Strukturierte Produkte: Welche Wege führen aus der Stagnation?

Vergangene Woche feierte sich die Branche für strukturierte Produkte. Zum 15. Mal wurde das International Structured Products Forum (ISPF) durchgeführt – im schönen Luzern mit Ausflug auf den Bürgenstock inklusive.

Dieser Ort hat für die Derivatindustrie, wenn auch etwas mehr für die internationalen Termin- und Optionsbörsen und etwas weniger für das heutige Schweizer «Struki-Ökosystem», eine ikonische Bedeutung, fanden doch dort früher deren jährlichen Stelldicheins statt. Auch die in vielerlei Hinsicht wegweisende Fusion der Swiss Options and Financial Futures Exchange (Soffex) mit der Deutschen Terminbörse (DTB) wurde 1997 im Rahmen einer solchen Konferenz verkündet.

Ein Spross der legendären Bürgenstock-Konferenz

Immerhin ist das ISPF ein legitimer Spross der damals für die Bürgenstock-Treffen verantwortlichen Swiss Futures & Options Association (SFOA), führte sie doch 2009 ihr allererstes Treffen im Rahmen der SFOA-Konferenz durch (die damals allerdings schon in Interlaken über die Bühne ging). Zudem wird bis heute – der Name verpflichtet – auf das «internationale Element» Wert gelegt.

Auch am diesjährigen ISPF gab es wichtige Neuigkeiten – wenn auch nicht ganz vom Kaliber einer grenzüberschreitenden Börsenfusion. Die Swiss Structured Products Association (SSPA), die zusammen mit der Finanzmarktinfrastruktur- und Börsenbetreiberin SIX Group den Anlass organisierte, hat einen Referenzindex für strukturierte Produkte der beliebten Kategorie der Barriere Reverse Convertibles lanciert (finews.ch berichtete).

Eine eigene Anlageklasse?

Ein deklariertes Ziel, das der Branchenverband mit der neuen Benchmark verfolgt, lautet: die Bekanntheit und die Wahrnehmung von strukturierten Produkten als Anlageklasse zu erhöhen und ihren Anteil in den Portfolios der Bankkunden zu steigern, sowohl bei institutionellen Anlegern (Asset Management) als auch Privatinvestoren.

Seit Jahren bewegt sich der Anteil der strukturierten Produkte am gesamten Wertschriftenbestand in- und ausländischer Depotinhaber (gemäss Nationalbankstatistik) um die 3 Prozent. Mitte 2025 entfielen von einem Total von rund 8'000 Milliarden 250 Milliarden auf strukturierte Produkte. Man kann das durchaus positiv interpretieren: Die Instrumente haben sich im Anlagekosmos Schweiz fest etabliert und ihren Markt gefunden.

Hartnäckige Stagnation in den Portfolios

Dass die Quote nicht wächst, ist für die Branche jedoch auch etwas frustrierend, zumal die Akteure davon überzeugt sind, dass ihre Produkte für den Investor einen beträchtlichen Mehrwert schaffen, der mit anderen Anlagen nicht ausgeschöpft werden kann. Eine gewisse Ungeduld war denn auch am Forum in den entsprechenden Debatten spürbar.

Die Thematik beschäftigt Doyens wie SSPA-Präsident Georg von Wattenwyl (Bank Vontobel) oder SSPA-Vorstandsmitglied Willi Bucher (Raiffeisen) schon seit vielen Jahren, und der Verband hat denn auch immer wieder Initiativen lanciert, um die Verbreitung und Marktdurchdringung zu erhöhen.

Luzern bestätigte die Erkenntnis, dass es keine Zauberformel gibt, um strukturierte Produkte den Anlegern noch schmackhafter zu machen. Auch von der erwähnten neuen Benchmark SSPA MBRC Global Index – die durchaus wertvoll und nützlich zu sein verspricht – sind keine Wunder zu erwarten. Einig waren sich die Akteure, dass man grundsätzlich beim ganzen Ökosystem (Anleger, Vermögensverwalter, Banken, Vertrieb) ansetzen muss und speziell bei den Kundenberatern, für die strukturierte Produkte immer noch oft ein Fremdwort zu sein scheint.

Generation Z steht auf Kryptowährungen

Erschwerend kommt dazu, dass sich mit den Kryptowährungen in den letzten Jahren eine neue starke Konkurrenz etabliert hat – attraktiv und beliebt insbesondere bei der Generation Z. Eine von der  SSPA in Auftrag gegebene Studie (die nicht veröffentlicht wird) zeigt, dass für diese Zielgruppe die jederzeitige Verfügbarkeit (z.B. 24-Stunden-Handel), Flexibilität und Einfachheit entscheidende Kriterien sind.

Diesbezüglich haben die im Unterschied zu den Strukis kaum regulierten Krypto-Assets die Nase klar vorne, auch wenn man sich trefflich darüber streiten kann, ob beispielsweise ein Bitcoin wirklich einfacher zu verstehen ist als ein Barriereprodukt auf die Aktien von Nestlé, Novartis und ABB.

Diversifikation versus Volatilität

Natürlich eröffnet der Boom von Bitcoin & Co auch Chancen, können Kryptos doch als Basiswert für strukturierte Produkte verwendet werden. Aber in diesem Bereich liegt eine weitere mächtige Konkurrentin eindeutig in Führung, die in den letzten Jahren beneidenswert stark gewachsene Exchange-Traded-Funds/Products-Industrie (ETF/ETP).

Für Kryptos wird oft mit dem Argument geworben, dass sie kaum mit traditionellen Anlageklassen korrelieren und sich daher zur Diversifikation aufdrängen (auch wenn die Evidenz diesbezüglich nicht so eindeutig ist wie die Theorie). Strukturierte Produkte hingegen machen die (implizite) Volatilität (die erwarteten Kursschwankungen) traditioneller Märkte auf einfache Art und in verschiedenen Formen handelbar.

Spielt die Marktentwicklung der Branche in die Hände?

Es war mit Luigi Vignola (Bank Julius Bär) ein weiterer Branchenveteran, der in Luzern an diese Eigenschaft erinnerte – und an die Ursprünge der Industrie vor rund 30 Jahren, als einige Banken, die in der Schweiz im Geschäft mit Warrants (Optionsscheine) sehr aktiv waren, damit begannen, Strukis zu emittieren, auch um ihre Volatilitätsposition auszugleichen.

Die Zeichen dafür, dass an den Finanzmärkten turbulentere Zeiten bevorstehen könnten und damit die Volatilität steigt, mehren sich. Gut möglich, dass die Branche dann die Früchte auf dem Feld ernten kann, das sie mit ihren Efforts in den vergangenen Jahren sorgsam gepflegt hat.