Die Credit Suisse hat sich mit ihrer Hinwendung zur Vermögensverwaltung an der Erzrivalin UBS orientiert. Das Nachahmertum wird der Grossbank längst nicht mehr vorgeworfen – im Gegenteil.

Als Tidjane Thiam vor gut drei Jahren als neuer CEO den Turnaround der Credit Suisse (CS) lancierte, dominierte die Skepsis. Die milliardenschwere Kapitalerhöhung und die Verwendung der Mittel für den rasanten Ausbau der Vermögensverwaltung überzeugten nicht alle Investoren. Dies nicht zuletzt, weil die Schweizer Erzrivalin UBS diese Strategie ebenfalls verfolgte – und erst noch mit vier Jahren Vorsprung auf die CS.

Der französische Bankenanalyst Alain Dupuis brachte es damals gegenüber finews.ch auf den Punkt: Für Investoren, gab der Experte zu bedenken, sei es kaum interessant, die Wahl zwischen zwei «UBS-Banken» zu haben. Da investiere er lieber ins Original.

Grosse Kluft

Jetzt, im Jahr 2019, sehen das zahlreiche Anleger anders. Seit vergangenem Januar liegt der Aktienkurs der CS knapp 8 Prozent im Plus. Die UBS-Namen haben in derselben Frist mehr als 3 Prozent an Wert verloren. Damit klafft zwischen den beiden Notierungen ein Abstand von mehr als 10 Prozentpunkten. Ausgehend von der Wertentwicklung an den Börse stellt sich deshalb die Frage: Ist die «Nachahmerin» CS inzwischen besser als das «Original»?

Tatsächlich lassen sich – zumindest aus Anlegersicht – aktuell gleich mehrere Argumente für diese Sichtweise finden:

1. Grösseres Aufholpotenzial

Dass die CS-Aktie gegenwärtig fast ein Viertel unter Buchwert handelt, ist sicherlich kein Ruhmesblatt. Doch wie so oft kommt es auf die Perspektive an: Nun, da der Druck des dreijährigen Turnarounds weicht, lässt sich der «Discount» zum inneren Wert plötzlich auch als Kaufargument betrachten.

So kommt das amerikanische Branchenportal «Seeking Alpha» zum Schluss, dass erstmals seit dem Antritt von Chef Thiam keine grossen Restrukturierungskosten mehr drohen – dass aber die CS bei ungefähr gleicher erwarteter Eigenkapital-Rendite (der Konsens rechnet für 2019 mit je etwa 8 Prozent) immer noch zu einem Bewertungsabschlag von rund 20 Prozent zur UBS handelt. Das Portal folgert daraus, dass das grössere Aufholpotenzial bei der CS liegt.

Auch Schweizer Finanzprofis teilen diese Einschätzung. Gegenüber dem Börsenportal «The Market» (Artikel bezahlpflichtig) erklärten die Value-Investoren Thomas Braun und Georg von Wyss, dass sie der CS ein höheres Gewinnwachstum als der UBS zutrauen. Der faire Wert der Aktie liege bei 20 Franken, deutlich über den aktuell gut 11 Franken.

2. Mehr Dynamik

Sowohl das Geschäft der UBS wie jenes der CS wurde im ersten Quartal 2019 zerzaust. Interessanterweise erwies sich jedoch das «Business» des kleineren der beiden Institute, obwohl nicht 1 zu 1 vergleichbar, als solider. Die Erträge brachen bei der CS gegenüber der Vorjahresperiode konzernweit um 4 Prozent ein, während sie bei der Erzrivalin um 12 Prozent nachgaben.

In der Vermögensverwaltung, welche beide Grossbanken als Kerngeschäft betreiben, erwies sich die CS ebenfalls als widerstandsfähiger, wenn nicht gar dynamischer: Bei der UBS betrug die annualisierte Wachstumsrate auf dem Neugeld 4 Prozent, bei der CS lag sie bei 5 Prozent. Allerdings ist die Vermögensbasis bei der UBS rund doppelt so gross wie bei der CS. Die Nettomarge in der internationalen Vermögensverwaltung (IWM) legte bei der CS im Jahresvergleich um 1 Prozent auf 45 Basispunkte zu. Bei der UBS sank die Nettomarge auf investierten Vermögen um ein Fünftel auf 15 Basispunkte.

Sogar bei den Ausschüttungen an die Aktionäre, wo die CS in den vergangenen Jahren deutlich hinter der UBS zurücklag und mit zwei Kapitalerhöhung in drei Jahren erst noch den Gewinn erheblich verwässerte, macht sie nun Boden gut. Die Bank kehrt nicht nur zu einer herkömmlichen Bardividende zurück, sondern will vorbehältlich der Marktbedingungen dieses Jahr für mindestens eine Milliarde Franken Aktien zurückkaufen; 2020 soll ein ähnliches Rückkaufprogramm folgen.

Das scheint bei den Investoren anzukommen – obwohl die UBS mit 70 Rappen je Aktie gegenüber den 26 Rappen der CS eine deutlich höhere Cash-Dividende ausschüttet und ebenfalls ein mit einer Milliarde Franken dotiertes Rückkaufprogramm vorzuweisen hat.

3. Unsicherheit ist nicht gleich Unsicherheit

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.35%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.75%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.81%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.46%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.63%
pixel