Manuel Ebner: «KI beseitigt menschliche Verzerrungen»
Herr Ebner, Sie haben sich bereits vor über 25 Jahren mit Künstlicher Intelligenz (KI) beschäftigt. Woran haben Sie damals gearbeitet?
Ich war damals CEO der Firma Artificial Life Schweiz. Wir stellten KI-gestützte Online-Beratungsinstrumente für europäische Vermögensverwalter bereit.
Dabei entwickelten wir Tools, die den gesamten Investmentprozess unterstützten – beginnend mit KYC/AML-Prüfungen und der Erstellung von Risikoprofilen, über die strategische und taktische Asset Allocation, die Instrumentenauswahl, Portfolio-Optimierung und -ausführung.
Unlängst haben Sie das Präsidium des Schweizer Vermögensverwalters Smart Wealth Asset Management übernommen. Wie stark sind Sie in dieses Unternehmen involviert?
Meine Funktion ist die eines Non-Executive Chairman. Aber ich habe die klare Absicht, Smart Wealth auch aktiv in den Bereichen Strategie und Wachstum zu unterstützen.
Welche weiteren Funktionen haben Sie seit Ihrem Austritt bei der Bank of America (Schweiz) im Juni 2023 übernommen?
Ich bin Senior Advisor bei ClearSky, einem amerikanischen Venture-Capital-Fonds mit Fokus auf Energiewende, Dekarbonisierung und Cybersicherheit.
«Generative KI hat sich zu einem eigenständigen Innovationssektor entwickelt.»
Zudem bin ich Verwaltungsratsmitglied bei der Arival Bank, einer in Puerto Rico ansässigen Bank (Fintech), die sich auf globale KMU ohne US-Domizil spezialisiert hat, die aber ein US-Bankkonto und den Zugang zum US-Zahlungssystem suchen.
Was waren die KI-Meilensteine in den vergangenen 25 Jahren?
Die meines Erachtens wichtigsten drei Entwicklungen haben vielleicht keinen direkten Bezug zur KI selbst. Doch sie scheinen mir umso wichtiger: Erstens sind die Kosten für KI-Berechnungen drastisch gesunken, während die Rechenleistung exponenziell zugenommen hat.
Zweitens hat sich KI und insbesondere generative KI (GenAI) zu einem eigenständigen Innovationssektor entwickelt, wodurch immer mehr Entwickler auf dieser Basis neue Lösungen schaffen.
Und schliesslich ist ein kultureller Wandel zu beobachten: Die breite Öffentlichkeit hat nicht nur den Wert von KI erkannt, sondern begonnen, sie aktiv zu nutzen.
Wie weit verbreitet ist heute der Einsatz von KI in der Finanzbranche?
KI wird bereits in vielen Bereichen des Bank- und Finanzwesens genutzt – insbesondere im Kundenservice, bei der automatischen Berichtserstellung, zur intelligenten Unterstützung von Kundenberatern sowie bei Compliance-Prüfungen.
«Lange scheint sich wenig zu bewegen, und dann geht alles plötzlich sehr schnell.»
Während sich die ersten Anwendungsfälle vor allem auf Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen konzentrierten, nutzen viele Banken KI inzwischen verstärkt auch zur Wertschöpfung – etwa zur Verbesserung der Research-Abteilungen oder zur Erstellung personalisierter Anlagevorschläge.
Was sind die Hauptvorteile des Einsatzes von KI?
Der KI-gestützte Investmentansatz beispielsweise von Smart Wealth bietet mehrere zentrale Vorteile: Er beseitigt menschliche Verzerrungen, erzielt konsistent überdurchschnittliche Renditen und das zu Kosten, die mit denen passiver Anbieter vergleichbar sind.
Zudem überwindet er den klassischen Zielkonflikt zwischen Liquidität und Rendite.
Können Sie das noch etwas genauer erklären?
Bei korrekter Implementierung kann KI zum langfristigen Anlageerfolg führen. Wir setzen KI selektiv in vielen Bereichen des Investmentprozesses ein, etwa bei der Analyse und der Erstellung von Prognosen.
Wir nutzen KI bei der strategischen Asset-Allokation, um Portfolios entlang der Effizienzkurve zu optimieren. Die Portfoliooptimierungsfunktion maximiert die Portfolioerträge für ein bestimmtes Risiko.
Warum ist KI erst jetzt im allgemeinen Bewusstsein angekommen?
Das ist typisch für technologische Durchbrüche: Lange scheint sich wenig zu bewegen, und dann geht alles plötzlich sehr schnell. Unser Team setzt seit mehr als 20 Jahren KI im Asset Management ein, um bessere KI-basierte Anlagelösungen zu entwickeln und dabei jedes Jahr die besten menschlichen Asset Manager zu übertreffen.
«Um es klarzustellen, wir setzen kein Hochfrequenz-Handelsmodell ein.»
Im Laufe der Zeit gab es zahlreiche spezialisierte Anwendungsfälle von KI, aber der eigentliche Wendepunkt, der die öffentliche Wahrnehmung geprägt hat, war die Einführung leistungsfähiger Sprachmodelle (LLMs) – insbesondere der öffentliche Start von ChatGPT im November 2022.
Smart Wealth lanciert nun zwei Fonds auf der Basis von KI-Technologie. Worauf beruht die Anlagestrategie?
