Wegen der Coronakrise fehlt dem Genfer Bankenquartier das emsige Treiben seiner Berufsleute. Doch die Leere könnte bleiben.

Homeoffice mag ein Anglizismus sein. Doch die Heimarbeit ist auch in der Westschweizer Banken-Hochburg das Gebot der Stunde: im Genfer Bankenviertel rund um die Place de la Corraterie, dem Gegenstück zum Zürcher Paradeplatz, sind die Banker derzeit nur vereinzelt anzutreffen. Dies sehr zum Schaden der dort in Massen angesiedelten Restaurants, Boutiquen und Galerien.

Um das lukrative Bankfach und dessen schwerreiche Kundschaft hat sich in der Rhone-Stadt ein Ökosystem gebildet. Dieses sieht sich nun wegen der Coronakrise gründlich trockengelegt.

Und Linderung ist nicht in Sicht, im Gegenteil. Wie der Mathematiker und Blogger Xavier Comtesse im Westschweizer Wirtschaftsblatt «L’Agéfi» (Artikel bezahlpflichtig) kommentierte, könnte das Bankenviertel sich für immer geleert haben. Schuld daran, so seine Analyse, wären aber nicht etwa die Pandemie – sondern die Banker selber.

Tausende Banker ziehen um

Präziser: Die renommierten Häuser Pictet und Lombard Odier, die einen neuen Trend in der Branche begründet haben – sie verlassen die Innenstadt und ziehen in die Peripherie.

So lässt Lombard Odier im Stadtteil Bellevue von den Stararchitekten Herzog & de Meuron einen neuen Hauptsitz auf 27'400 Quadratmeter bauen, der dereinst Raum für 2'600 Arbeitsplätze bieten und 2021 fertiggestellt werden soll.

Nicht weniger als 3'000 Mitarbeitende will Pictet im geplanten Neubau in Carouge einquartieren – dies allerdings direkt neben dem heutigen Standort, wie auch finews.ch berichtete. Als Baubeginn ist der September 2021 vorgesehen; 2025 soll dann der Einzug erfolgen. Beide neuen Standorte verfügen über eigene Bahnhöfe und Autobahn-Zubringer.

Gegensteuer mit der Europaallee

Der Innenstadt fehlen auf diese Weise in den nächsten Jahren Tausende von Bankern, und das Beispiel von Pictet und Lombard Odier könnte Schule machen: Die altehrwürdigen Stadtpaläste werden den Anforderungen der neuen Arbeitswelt nicht mehr gerecht, im Gegensatz zu topmodernen Liegenschaften weiter draussen.

Anderseits könnten kleinere Banken gezwungen sein, ihre wertvollen Immobilien in der Innenstadt zu versilbern, um das Geschäft über die Runden zu retten.

Belegschaft in der Agglomeration

Der Trend lässt sich seit Jahren auch im führenden Deutschschweizer Finanzplatz Zürich beobachten: Bank- und Versicherungskonzerne verlassen die Innenstadt und ziehen die Belegschaft in Neubauten in der Agglomeration zusammen.

Mit neuen Quartieren wie der Europaallee beim Hauptbahnhof ist es der Limmatstadt wenigstens noch teilweise gelungen, die Grossbanken UBS und Credit Suisse im Zentrum zu halten.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.06%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.72%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.44%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.44%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.34%
pixel