Schweden ist berühmt für vieles – aber nicht unbedingt für eine liberale Weltsicht. Umso mehr erstaunen die Bilder von fröhlichen Menschen, die in trotz Corona-Pandemie Cafés und Shops den Frühling geniessen. Was bedeutet das für die Wirtschaft im hohen Norden?

So stellt sich dies der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro wohl vor: Statt abgesperrten und verwaisten Stränden volle Restaurants, geöffnete Schulen und eine relative Normalität des Alltags. Schweden geht seinen eigenen Weg in der Coronakrise. Dieser Weg ist risikoreich, aber gleichzeitig weniger belastend für die Unternehmer.

Bei sich zu Hause sieht sich Bolsonaro – der anders als die Schweden das Virus verharmlost – einem Lockdown gegenüber, der von regionalen Behörden und teilweise sogar von kriminellen Banden durchgesetzt wird.

Anders interpretiert

Indem die Regierung von Stefan Löfven die Schweden zwar ermahnt, zu Hause zu bleiben, aber gleichzeitig dem Land keinen Lockdown verordnet hat, stellt sie sich gegen die von Epidemiologen verfochtene und von den meisten Regierungen durchgesetzte Linie, dass nur ein radikales Durchgreifen und weitreichende Verbote die Überforderung des Gesundheitssystems abzuwenden vermögen.

Ein Interview mit König Carl XVI Gustaf beweist, dass die Regierung ihre Politik wohl von langer Hand vorbereitet hat. Am 12. Februar besprach sich die Regierung eingehend mit dem Königshaus, um sich für die kommenden Monate vorzubereiten, wie Carl Gustaf der Zeitung «Dagens Nyheter» am Sonntag berichtete.

Schweden und die Schweiz sind exportorientiert

Stand heute Montag sind in Schweden die Gaststätten geöffnet, an den Volksschulen wird unterrichtet und selbst die Skigebiete sind noch offen. Ob es sich lohnt, mit einem weniger strikten Vorgehen eine höhere und vor allem schnellere Infektionsrate zu riskieren, um die Wirtschaft weniger zu belasten, kann nicht abschliessend beurteilt werden. Ein Vergleich zwischen dem Kurs der Schweden und demjenigen im Rest von Europa gleicht einem Blick in die Kristallkugel – niemand weiss, wie tief und vor allem wie lange die Bremsspur wird.

Die verschiedenen Wege werden aber vor allem für die Schweiz von grossem Interesse sein. Schweden und die Schweiz sind gerade in Bezug auf ihre Wirtschaft sehr ähnlich – mit einem starken, aber kleinen heimischen Markt, einer dynamischen Dienstleistungsindustrie und, vor allem, einer grossen Abhängigkeit vom Export. Diese können durch das Offenhalten von Gaststätten oder Skigebieten nicht beeinflusst werden.

Ein neuer schwedischer Sonderweg

Hingegen könnte die Belastung der Gesamtwirtschaft durch weniger exorbitante Kosten für Arbeitslose und Kredite an mittlere und kleinere Firmen insgesamt kleiner ausfallen. Übers Wochenende hat interessanterweise genau dieser Aspekt in der Schweiz zu ersten Diskussionen geführt.

Wirtschaftsnahe Kreise wünschen sich eine möglichst zeitnahe, schrittweise Lockerung des Regimes, um den Schaden für die Unternehmen so klein wie möglich zu halten. Ausgerechnet die eher zentristischen und linkeren Gruppen sprechen sich für ein langes Festhalten am strikten Kurs aus – ausgerechnet, weil in Schweden  die Sozialdemokraten so grundlegend anders entschieden haben.

So anders als China

Der schwedische Sonderweg fasziniert. Grundsätzlich unterscheidet sich die Philosophie hinter der Strategie nicht mal so sehr von der schweizerischen Politik. Hier wie dort werden die Bürger als mündige Wesen betrachtet und als solche fähig, sich selbst und ihre Mitmenschen durch ein adäquates Verhalten zu schützen. Der Bundesrat wird nicht müde zu betonen, dass nicht die Massnahmen, sondern unser Verhalten das Virus stoppen wird.

Schweden wendet aber dies Überzeugung viel konsequenter an und dadurch unterscheiden sich das nordische Land radikal von den mittlerweile von vielen als Vorbild herangezogene Regimes in Asien – sprich Singapur, aber natürlich vor allem China – welche mit Verboten und elektronischer Überwachung ihre Bürger zum Wohlverhalten zwingen.

Freiwilliger Aufschub der Dividendenzahlungen

Der schwedische Weg zeigt sich auch bei der Diskussion um die Auszahlung von Dividenden von einer guten Seite. Die Handelsbank, eine traditionsreiche Grossbank, hat ihre Dividendenzahlung aufgeschoben. Ihre Konkurrentinnen SEB und Swedbank ihrerseits haben die Generalversammlungen auf Ende Juni verschoben und damit auch die Auszahlung der Dividenden auf den Prüfstand gestellt.

Die Finanzindustrie hat damit auf den Druck von Politik und vom Regulator (der Finanzinspektion) reagiert. Sie hatten von den Banken eine Einschränkung der Dividendenpolitik verlangt, ganz ähnlich wie Marc Branson von der Finma letzte Woche.

Anders als ihre schwedischen Kollegen haben sich die Schweizer Bankiers nicht dazu durchringen können, die Dividenden im Interesse der langfristigen Stabilität zurechtzustutzen.

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