Entlastung für die Wirtschaft: Die Finanzbranche muss warten

Das war ein Bundesratssitzungsmittwoch, der es staats-, aussen- und wirtschaftspolitisch in sich hatte.

Hier nur eine kleine Auswahl aus dem Potpourri der Beschlüsse und Mitteilungen der Landesregierung (die vollständige Liste findet sich hier).

Der Bundesrat

  • verabschiedete einen Bericht «Demografische Entwicklung der Schweiz»;
  • übernahm neue EU-Bestimmungen in der Luftfahrt;
  • änderte zur Verhinderung von unberechtigten Sozialleistungsbezügen die Verordnung über den freien Personenverkehr;
  • stockte die Mittel zum Schutz der Schengen-Aussengrenzen auf;
  • nahm ablehnend zur auch von namhaften Exponenten der Finanzindustrie getragenen Kompass-Initiative Stellung; 
  • verabschiedete einen Bericht zur Personenfreizügigkeit und Zuwanderung bzw. zu den damit verbundenen Herausforderungen;
  • schnürte ein Paket für die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft;
  • fällte einen Grundsatzentscheid zur Anwendung der Ventilklausel gegenüber Kroatien;
  • publizierte die Rede «Die Schweiz, Europa und die Welt», die Bundesrat Ignazio Cassis, der Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten, am European Economic Forum in Luzern gehalten hatte.

Ein ausgesprochen opulentes Menü, das der Bundesrat auftischte – und eine Fundgrube für künftige tiefschürfende politikwissenschaftliche Analysen über die Dynamik der Entscheidungsfindung, die Neigung des Kollegiums zum Ausgleich zwischen aussenpolitischen Imperativen und innenpolitischen Rücksichtnahmen sowie über die reale Bedeutung respektive den taktischen Wert von Symbolpolitik.

Bringschuld des Bundesrates

Für solche Studien ist finews.ch definitiv nicht das richtige Medium. Das sieht allerdings beim Thema der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Schweiz und damit auch des Finanzplatzes ganz anders aus, zumal der Bundesrat hier angesichts der Spannungen in der Handelspolitik grosse Versprechungen gemacht hat und damit in der Bringschuld steht. Deshalb hat finews.ch das vom Bundesrat geschnürte Paket (das Verb «schnüren» findet sich auch im Titel der entsprechenden Medienmitteilung) ausgepackt, um zu sichten, welche «Geschenke» darin enthalten sind.

Die Landesregierung hat 28 Massnahmen verabschiedet, welche die Rahmenbedingungen für alle Unternehmen insbesondere durch regulatorische Entlastungen verbessern sollen. Dazu kommen 32 weitere Massnahmen, die von den Departementen ohne Beschluss des Bundesrats selbständig umgesetzt werden.

Der Pferdefuss der vielversprechenden Digitalisierung

In der Liste der 28 bundesrätlichen Massnahmen (die teilweise bereits umgesetzt worden sind oder in der Umsetzung sind) findet sich viel Klein-Klein im Anhang 1 zur Medienmitteilung (was nicht abwertend gemeint ist). Für den Finanzsektor relevant ist die Reduktion der Anforderungen bei der Analyse naturbezogener Finanzrisiken durch die Finma (das Rundschreiben 2026/1 wurde im Dezember 2024 erlassen und tritt Anfang kommenden Jahres in Kraft). Und auch die temporäre Aussetzung der von finews.ch behandelten «maschinenlesbaren Berichtspflicht» über Klimabelange figuriert auf der Liste.

Ein erhebliches Potenzial bieten gemäss der Landesregierung Massnahmen im Bereich Digitalisierung, doch der Pferdefuss folgt auf der Stelle. Sie sind nämlich «mit entsprechenden Investitionen der öffentlichen Hand verbunden», die letztlich über Steuern finanziert werden müssen (was wiederum der Wettbewerbsfähigkeit abträglich ist).

Verschobene und vereinfachte Vorhaben

Der Bundesrat will im Herbst 2026 über die Fortschritte bei der Umsetzung der einzelnen Massnahmen berichten.

In der Medienmitteilung ist auch ein weiterer Anhang mit «verschobenen oder vereinfachten Vorhaben mit Mehrbelastungen für die Wirtschaft» zu finden. Hier tauchen ebenfalls Projekte im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung (Übernahme von EU-Recht, Klimabelange) auf, und auch das Ärgernis OECD-Mindestbesteuerung (Bundesrat: «flexible nationale Umsetzung nur soweit nötig») poppt auf.

Kurzfristige Entlastungen und langfristige Gesamtschau

Die Landesregierung gelobt, für sie blieben effiziente und attraktive regulatorische Rahmenbedingungen eine Daueraufgabe. Neben kurzfristig umsetzbaren Entlastungsmassnahmen sollen mit Bereichsstudien jährlich ausgewählte ganze Regulierungsbereiche gezielt auf Entlastungspotenzial untersucht werden. Zurzeit betrifft dies das öffentliche Beschaffungswesen, die Pharmaregulierung, Einsprachemöglichkeiten bei Bauprojekten und die Regulierung industrieller Betriebe.

Erwähnt wird auch das Unternehmensentlastungsgesetz, das vorsieht, bei neuen Vorhaben die Regulierungskosten für Unternehmen abzuschätzen und Vereinfachungen zu prüfen.

OECD-Mindestbesteuerung schadet dem Standort Schweiz

Im ersten Halbjahr 2026 will der Bundesrat ausserdem eine Auslegeordnung zu mittel- und längerfristigen steuerpolitischen Herausforderungen vorlegen, «insbesondere auch vor dem Hintergrund der internationalen Entwicklungen bei der OECD-Mindeststeuer». Offensichtlich hat auch die Landesregierung gemerkt, dass man sich auf diesem Feld mit dem bisherigen Ansatz einer möglichst mustergültigen Umsetzung internationaler Vereinbarungen ins eigene Fleisch geschnitten und damit der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Schweiz geschadet hat.

Immerhin, der Bundesrat hat mit seiner Auswahlsendung oder vielleicht besser Kunterbuntsammlung von Massnahmen einen Anfang gemacht. Und wer weiss, vielleicht hat er in seinem nächsten Gabensack auch etwas Substanzielles für den Finanzsektor dabei.