Die EZB hat unter Präsidentin Christine Lagarde einen geldpolitischen Schwenk vollzogen und das Stabilitätsziel weiter aufgeweicht. Das dürfte für die SNB spätestens dann ein Problem werden, wenn die Euro-Zinsen länger als nötig tief bleiben.

Vor zwei Wochen hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihre neue geldpolitische Strategie vorgestellt. Auch wenn die Änderungen auf den ersten Blick nur nach minimen Anpassungen aussehen, in ihrer Konsequenz könnten sie weitreichende Folgen für die Zinspolitik der Schweizerischen Nationalbank (SNB) haben.

«Irgendwann wird sich die SNB aus der Abhängigkeit von der Geldpolitik der EZB befreien müssen», schreibt Thomas Stucki (Bild unten), der Investmentchef der St. Galler Kantonalbank, in einem Kommentar.

Vor einer Richtungsentscheidung

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Thomas Stucki (Foto: Martina Basista, zvg von SGKB)

Die Notenbanker hierzulande würden über kurz oder lang vor einer Richtungsentscheidung stehen. Entweder man folge weiter der EZB und nehme die Auswirkungen und Verzerrungen der zu tiefen Zinsen auf den Immobilienmarkt, auf das Vorsorgesystem und auf die Struktur der Wirtschaft in Kauf. Oder aber man beginne, den Leitzins in der Schweiz eigenständig zu erhöhen und nehme damit eine weitere Aufwertung des Franken hin.

Stucki tendiert zu Letzterem. «Die Erfahrungen zeigen, dass am Devisenmarkt die Reaktion auf Entscheide der Zentralbanken rasch verpufft und die Aufwertung des Franken von kurzfristiger Natur sein wird.» So sei etwa die negative Zinsdifferenz zwischen der Schweiz und Deutschland schon seit mehr als einem Jahr verschwunden, ohne dass der Franken zum Euro teurer wurde.

Zinserhöhung ab 2023

Doch bis dahin ist laut Stucki noch etwas Zeit. Mit dem Beginn einer sukzessiven Zinsanhebung in den USA durch die Federal Reserve (Fed) rechnet er ab 2023. Aber auch nur dann, wenn es das wirtschaftliche Umfeld erfordert.

Dann müsse auch die EZB über höhere Zinsen nachdenken. Falls die EZB lange zuwarte, werde sich die SNB entscheiden müssen. «Will sie (die SNB) die Gelegenheit nutzen und das Zinsniveau in der Schweiz normalisieren, oder stellt sie den Franken weiterhin ins Zentrum ihrer Geldpolitik?».

Von Stabilitätspolitik nichts mehr zu finden

Den Schwenk der EZB-Politik hält Stucki für grundlegender als es auf den ersten Blick scheint. Von der früheren Stabilitätspolitik der Deutschen Bundesbank sei in der neuen Strategie nichts mehr zu finden.

«Vielmehr widerspiegelt sie das französische Verständnis, dass der Staat, oder hier die Zentralbank, alles steuern kann und soll.» Das habe sich bereits mit der geänderten Verteilung der Anleihenkäufe der EZB mit einem Schwergewicht auf die schwächeren Südländer angekündigt.

Jetzt auch Klimapolitik

Die EZB strebt neu eine mittelfristige Inflationsrate von zwei Prozent an. Dabei werden vorübergehende Unter- und Überschreitungen möglich. Bisher galt als Ziel eine Inflationsrate von nahe aber unter zwei Prozent. In den Erläuterungen zur Umsetzung fänden sich aber noch andere Faktoren die zu einer Aufweichung führen könnten, schreibt Stucki.

So werde etwa umfangreich erläutert, dass sich die EZB bei ihren Entscheiden mehr auf die eigenen Prognosen und auf sonstige Einflüsse abstützen wolle als auf die Inflationsentwicklung. Zudem solle mit der Geldpolitik auch Klimapolitik betrieben werden.

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