Vontobel hat keine Nachfolge für den langjährigen CEO Zeno Staub parat. Das ist sehr ungewöhnlich für das nach langfristigen Grundsätzen geführte Investmenthaus. Zuletzt hat sich der Druck auf die Spitze merklich erhöht.

Als Zeno Staub im Mai 2011 das Amt als CEO der Vontobel übernommen hatte, stand er im Ruf, ein Technokrat zu sein, unter dessen Aufsicht sich die Bankengruppe geordnet bewegen musste wie ein Uhrwerk.

Zwölf Jahre später hat derselbe Mann das Unternehmen offensichtlich überrascht: Dass mit seinem am heutigen Dienstag angekündigten Abgang nicht bereits ein Nachfolger bereitsteht, ist gar nicht «Vontobel-like» und passt schlecht zum nach langfristigen Grundsätzen agierenden Investmenthaus, an dem weiterhin die Inhaberfamilien Vontobel und de la Cour die Mehrheit halten. Zum Vergleich: Mit Andreas Utermann, dem amtierenden Vontobel-Präsidenten, hatte das Institut bereits zwei Jahre vor seiner Wahl im April 2022 Kontakt aufgenommen.

Das richtige Licht

Der Entscheid, dass Staub für die Nationalratswahlen vom Herbst kandidieren darf, ist zudem erst gestern von der Sektion der Partei «die Mitte» im Kanton Zürich gefällt worden. Bis zuletzt stand also in der Schwebe, in welchem Licht der bevorstehende Rücktritt Staubs erscheint.

Nun geht die Story so: Nach mehr als zwanzig Jahren Dienst für die Gruppe orientiert sich Staub nochmals neu; die politische Aufgabe wäre vom Aufwand her nicht mit den Anforderungen des CEO-Jobs bei einem global agierenden Finanzdienstleister vereinbar gewesen. Und da Staub das Steuer erst Ende Jahr aus der Hand gibt, darf Vontobel von einem geplanten Chefwechsel sprechen. Doch ist das die ganze Wahrheit?

Goldene Jahre sind vorbei

Dass Staub im Jahr 2025 in den Verwaltungsrat von Vontobel gewählt werden soll, spricht dafür, dass er den Chefposten im Guten verlässt. Auch der operationelle Chef der Gruppe (COO), Felix Lenhard, der ebenfalls Ende 2023 ausscheidet, tut dies offenbar aus freien Stücken. Der 58-jährige Manager will sich mehr Zeit für seine Familie nehmen.

Dennoch laufen die Geschäfte der Gruppe weniger geschmiert als auch schon, wie sich zeigt. Dies nach langen goldenen Jahren, in denen das Unternehmen sich international ausbreitete, Übernahmen stemmte und sich geschickt auf das aktive Asset Management fokussierte.

Doch noch Deals

Das alles darf sich Staub ans Revers heften. Musste er sich anfänglich den Vorwurf gefallen lassen, mit seiner stoischen Art wenig zu erreichen, zeigte sich über die Jahre, was das Zürcher Traditionshaus an dem Ostschweizer hatte: Staub erwies sich als Schnelldenker, der Tatsachen in Sekundenschnelle analysieren und die Konsequenzen daraus schlüssig ableiten kann. Genau das hat Staub in all den Jahren mit einer grossen, aber unspektakulären Zielstrebigkeit getan und Vontobel als Bank und später als Investmenthaus – wie er das Unternehmen umbenannte –, massgeblich weitergebracht.

Staub war nie auf spektakuläre Deals aus, wie sein flamboyantes Pendant Boris Collardi bei der Privatbank Julius Bär, sondern er arbeitete in einzelnen Geschäftsbereichen entschlossen auf eine starke Marktposition hin. Beispiele sind die Investment-Boutique Twenty Four Asset Management oder das US-Geschäft der UBS oder die Übernahme der Finter Bank, die Vontobel in der Südschweiz eine wichtige Position einbrachte; auch über eine Tochtergesellschaft in Norditalien respektive in Mailand.

Der wichtigste Deal war indessen die Übernahme der Privatbank Notenstein La Roche von der Raiffeisen Gruppe im Jahr 2018.

