Der Chef von Avaloq Schweiz und Liechtenstein sieht Innovation und Evolution weiter als die Haupttreiber im Geschäft mit Bankensoftware. Gefragt seien massgeschneiderte Lösungen, je nach Institut und Kundengruppe.

Die Schweizer Avaloq, die 2020 vom japanischen NEC-Konzern übernommen wurde, gehört zu den Marktführern im Bereich Software für Banken und Vermögensverwalter. In 35 Ländern zählt das Unternehmen mit Sitz in Zürich aktuell mehr als 150 Kunden.

«Software as a Service (SaaS), Business Process as a Service (BPaaS) und die Verlagerung von «on premises», also bankeigenen Rechenzentren, zu externen Cloud-Diensten wird das Banking in den kommenden Jahren verändern», sagt Georges Roten, bei Avaloq Regionalchef für die Schweiz und Liechtenstein und CEO Avaloq Sourcing Switzerland & Liechtenstein im Gespräch mit finews.ch.

«Die Innovationen und Entwicklungen der vergangenen Jahre werden weitergehen. Im Wettbewerb müssen die Banken digitale Dienste und eine sichere Kommunikation mit den Kunden anbieten können und dabei die Kosten nie aus den Augen verlieren.»

Banken brauchen Digitalisierungsschub

«Die Coronapandemie hat bei den Banken den Druck zu einem höheren Digitalisierungsgrad verstärkt und die Entwicklung stark beschleunigt», sagt Roten. «Das lässt sich etwa an der Anzahl der Zahlungstransaktionen ablesen. Die sind durch Onlinehandel, kontaktloses Zahlen mit der Karte oder Apps wie Twint förmlich explodiert.»

Avaloq sei im Markt mit seinen aktuellen Kunden, seiner Avaloq Core Platform und den beiden Rechenzentren in der Schweiz stark verankert. «Von unseren 52 Kunden in der Schweiz nutzen rund die Hälfte inzwischen SaaS- und BPaaS-Cloud-Dienste über unsere Rechenzentren von Avaloq in Pregassona und Glattbrugg.»

Das lohne sich für kleine bis zu grossen Banken. «Die kleinste Bank, die diesen Service von uns nutzt, hat etwa 60 Avaloq-User. Die grössten sind mittelgrosse Institute, die für ihre Schweizer und teilweise auch ausländischen Entitäten dieses Modell bei uns beziehen.»

Der grosse Vorteil beim Service-Modell sei der geringere Investitionsbedarf für die Institute und weniger gebundenes Kapital. Aktualisierungen, Änderungen in der Regulation oder der Ersatz von Systemen würden bei eigenen Zentren Aufwand und Kosten bedeuten. Ein Nachteil sei eine geringere Individualität.

Single source of truth

Der Schweizer und Liechtensteiner Markt der Kernbankensoftware sei unter den drei oder vier grössten Anbietern aufgeteilt und einen Wettbewerb gebe es eigentlich nur noch bei Neugründungen. Im Neugeschäft würden dabei kaum noch Lizenzen für den «on premises-Betrieb» verkauft.

Diese Systeme seien das Herz der Prozesse. Neue Funktionen und Dienste im Banking würden über Schnittstellen, sogenannte API (Application Programming Interface), an diese Systeme angedockt.

«Das Kernbankensystem ist die «single source of truth». Dort befinden sich die Stamm- und Bewegungsdaten der Kunden und dort befinden sich die Marktdaten», so der Regionalchef weiter.

avaloq logo

(Bild: finews.ch/yr)

Die Schweizer Banken sieht Roten dabei technologisch auf einem sehr guten Stand. «In anderen Ländern ist das anders. Dort sind noch viele Institute mit selbst entwickelten Systemen unterwegs.»

Werkzeugkasten ermöglicht individuelle Lösung

Das Avaloq-Angebot für die Kunden ähnele eher einem Werkzeugkasten, der dazu dient, dass für jede Anforderung eine massgeschneiderte Lösung erarbeitet werden kann. So wurde Avaloq – zumindest in der Vergangenheit – propagiert.

«Wir empfehlen den Banken so nahe wie möglich beim Standard zu bleiben. Im Laufe der Projekte kommen dann aber oft Wünsche und Begehrlichkeiten hinzu. Das macht die Systeme komplexer, teurer im Unterhalt und sorgt bei Aktualisierungen für mehr Probleme.»