Unser Ziel ist es, für jedes gegebene Volatilitätsniveau eine bessere Rendite zu erzielen. Dabei konzentrieren wir uns auf globale Blue-Chip-Aktien und liquide ETFs und nehmen ausschliesslich Long-Positionen ein – basierend auf der Auswahl und Allokation der Vermögenswerte durch unsere KI, die jene mit dem höchsten erwarteten risikoadjustierten Ertrag identifiziert.
Um es klarzustellen, wir setzen kein Hochfrequenz-Handelsmodell ein. Vielmehr ist es Teil unserer Philosophie, unnötige Transaktionen zu vermeiden und wo immer möglich Transaktionskosten zu sparen.
Welche Zielkundschaft wollen Sie damit ansprechen?
Unsere LLP-Investoren umfassen eine Vielzahl renommierter Family Offices weltweit. Nun öffnen wir die Fonds für institutionelle und qualifizierte private Anleger.
Vielleicht lässt sich Ihre Frage auch so beantworten: Unser KI-Modell erzielt renditestarke Ergebnisse im Stil alternativer Investments – jedoch auf Basis liquider Kernanlagen und mit täglicher Liquidität.
Wie häufig passt Ihr KI-Modell die Portfolio-Zusammensetzung an?
Das Portfolio wird vierteljährlich neu adjustiert, um sicherzustellen, dass die erwartete Rendite und Volatilität im Zielbereich bleiben. Darüber hinaus nimmt unsere KI prognosebasierte Anpassungen vor – sie handelt also nur dann, wenn sich die Prognosen für die künftigen Entwicklungen ändern.
«In seltenen Fällen – etwa an einem ‹Liberation Day› – kann die KI auch sofort entscheiden.»
Es handelt sich nicht um einen Fonds mit allzu vielen täglichen Transaktionen; in der Regel werden Positionen über Wochen oder sogar Monate gehalten. In seltenen Fällen – etwa an einem «Liberation Day» – kann die KI auch sofort entscheiden, die Cash-Quote deutlich zu erhöhen.
Welche Märkte berücksichtigt Ihr Modell?
Der Fokus liegt auf den wichtigsten globalen Märkten, wobei in der praktischen Umsetzung tendenziell eine Übergewichtung der US-Märkte besteht.
Wie reagiert das Modell in negativen Marktphasen oder gar bei Crashs?
Das Modell trifft Handelsentscheidungen ausschliesslich datenbasiert. Wenn die Prognose für ein Wertpapier auf eine künftige rückläufige Entwicklung hindeuten oder die KI eine Phase identifiziert, in der sich das Wertpapier ausserhalb seines normalen Verhaltens bewegt, erhöht das Modell die Cash-Quote. Dadurch werden Verluste in der Regel begrenzt und das Kapital bis zur Beruhigung der Marktlage geschützt.
Sie bieten Ihren Aktienfonds auch in einer UCITS- und Scharia-konformen Version an. Warum?
Im Austausch mit Family Offices und Vertriebspartnern weltweit wurden wir teils nach einem UCITS- und teils nach einem Scharia-konformen Fonds gefragt. Die dafür erforderlichen Anpassungen waren für unsere KI unkompliziert umzusetzen.
In welchen Märkten erwarten Sie zusätzliches Wachstum durch die Scharia-Konformität?
Die Nachfrage ist global. Doch Scharia-konforme Fonds sind insbesondere für Investoren im Nahen Osten sowie in Südostasien von grossem Interesse.
«In der Compliance hat KI einen sehr positiven Einfluss.»
Gleichzeitig ist der Global Equity Fund auch für europäische und asiatische institutionelle Investoren attraktiv, die gezielt nach einem UCITS-konformen Produkt suchen.
Welche Entwicklungen im Bereich KI werden das Investieren in den nächsten zwei Jahren am meisten prägen und letztlich verändern?
Wir beobachten, dass generative KI (GenAI) zunehmend in der Research-Arbeit sowie zur Unterstützung von Relationship Managern im Wealth Management eingesetzt wird. Darüber hinaus wird GenAI genutzt, um Vertrieb und Marketing stärker zu personalisieren. Auch im Risikomanagement und in der Compliance hat KI einen sehr positiven Einfluss, da sie hilft, Anomalien und Abweichungen automatisiert zu erkennen.
Ich bin überzeugt, dass der Ansatz von Smart Wealth nach wie vor einzigartig ist. Denn unser KI-Modell übernimmt zentrale Analysen und Anlageentscheidungen, die in den meisten Unternehmen noch von Menschen getroffen werden.
Manuel Ebner blickt auf eine lange Karriere im Banking zurück. Seine berufliche Karriere startete er allerdings in der Unternehmensberatung, namentlich bei Booz Allen Hamilton sowie bei der Boston Consulting Group (BCG) und später auch bei McKinsey. Ende der 1990er-Jahre war er CEO der Firma Artificial Life Schweiz, die AI-basierte Chatbots entwickelte. Ins Bankwesen wechselte er 2006 – als CEO der BZ Bank seines Onkels Martin Ebner. Im Jahr 2010 stiess er zur Bank of America (BofA), für die er insgesamt 13 Jahre tätig war, zuletzt als CEO Switzerland. Seit zwei Jahren nimmt er diverse Verwaltungsratsmandate wahr und amtet neuerdings auch als Verwaltungsratspräsident von Smart Wealth Asset Management.