«Raison d’être» für die Zukunft

In den vergangenen dreizehn Jahren ist es Staub nicht nur gelungen, mit diversen Akquisitionen die Diversifikation der Bank voranzutreiben, sondern auch ihre «raison d’être» zukunftsfähig zu machen, indem das Finanzinstitut heute als Investmenthaus firmiert, dessen wichtigste Aufgabe darin besteht, den Kundinnen und Kunden global die besten Anlagemöglichkeiten zu bieten.

Das ist insofern ein neuer Ansatz für eine Schweizer Bank, als sie sich nicht länger über ihre Herkunft Schweiz definiert, sondern über ihre Kompetenzen, die sie in Zürich, New York, Hongkong oder Singapur aufgebaut hat. Vor diesem Hintergrund passt auch die geschäftliche Zielsetzung Staubs, wenn er sagt: «Investieren ist das neue Sparen», selbst wenn dies einmal mehr gar nicht so spektakulär klingt – dafür aber durchaus zutreffend ist.

Durch zahlreiche Krisen navigiert

Nicht zu vergessen ist das Umfeld, in denen sich diese Entwicklung vollzogen hat. In all den Jahren, in denen Staub der Gruppe vorsteht, hat er die Nachwehen der Finanzkrise, den Steuerstreit mit dem Ausland, den Franken-Schock von 2015 und die Zinswende von 2022 navigieren müssen, von der Corona-Krise ganz zu schweigen. Seit dem Antritt des 53-Jährigen als CEO hat das Unternehmen an der Börse dabei mehr als 60 Prozent an Wert zugelegt.

Eins ums andere Mal gaben die Erfolge Staub recht. Das dürfte jedoch mit dazu beigetragen haben, dass er in den vergangenen Jahren immer mehr Aufgaben zu sich gezogen hat. Dazu gehören nicht nur die strategischen Arbeit samt digitaler Transformation, die zuletzt in der «Leuchtturm»-Stragie bis ins Jahr 2030 gipfelte. Ende 2020 hatte Staub auch die Geschäftsleitung der Gruppe umgebaut und dabei die Leitung der wichtigen Investment-Funktionen selber übernommen. Der langjährige Asset-Management-Chef Axel Schwarzer verliess das Institut, und der Leiter der Privatbank, Georg Schubiger, sitzt seither nicht mehr in der Gruppenleitung.

Rotstift angesetzt

Während Staub an mehr Fronten gefordert war, erwiesen sich die Fronten selber als immer fordernder. Insbesondere das bis dato so erfolgreiche Fondsgeschäft hatte zuletzt zu kämpfen. Im Verlauf von 2022 zogen dort institutionelle Kunden Milliarden an Volumen ab. Die Gruppe musste einen Anstellungsstopp verhängen und den Rotstift ansetzen: Im vergangenen Jahr senkte die Gruppe den Aufwand um 51 Millionen Franken. Bis Ende 2023 sollen die Bruttokosten nun um 65 Millionen Franken sinken. Anfang 2023 ist derweil die Verwantwortung für das Investmentgeschäft an Christel Rendu de Lint übergegangen.

Der Rücksetzer im Kerngeschäft wurde von den erfolgsverwöhnten Vontobel-Aktionären schlecht goutiert. Seit dem vorläufigen Kurshoch in der Ära Staub im Herbst 2021 hat der Börsenwert des Investmenthauses um einen Drittel abgenommen.

Noch ein Rücksetzer

Das sind Rücksetzer, die schmerzen und wohl auch die Aufmerksamkeit der Inhaberfamilien auf sich ziehen. Für das Jahr 2022 zahlte Vontobel eine gegenüber dem Rekordjahr 2021 unveränderte Dividende von 3 Franken je Aktie. Derweil ist der Trend im Asset Management noch nicht gebrochen – Vontobel verwaltete zwar im ersten Quartals diesen Jahres mehr Vermögen als im Vorjahr, aber Kunden zogen im Kerngeschäft nochmals 1,8 Milliarden Franken ab.

Ob Schnelldenker Staub hier noch bis zu seinem Abschied zum Jahresende das Ruder herumwerfen kann, muss sich weisen. Viel hängt vermutlich vom Marktumfeld ab und der Nachfrage nach den Boutiquen-Produkten von Vontobel. Derweil mussten die Eigentümer der Gruppe am Dienstag einen weiteren Rücksetzer hinnehmen: Auf die Nachricht vom bevorstehenden Rücktritt des Langzeit-CEO hin sank der Aktienkurs zweitweilig um mehr als 2 Prozent.


Mitarbeit: Claude Baumann, Samuel Gerber

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