Die Spekulationen um die Nachfolge von Vontobel-Chef Zeno Staub werfen bereits hohe Wellen. Dabei könnte der neue Mann aus dem eigenen Haus kommen und sich vordergründig als ganz grosse Überraschung entpuppen.

Vontobel-Chef Zeno Staub hielt sich mit seinem Abgang getreu an das Zitat von Franz Kafka: «Man sieht die Sonne langsam untergehen und erschrickt doch, wenn es plötzlich dunkel ist.»

Dass der Ostschweizer Banker nach 22 Jahren im Sold der Zürcher Traditionsbank Vontobel – davon zwölf Jahre als CEO – über kurz oder lang zurücktreten würde, war klar. Doch die Meldung am vergangenen Mittwoch hat dann doch wie ein Blitz eingeschlagen.

Lahme Ente

Etwas erstaunlich an dieser Personalmeldung war sicherlich, dass noch kein Nachfolger feststeht, und Staub noch vergleichsweise lange im Dienst bleibt; er scheidet erst im April 2024 aus. Damit schlüpft er in die nicht immer einfache Rolle einer «lame duck», einer lahmen Ente, wie es im Wirtschaftsjargon heisst. Er ist dann zwar noch in Amt und Würden, doch die Entscheidungen fällen bereits andere – unter anderem der CEO in spe. Bloss, wer ist das im Falle Vontobels?

Schnell waren am vergangenen Mittwoch einige Namen zur Hand wie Finanzchef Thomas Heinzl oder Investmentchefin Christel Rendu de Lint. Beides sind ohne Zweifel absolut fähige Kaderleute, die sich auf ihrem Gebiet bewährt haben. Heinzl gilt intern als höchst integrativ und führt die Geschäfte mit der ihm eigenen Kompetenz, Präzision und Souveränität.

Schweizerisch ausgerichtete Familienbank

Rendu de Lint wiederum hat sich bei Vontobel innert kürzester Zeit einen Namen gemacht als weitsichtige Investmentexpertin, der es meisterhaft gelungen ist, den historischen Paradigmenwechsel an den globalen Finanzmärkten zu antizipieren und die Vontobel-Portfolios entsprechend neu auszurichten.

Doch das alles genügt vermutlich nicht, um in die Fussstapfen Staubs zu treten; Heinzl dürfte die (Kunden-)Nähe zum eigentlichen Bankgeschäft abgehen, und Rendu de Lint hätte als CEO in einer nach wie vor sehr schweizerisch ausgerichteten Familienbank mit ihrem finanztechnischen Background einen doch eher schweren Stand. Alles andere als klar ist überdies, ob diese beiden Kaderleute überhaupt eine solche Top-Funktion anstreben.

Schon im Hause

Wie Recherchen von finews.ch ergaben, wird in Vontobel-Kreisen über einen ganzen anderen Nachfolger spekuliert, der ebenfalls im Haus sitzt. Er ist zwar noch nicht so lange dabei. Doch umso mehr hat er sich in seiner neuen Rolle bereits ausgebreitet. Die Rede ist von Andreas E.F. Utermann – seit April 2022 Verwaltungsratspräsident der Vontobel-Gruppe. Dass im Zusammenhang mit Staubs Nachfolge dieser Name fällt, liegt zwar nicht gerade auf der Hand. Doch die Personalie hat es in sich.

Denn Utermann ist (geboren 1966) nur unwesentlich älter als Staub (geboren 1969) und hat – ebenfalls wie Staub – eine starken Investment-Background. Er war bereits in grossen Unternehmen (zum Beispiel Allianz Global Investors) als CEO tätig, bringt eine enorme internationale Erfahrung mit (neben der Allianz auch bei Merrill Lynch in London; und war auch in Asien tätig) und – das vor allem – er legt seine aktuelle Betätigung als Verwaltungsratspräsident bei weitem nicht als «Frühstücks-Direktor» vor der Pensionierung aus.

