Economiesuisse bricht Lanze für die Finanzbranche
Die Schweiz muss aus ihrem Trott erwachen und handeln. Sonst sieht der Wirtschaftsdachverband schwarz für den Standort und die Wettbewerbsfähigkeit. Auf weitere Regulierungen und Abgaben soll generell verzichtet werden. Zudem soll eine Expertengruppe für die Prüfung weiterer Massnahmen eingesetzt werden. Drei Punkte sind auch für die Banken und Versicherungen relevant.
Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse will, dass unser Land aufwacht und seine Standortattraktivität verbessert. Dies gab er am Montag an einer Medienkonferenz bekannt, die wohl mit Absicht in Bundesbern und nicht in der Wirtschaftsmetropole Zürich durchgeführt wurde.
Die beiden Erfolgsfaktoren der Schweiz, ihre Stabilität und eine leistungsstarke Wirtschaft, stünden unter erheblichem Druck. «Die Schweiz muss dringend aus ihrem gemütlichen Trott herauskommen und handeln. Denn ohne Massnahmen verliert unser Standort Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit», wird im entsprechenden Communiqué festgehalten.
Schuldenbremse über Ausgabenseite einhalten
Economiesuisse bekennt sich zur Einhaltung der Schuldenbremse und fordert daher, dass das «Entlastungspaket 27» des Bundesrats «ausgabenseitig umfassend umgesetzt» wird. Damit werde auch Spielraum für Investitionen in die Verteidigungsfähigkeit geschaffen (dass sich die Wirtschaft wieder um die Wehrhaftigkeit des Landes kümmert, weckt schon fast nostalgische Gefühle).
Weil viele Länder daran sind, ihre Standortattraktivität zu steigern, ruft Christoph Mäder, Präsident von Economiesuisse, zum einen zu einem Regulierungs- und Abgabemoratorium auf. «Zum anderen muss ein Massnahmenpaket zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Schweiz ausgearbeitet werden.» Economiesuisse plädiert deshalb für die Einsetzung einer Expertengruppe mit Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Bund – unter der Federführung des Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung.
Keine Besteuerung der Vorsorgegelder, keine zusätzlichen Eigenmittel, weniger Soft Law bei der Finma
Altvertraut klingt die Forderung, die Finanzierung der Sozialwerke langfristig zu sichern, ohne die Arbeit weiter zu verteuern. Der Wunschkatalog von Economiesuisse umfasst aber auch drei Punkte, die für die Finanzbranche unmittelbar relevant sind:
- Entlastungspaket 27: Weil der Bund gemäss Stefan Mäder, Präsident des Schweizerischen Versicherungsverbands, ein Ausgaben- und kein Einnahmenproblem hat, ist von der geplanten Erhöhung der Besteuerung von Kapitalbezügen aus der beruflichen und der privaten Vorsorge abzusehen. Diese treffe breite Bevölkerungsschichten, nicht nur Vermögende. Mäder führt dafür den Kapitalbezug für den Erwerb von Wohneigentum, den Start in die Selbständigkeit, aber auch Leistungen für Invalidität und im Todesfall an. Die geplante Besteuerung sei «unsozial, politisch kaum vertretbar und nicht volkswirtschaftlich zielführend».
- Regulierungsmoratorium: Das Projekt zusätzliche Eigenkapitalanforderungen an Banken soll überprüft und zurückgestellt werden, im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Schweiz.
- Internationale Entwicklungen: Mit Blick auf die Finanzmarktaufsicht (Finma) stellt Economiesuisse «in jüngster Zeit» fest, «dass sich diese in ihrer Regulierungstätigkeit von bürokratietreibendem, internationalem Soft Law leiten lässt». Die Folge: «Zielkonflikte mit den weiteren Schweizer Regulierungsgrundsätzen, u.a. Prinzipienbasiertheit, Kostenfolge für beaufsichtigte Institute und Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Schweiz.» Economiesuisse will, dass die Schweiz auch hier gegenüber Konkurrenzstandorten Regulierungsvorteile anstrebt und bestehende Regulierungsvorteile wahrt.
Die beiden letzten Forderungen dürften durchaus auch im Sinne der Schweizerischen Bankiervereinigung sein, die (anders als die Versicherungsbranche) in Bern nicht selber in Erscheinung trat.
Mitreiten auf der internationalen Deregulierungswelle
Die Wirtschaftsvertreter haben offensichtlich realisiert, dass im Ausland eine Deregulierungswelle anrollt (in den USA z.B. vor allem im Krypto- und Bankenbereich, in der EU bei der Nachhaltigkeitsregulierung für Unternehmen), und versuchen, entsprechend auch in der Schweiz Druck auf die Politik aufzubauen. Während die Moratorien unmittelbar Wirkung entfalten würden, hätte eine Expertengruppe bestenfalls einen mittelfristig bis langfristigen Effekt.
Mit Blick auf die insbesondere für die UBS zentrale Eigenmitteldebatte und die baldige parlamentarische Beratung der entsprechenden Vorlagen kommt der Effort aber reichlich spät.