Wenn es darum gehe zu entscheiden, was die Kunden brauchen, dürfe man sich nie einbilden, es besser zu wissen als die Kunden selbst. «Die Banken sagen uns, was sie wollen, und wir setzen das in enger Zusammenarbeit um. Das hält uns aber nicht davon ab, Angebote und neue Lösungen zu entwickeln.»

So habe Avaloq etwa eine neue App entwickelt, mit der eine gesicherte und regelkonforme Kommunikation zwischen Kunden und Bankberater über WhatsApp möglich ist. «Das sind Angebote an unsere Kunden, aber sie entscheiden, wohin die Reise geht.»

Stand-Alone-Angebote

Bei den Applikationen habe Avaloq ein breites Angebot. «Wir bieten eine Reihe von Stand-alone-Lösungen an und sind in dieser Beziehung auch selbst ein Fintech», betont er. Dass sich Banken bei bestimmten Diensten für Zweitanbieter entscheiden, habe oft auch mit Risikominimierung zu tun. «Man will nicht alles aus einer Hand haben und so das Klumpenrisiko minimieren.»

Diese «risk-mitigation» könne unter dem Strich aber auch zu höheren Kosten führen. «Wenn man zwei Lieferanten hat, bedeutet das auch immer Mehraufwand und Doppelspurigkeit. Wenn es läuft, dann läufts. Wenn nicht, gibt ein Lieferant dem anderen die Schuld.»

«Wenn man eine Analogie etwa zur Audiotechnik ziehen will, würden wir uns heute im Banking etwa an dem Punkt befinden, an dem Apple mit seinem iPod herauskam.» Früher habe man Plattenspieler gehabt, dann eine Stereoanlage bestehend aus Einzelkomponenten, die mit vielen Kabeln verbunden waren. Anschliessend folgten in den Achtziger-Jahren des letzten Jahrhunderts die Kompaktanlagen und dann kam Apple mit dem iPod und die MP3-Player Anfang des neuen Jahrtausends. «Heute haben wir mit dem Smartphone über Streamingdienste von überall Zugriff auf alles. Ähnlich wird sich das Banking zunehmend in die Cloud verlagern.»

Persönlichen Kontakt nicht aufgeben

Roten sieht aber auch Grenzen der Digitalisierung im Banking. «Für normale Transaktionen brauchen die Kundinnen und Kunden heute keine Filiale mehr. Aber bei bestimmten Ereignissen, etwa wenn man das erste Mal in seinem Leben Wohneigentum kauft und eine Hypothek aufnimmt, dann gibt es das Bedürfnis, dies über eine persönliche Beratung zu tun.»

Auch die Werbe-Bilder vieler Banken gehen an der Lebensrealität der Kunden vorbei. «Banking als Spass-Erlebnis zu positionieren, halte ich für übertrieben. Die meisten Menschen mit geringen und mittleren Einkommen wollen ihre Eingänge und Zahlungen verwalten, vielleicht noch Sparguthaben oder ein paar Wertschriften. Wirklich vermögenden Menschen geniessen das auch nicht. Die delegieren die Verwaltung dann ganz gerne an Experten, z.B. im Rahmen eines Discretionary Portfolio Management-Mandates.»


Avaloq beschäftigt aktuell rund 2'700 Mitarbeitende und ist in zehn Ländern vertreten. Rund 4 Billionen Franken an Kundenvermögen werden mit der Software des Unternehmens verwaltet. Durch die Übernahme durch NEC kann Avaloq die F&E-Ressourcen des japanischen Konzerns nutzen. Damit will das Unternehmen Innovationen in den Bereichen künstliche Intelligenz, Blockchain-Technologie, Cybersicherheit und Biometrie vorantreiben.

In der Schweiz zählen zu den Avaloq-Kunden etwa eine Reihe von Kantonalbanken wie beispielsweise die ZKB, BLKB, LUKB oder die Banca Stato, die Liechtensteinische Landesbank, LGT, Raiffeisen, Vontobel oder Bank Cler. Bei den Privatbanken gehören Edmond de Rothschild, Banque Cramer, J. Safra Sarasin oder Pictet dazu. Unter den internationalen Kunden finden sich mit Deutsche Bank, HSBC, DBS und Nomura ebenfalls einige Schwergewichte.

 

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