Restaurant zu gehen, wenn diese trotzdem geöffnet blieben.

Nun, interessanterweise laufen alle Strategien auf das Gleiche hinaus: Während wir auf einen effektiven Impfstoff warten, respektive auf ein Medikament, welches die Symptome des Virus bekämpft, müssen wir das Gesundheitssystem jederzeit handlungsfähig erhalten und gleichzeitig die Wirtschaft vor dem Kollaps schützen.

Ist die Schweiz zu zögerlich?

Zwar hat Schweden, ähnlich übrigens wie die Schweiz, auch relativ viele Todesopfer zu beklagen, aber hier wie dort ist das Gesundheitswesen intakt geblieben. Tegnell meint, dass dies mithin damit zu tun habe, dass Schweden relativ spät von der Welle der Ansteckungen erfasst wurde und die Spitäler Zeit hatten, sich zu rüsten.

Was ist nun mit der Wirtschaft? Schweden ist zweifelsohne ein Risiko eingegangen. Wenn nun in der Schweiz Kritik an der von vielen als zögerlich beurteilten Lockerung der Massnahmen geübt wird, verbindet sich diese gewissermassen mit der Hoffnung, dass das schwedische System für die Wirtschaft besser verträglich ist.

Starker Anstieg der Arbeitslosigkeit

Es ist sicherlich zu früh, hier ein abschliessendes Urteil fällen zu können. Die Auswirkungen sind in den vergleichbaren Volkswirtschaften Schweiz und Schweden relativ ähnlich, nicht zuletzt, weil viel Geld im Ausland verdient wird.

Sowohl in Schweden als auch in der Schweiz ist die Arbeitslosigkeit in den vergangenen Wochen stark angestiegen (in Schweden von einem höheren Niveau aus). Während die Schweiz im schlimmsten Szenario mit bis zu 7 Prozent Arbeitslosigkeit rechnet (von 2.9 Prozent), gibt es in Schweden Befürchtungen, dass die Rate von jetzt 8 Prozent in den zweistelligen Bereich vorstösst.

Wie schnell erholt sich die Wirtschaft?

Die heute veröffentlichten Zahlen in Schweden zeigen, dass das Wachstum der Arbeitslosigkeit sich schon verlangsamt hat. Ob dies allerdings mit der Strategie der Epidemiologen zu tun hat oder nicht, bleibt dahingestellt. Sicherlich hilft es der Gastrobranche, dass sie zwar Auflagen beachten muss, aber eben immer noch geöffnet bleiben kann, anders als die Restaurants und Bars in der Schweiz.

Die Handelsbank, eine der grossen Geschäftsbanken Schwedens, rechnet mit einem BIP-Rückgang von 7 Prozent und Arbeitslosigkeit von 11 Prozent in diesem Jahr – aber auch mit einem rasanten Anstieg des BIP von 5 Prozent im 2021, das sich auch in sinkenden Arbeitslosenzahlen niederschlagen wird.

Die Zentralbank Schwedens hat, ähnlich wie die Schweizerische Nationalbank (SNB), den Geschäftsbanken riesige Summen (500 Milliarden Kronen – etwa 50 Milliarden Franken) versprochen, die an notleidende Firmen vergeben werden können. Und der Staat steht mit ebenfalls ähnlichen Instrumenten der Wirtschaft bei, wie der Bund auch.

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