Die Schweizer Bevölkerung wird Ende November 2020 über die Konzernverantwortungsinitiative abstimmen. Bei einer Annahme würden Schweizer Firmen unter anderem auch für Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit ihrer Geschäftstätigkeit zur Rechenschaft gezogen werden. Das könnte in Hongkong der Fall sein. 

Die Schweizer Banken werden in der Öffentlichkeit regelmässig für ihren manchmal etwas laschen Umgang in der Kontrolle und Auswahl ihrer Geschäfte kritisiert. Die Konzernverantwortungsinitiative würde bei einer Annahme den Druck auf die einzelnen Finanzhäuser erheblich erhöhen. Nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Ländern wie China respektive auf dem Finanzplatz Hongkong. 

Denn was sich mittlerweile in der einstigen britischen Kronkolonie abspielt, widerspricht zunehmend dem Demokratieverständnis westlicher Prägung. Mit dem in diesem Jahr eingeführten nationalen Sicherheitsgesetz geraten die Menschen in Hongkong unter einen Kontrollmechanismus, dem sich auch die (ausländischen) Banken fügen müssen. Konkret sind sie gezwungen, ihre Geschäftsbeziehungen mit allen Kundinnen und Kunden zu überprüfen respektive zu beenden, die allenfalls in Konflikt mit den Auflagen der chinesisch kontrollierten Regierung geraten könnten, wie finews.ch schon verschiedentlich berichtet hat. 

Verschärfte Probleme

Diese Praxis könnte indessen dazu führen, dass man den (Schweizer) Banken – auf der Grundlage der Konzernverantwortungsinitiative – eine Missachtung der Menschenrechte unterstellen könnte. Was wiederum fatale Folgen hätte für ihre Strategie in einem der wichtigsten Wachstumsmärkte der Welt, und wo sie, insbesondere in China, bislang eine im Vergleich zu anderen internationalen Finanzhäusern geradezu privilegierte Position genossen. 

Wie problematisch die ganze Situation mittlerweile ist, illustrieren die Ereignisse rund um Aussagen von Bundesrat und Aussenminister Ignazio Cassis am Wochenende, der die Situation in Hongkong kritisch hinterfragte und von der Schweiz ein entschiedeneres Auftreten einfordert. Indem die offizielle Schweiz, wie andere westeuropäische Länder, eine rasche Durchführung der verschobenen Wahlen in den Legislativrat in Hongkong forderte, goss sie weiteres Öl ins Feuer.

Weitere Kritik heikel

Die Reaktion aus Peking liess nicht lange auf sich warten. Wang Wenbin, der wichtigste Sprecher des chinesischen Aussenministers, legte seinen Finger raffiniert auf einen wunden Punkt und gab in der Angelegenheit zu Protokoll, dass die Chinesen die wirtschaftlichen Trümpfe wenn nötig in die Waagschale werfen würden. Kritik aus dem Westen, so seine unmissverständliche Botschaft, müsse nicht zwangsläufig mit zornigen Worten quittiert werden, sondern man könne ihr durchaus auch handfester begegnen.

«China ist weiterhin der Öffnung verpflichtet», betonte Wang. «Und Banken wie die Credit Suisse gehörten zu den ersten, die von Chinas Liberalisierung der Finanzmärkte profitiert haben.» Mit dieser Aussage signalisieren die Chinesen klar, wieviel Einfluss die Grossfirmen in der Schweiz ausüben. Indem der Sprecher eine Firma der Grösse der Credit Suisse explizit erwähnte, lässt jede weitere Kritik aus Bern zu einem Politikum mutieren.

Schweizer Banken: No Comment

Die meisten, international tätigen Schweizer Banken sind mit einer mehr oder weniger grossen Einheit in Hongkong tätig, teilweise seit Jahrzehnten, wie die UBS. Andere wichtige Akteure sind – neben der Credit Suisse – auch Julius Baer, Pictet und Lombard Odier. Sie alle haben wenig Interesse daran, ihr Geschäft in Hongkong in Frage zu stellen, zumal nun andere wichtige Märkte wie die USA und Europa durch die drohende Rezession massiv beeinträchtigt sind.

Wenig überraschend zeigen sich von finews.ch angefragte Banken nicht gewillt, die Situation zu kommentieren. Es würde hingegen überraschen, wenn sie nicht bereits intensiv mit Bern am Verhandeln wären, wie die Politik auf Peking einwirken soll.

Überraschend gut auf Kurs

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass trotz der zugespitzten Lage in Hongkong die Geschäfte in einigen Banken offenbar immer noch gut laufen. Der Hauptgrund dafür dürfte darin liegen, dass die Schweizer Finanzhäuser vor allem im Wealth Management, also in der Vermögensverwaltung für reiche Unternehmer und ihre Familien tätig sind. Dabei handelt es sich um ein Geschäft, das relativ wenig eigenes Kapital benötigt und aufgrund der Verwerfungen an den Finanzmärkten im vergangenen März für einige Dynamik sorgte.

Gleichzeitig suchen viele wohlhabende Personen und Familien wegen der Situation in Hongkong noch vermehrt Schutz und Sicherheit für ihr Vermögen bei einer stabilen Schweizer Bank. Julius Bär beispielsweise berichtete noch im vergangenen Monat, dass Hongkong einen sehr gewichtigen positiven Beitrag zum Anstieg der verwalteten Vermögen im ersten Halbjahr geleistet hätte, und von der Genfer Privatbank Pictet ist bekannt, dass sie im ersten Semester 2020 bedeutende Neugeldzuflüsse registrieren konnte.

Kommt hinzu, dass die beiden Schweizer Grossbanken UBS und CS, zu den ersten internationalen Finanzkonzernen gehörten, die von der Liberalisierung der chinesischen Finanzmarktgesetze profitierten und ihre Anteile an lokalen Gemeinschaftsunternehmen (Joint-Ventures) auf mehr als die Hälfte der Aktien erhöhen durften. Vor diesem Hintergrund verspüren sie verständlicherweise keine Lust, diese Vorteile gegenüber der Konkurrenz leichtfertig preiszugeben.

Hongkong überdenken

Unter diesen Prämissen dürften sich die Schweizer Banken hüten, irgendeine Kritik an der (politischen) Situation in Hongkong zu äussern. Lieber verweisen sie auf ihre Unabhängigkeit in Bezug auf ihre Geschäfte sowie auf die schweizerische Neutralität.

Mit einer Annahme der Konzernverantwortungsinitiative kämen die Schweizer Banken vermutlich nicht umhin, ihre Haltung in Hongkong zu überdenken. Insofern haben sie sich auf einen Balanceakt begeben, der noch eine Weile weitergehen dürfte. Er wird ihnen genau jene politische Raffinesse abverlangen, welche die Chinesen soeben unter Beweis gestellt haben.

 

 

 

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