Am Puls der Finanzmärkte

Sein Herz schlägt nach wie vor am Puls der internationalen Finanzmärkte, wie er auch bei seinem ersten Interview als Vontobel-Präsident gegenüber finews.ch zum Ausdruck gab. Und dass er seine Rolle als Vontobel-VRP durchaus grosszügig und höchst aktiv auslegt, ist manchen Mitarbeitenden im Haus nicht entgangen.

Wenn man Utermann über seine Rolle sprechen hört, dann besteht kein Zweifel, dass er sich energisch einbringt. So sagte er vor einigen Monaten: «Als VRP übernehme ich zunächst einmal meine Kontrollfunktion und hinterfrage die Strategie. Mit meinem Background kann ich mich auch strategisch in die Internationalisierung des Geschäfts von Vontobel einbringen.»

Klare Ambitionen

«Ausserdem», so Utermann weiter, «kann ich meine Kenntnisse und meine Erfahrung im Bereich Privatmarkt-Anlagen einsetzen. Und seit sich Vontobel von einer Bank in ein Investmenthaus umgewandelt hat, bin ich der erste VRP, der dies von seiner Laufbahn her zum Ausdruck bringt, zumal ich meine ganze Karriere in der Investmentbranche gemacht habe.»

Wer so spricht, signalisiert klare Ambitionen, die gegebenenfalls weit über das Amt in einem Aufsichtsgremium hinausgehen könnten. Bereits im vergangenen Januar übernahm Utermann auch die Leitung des Investment Oversight Committee, einem neuen Verwaltungsratsausschuss, der die treuhänderischen Aufsichtspflichten von Vontobel aus Investmenthaus wahrnimmt.

Und zur selben Zeit stieg auch Rendu de Lint in die Geschäftsleitung auf, wo sie seither den Bereich Vontobel Investments verantwortet, der zuvor unter der Leitung von Zeno Staub gestanden hatte.

Offenes Geheimnis

Zwar bekräftigt Utermann, dass er mit Staub das das Heu auf der gleichen Bühne hat, wenn er etwa sagt: «Wie Zeno Staub komme ich aus dem Anlagegeschäft. Wir sprechen bereits dieselbe Sprache und brauchen nicht noch zwanzig Jahre, um uns kennenzulernen. Wir stehen uns auch vom Alter her recht nahe.» Gleichwohl ist es intern ein offenes Geheimnis, dass sich Staub zuletzt etwas herausgefordert fühlte, angesichts der sehr direkten und ativen Rolle Utermanns.

Es wäre falsch, von einem Zwist zwischen den beiden Alpha-Tieren zu sprechen. Gleichwohl dürfte der Wechsel im Präsidium – von Herbert J. Scheidt zu Andreas E.F. Utermann – sowie die veränderte Marktanlage, von der auch Vontobel nicht verschont blieb, Staub bestärkt haben, seinen nächsten Karriereschritt nun anzupacken. Andeutungsweise zeigte sich dies auch schon im Umstand, dass er ein Verwaltungsratsmandat beim Uzwiler Technologiekonzern Bühler übernahm.

Zeno Staub als Präsident?

Insofern ist Utermann als nächster CEO bei Vontobel durchaus eine Option, zumal er das Unternehmen jeden Tag auch immer besser kennt. Die Frage wäre dann, wer seinen aktuellen Posten übernimmt.

Staub wiederum soll – nach einer «Abkühlungsphase» – 2025 in das Aufsichtsgremium gewählt werden. Am Ende gar als Präsident? Jedenfalls dürfte das Traditionsunternehmen Vontobel kaum Probleme bekunden, auch von extern gute Leute für den Verwaltungsrat zu rekrutieren. Dafür ist die Reputation des Hauses nach wie vor mehr als gut.

 

 

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.34%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.74%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.81%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.47%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.64%
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