Im harschen Zinsumfeld werden Schweizer Banken unverfroren: Nun verdienen sie sogar Geld, wenn sie die Negativzinsen auf die Kunden überwälzen, wie Recherchen von finews.ch ergaben.

Im Schweizer Bankwesen gehört das Klagen über die Marktbedingungen zum normalen Ton: Das Tiefzinsumfeld nagt an den Erträgen, und die Schweizerische Nationalbank (SNB) belastet die Finanzinstitute, die bestimmte Guthaben bei ihr liegen haben, seit zwei Jahren mit einem Strafzins von 0,75 Prozent.

Die Banken sind indessen nicht untätig geblieben. Im Gegenteil: Inzwischen nützen sie ihre Position gegenüber institutionellen Kunden mit hohen Cash-Beständen gezielt aus. Sprich: Sie belasten diesen Kunden einen teils massiv höheren Betrag als den effektiven Negativzins. Dies haben Recherchen von finews.ch bei verschiedenen institutionellen Kunden ergeben.

«Da wird regelrecht Marge geschaufelt»

So sagte der Präsident einer Schweizer Lebensversicherung im Gespräch: «Die Zinsen werden zum Teil nicht nur eins zu eins weitergegeben, sondern mit Marge.» Diese sei in Einzelfällen unverschämt hoch: «Für Portfolios mit hoher Liquidität werden für die Abrechnung des Negativzinses bis zu 3 Prozent verlangt. Da wird regelrecht Marge geschaufelt.»

Die Erfahrung bestätigt ein Finanzexperte eines Schweizer Konzerns: «Eine Bank wollte uns schon 1 Prozent Strafzins auf Cash-Beständen belasten», sagt er. Eine überzeugende Begründung habe die Bank dafür nicht abgeben können. «Ich nehme an, dass sie eine Marge suchten.»

Banken erheben Negativzinsen, ohne Freigrenze bei SNB zu überschreiten

Von Seiten der Bankkunden wollte sich niemand der Betroffenen offen gegenüber finews.ch äussern. Das ist nicht erstaunlich: Niemand möchte riskieren, eine ohnehin schon schwierige Bankbeziehung noch mehr zu belasten. Und ein institutioneller Kunde, der keinen Negativzins bezahlt, behält diesen Vorteil lieber für sich.

Betroffene Kunden sagten zudem, Banken würden teilweise Negativzinsen weiterverrechnen, obwohl sie der SNB diese nicht entrichten müssten, da sie eine hohe Freigrenze auf ihren Guthaben hätten. Dies seien insbesondere grosse Institute, die aufgrund ihrer Geschäftspalette mehr Spielraum hätten, ihre Eigenmittelbasis zu steuern.

Deutliche Worte vom Pensionskassen-Chef

Diese Aussagen institutioneller Kunden sind schwer überprüfbar: Erstens wollen sie weder ihren noch den Namen ihrer Bank in der Öffentlichkeit lesen. Zweitens gibt auch die SNB nicht bekannt, welche Banken die Freigrenze übertreffen und Negativzinsen bezahlen und welche nicht.

Hanspeter Konrad, Direktor der Schweizerischen Pensionskassenverbandes ASIP, bestätigt, dass Banken solche Belastungen auch auf Cash-Beständen vornehmen. Das Vorgehen sei «in der Tat äusserst stossend». 

Rund 160 Milliarden Franken negativ verzinst

Es könne nicht sein, dass Banken auf Kosten der Pensionskassen noch ein Geschäft mit der Weitergabe der Zinsen machten. «Dieses von der SNB ermöglichte ‹Geschäftsmodell› schmälert die Renditen der Pensionskassen und erhöht die Gewinne der Banken», so Konrad.

Diese bezahlten der SNB in den vergangenen zwei Jahren viel Geld: Im Jahr 2015 hat die SNB rund 160 Milliarden Franken Bankguthaben negativ verzinst, was die Banken gesamthaft 1,2 Milliarden Franken kostete. Im vergangenen Jahr dürfte sich der Strafzins der Banken auf über 1,4 Milliarden Franken erhöht haben. 

Raiffeisen bislang unter der Freigrenze

Bekannt ist zudem, dass von den bedeutendsten vier Schweizer Banken – Credit Suisse (CS), Raiffeisen, UBS und Zürcher Kantonalbank (ZKB) – bis im vergangenen Jahr nur die Raiffeisen der SNB keine Negativzinsen bezahlt hat.

Zu Fragen zum Negativzins-Pricing bleiben die CS und UBS relativ schwammig. Die CS erhebe bei institutionellen Kunden und grossen Firmenkunden eine Guthaben-Kommission, so ein Sprecher. «Die genannten Regelungen werden laufend an die aktuelle Zins- und Marktsituation angepasst.»

Bei der UBS heisst es, sie erhebe eine «individuelle Guthabengebühr für grosse Kontobestände von Firmen und institutionellen Kunden beziehungsweise von juristischen Personen».

Negativzinsen sind Verhandlungssache

Die Höhe der weitergegebenen Negativzinsen ist nicht in Stein gemeisselt, sondern Verhandlungssache. Das ist aus Sicht der Banken sinnvoll. Sie haben in den vergangenen Jahren verschiedene Strategien entwickelt, ihre Zinsmarge in diesem misslichen Umfeld zu verteidigen.

Anstatt die von der SNB erhobenen Negativzinsen vollumfänglich an ihre gesamte Kundschaft weiterzugeben, beschränken sich die meisten Banken auf Grosskunden.

Banken finanzieren quer

Mit anderen Worten: Die Banken müssen Wege finden, die Strafzinszahlung an die SNB quer zu finanzieren. Insofern ist es plausibel, wenn gewisse institutionelle Kunden je nach Liquiditätsvolumen auch mehr als 0,75 Prozent Zins auf ihren Guthaben zahlen müssen. Die Frage ist, ob es auch gerecht ist.

Gründe dies zu rechtfertigen, gibt es insbesondere für die Grossbanken UBS und CS. Denn die Kapitalvorschriften unter Basel III bedingen, dass sich eine Bank auch vor potenziellen Geldabflüssen grosser institutioneller Kunden mit einem Liquiditätspuffer schützen muss.

Jeden Spielraum nutzen

Ausserdem dürfen Banken bestimmte Kundengelder nur noch eingeschränkt zur Refinanzierung nutzen. Auch diese Regularien führen die Banken bei den Verhandlungen um die Guthaben-Kommission und den Negativzinsen ins Feld.

Dass Banken all ihren Spielraum nutzen, um die Zahlung von Negativzinsen zu kompensieren und ihr zunehmend schwächeres Zinsgeschäft zu schützen, hat vergangene Woche auch UBS-Finanzchef Kirt Gardner deutlich gemacht.

Nachdem bereits 2016 das Zinsgeschäft gelitten habe, erwarte er für 2017 einen rund 100 Millionen Franken geringeren Zinsertrag im Schweizer Geschäft. «Also müssen wir Möglichkeiten finden, diesen Ausfall durch Preisanpassungen wett zu machen. Dafür ziehen wir sämtliche Optionen in Betracht», sagte er unmissverständlich.

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