«Agentic AI definiert Swiss Banking neu»
Die Schweizer Bankenbranche steht unter Druck: Margen schrumpfen, regulatorische Anforderungen steigen, Cyberrisiken nehmen zu und Kundinnen und Kunden erwarten sofortige, personalisierte Services. Künstliche Intelligenz verspricht Lösungen. Doch wie bringt man sie sicher, skalierbar und gewinnbringend in den Alltag einer Bank? Robert Simmeth, SAS Country Manager Deutschland und Schweiz sowie Roberto Lopez, Senior Banking Business Advisor bei SAS Schweiz geben Antworten.
Herr Simmeth, viele reden über KI, ChatGPT und Automatisierung. Sie sprechen von Agentic AI. Was ist das – und warum ist es für Banken relevant?
Simmeth: Stellen Sie sich vor, Ihre Bank hätte einen digitalen Stab aus Spezialisten, die rund um die Uhr verfügbar sind, Daten in Sekunden analysieren, Risiken erkennen, Kundenbedürfnisse antizipieren und sofort handeln, koordiniert wie ein eingespieltes Team. Das ist Agentic AI. Es geht um KI-Agenten, die nicht nur einzelne Aufgaben erledigen, sondern diese auch automatisiert verknüpfen und in Echtzeit ausführen – und das im Einklang mit den Daten, Modellen und Geschäftsregeln der Bank. Unsere Lösung für Intelligent Decisioning ist dabei der Dirigent, der diese Agenten, Large Language Models (LLMs) und Datenquellen zusammenführt, Ergebnisse in Echtzeit liefert und dabei den Menschen im Fahrersitz behält.
Das klingt nach Science-Fiction. Gibt es in der Schweiz bereits konkrete Anwendungsfälle?
Lopez: Ja und sie sind näher, als viele denken. In der Betrugsprävention etwa melden Systeme heute meist nur einen Verdacht. Mit Agentic AI kann ein KI-Agent die Transaktion prüfen, externe Datenquellen einbeziehen, ein Risikoprofil erstellen und – falls nötig – direkt präventive Massnahmen auslösen. Und das, bevor Schaden entsteht. Das gilt auch für Kreditvergabe, Compliance-Reports oder Kundenservice: Prozesse, die früher Tage dauerten, werden in Minuten oder Sekunden erledigt. Sicher, nachvollziehbar und regelkonform.
Robert Simmeth (Bild: zVg)
Viele Banken nutzen bereits KI-Modelle. Was macht Ihren Ansatz anders?
Lopez: Derzeit arbeiten viele Banken mit Einzellösungen: ein Modell für Risk, eines für Fraud, eines für Marketing. Das ist, als hätten Sie ein Orchester, bei dem jeder Musiker allein spielt. Agentic AI bringt diese Modelle zusammen, ergänzt sie mit zusätzlichen Daten und sorgt dafür, dass die Ergebnisse dort ankommen, wo sie gebraucht werden – im Contact Center, auf dem Smartphone oder beim Kundenberater.
Sie sagen, Banken könnten «jedes LLM» einbinden. Warum ist das wichtig?
Simmeth: Flexibilität ist entscheidend. Banken müssen heute zwischen Innovationsdrang und regulatorischen Anforderungen balancieren. Mit unserem «Bring any LLM»-Ansatz können sie eigene Modelle nutzen, Open-Source-Lösungen einbinden oder kommerzielle Anbieter wie OpenAI oder Anthropic verwenden, immer so, dass Datenschutz und Compliance eingehalten werden. Gleichzeitig stellt unsere Plattform sicher, dass die Ergebnisse dieser Modelle nicht ungeprüft übernommen werden.
«Gerade im Bankenbereich ist es entscheidend, dass der Output eines LLM inhaltlich korrekt, nachvollziehbar und regelkonform i»
Denn gerade im Bankenbereich ist es entscheidend, dass der Output eines LLM – sei es ein Report, eine Kundenantwort oder eine Risikoanalyse – inhaltlich korrekt, nachvollziehbar und regelkonform ist. SAS bietet hier eine Governance-Schicht, die den Output validiert, mit internen Daten abgleicht und sicherstellt, dass er den Richtlinien der Bank entspricht. So entsteht ein sicherer Rahmen für den Einsatz von generativer KI. Einer, der Innovation ermöglicht, ohne Kompromisse bei Qualität oder Vertrauen einzugehen.
Welche Use Cases sind für den Schweizer Markt besonders spannend?
Lopez: Agentic AI entfaltet ihr Potenzial dort, wo Banken heute unter hohem Druck stehen – etwa im Risikomanagement, in der Betrugsbekämpfung oder im Kundenservice. Im Risikomanagement ermöglichen KI-gestützte Szenarioanalysen eine präzise Einschätzung der Auswirkungen von SNB-Zinsänderungen oder geopolitischen Entwicklungen. Kreditwürdigkeitsprüfungen lassen sich automatisieren, ebenso wie Prozesse im Bereich Credit Collections, etwa durch intelligente Priorisierung von Rückforderungen oder dynamische Anpassung von Zahlungsplänen. Auch im Bereich Fraud & Compliance verändert Agentic AI die Spielregeln: Verdächtige Aktivitäten können bereits bei der Dateneingabe erkannt werden. AML- und KYC-Prozesse werden effizienter, und selbst Penetration Tests von Betrugssystemen lassen sich intelligent steuern, mit höherer Präzision und Geschwindigkeit.
«Besonders spannend ist der Einsatz von KI-Co-Piloten, die Bankmitarbeitende aktiv unterstützen, etwa beim schnellen Erstellen von Reports, beim Vorbereiten von Kundengesprächen oder beim Navigieren durch komplexe regulatorische Anforderungen.»
Im Kundenbereich zeigt sich die Stärke von Customer Intelligence: Banken können in Echtzeit die nächste passende Kundenaktion vorschlagen, Stimmungen analysieren («Customer Vibes») und automatisierte Interaktionen gestalten, die sowohl die Servicequalität als auch das Cross-Selling verbessern. Besonders spannend ist dabei der Einsatz von KI-Co-Piloten, die Bankmitarbeitende aktiv unterstützen, etwa beim schnellen Erstellen von Reports, beim Vorbereiten von Kundengesprächen oder beim Navigieren durch komplexe regulatorische Anforderungen. Diese «Augmented Advisors» kombinieren menschliche Expertise mit maschineller Effizienz und schaffen so ein neues Level der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine.
Roberto Lopez. (Bild: zVg)
Gelegentlich hört man die Befürchtung, der Faktor Mensch bleibe bei dem Ganzen auf der Strecke...
Simmeth: KI ist nicht dazu da, Menschen zu ersetzen, sondern sie zu stärken. Wir nennen das «Human Control as needed». Die Agenten arbeiten im Hintergrund, aber an entscheidenden Punkten wird der Mensch eingebunden. Das schafft Transparenz und Vertrauen bei Kunden und Aufsichtsbehörden.
Welche Rolle spielt SAS Viya dabei?
Simmeth: Damit diese KI-Strategien nicht nur in der Theorie funktionieren, braucht es eine Plattform, die Daten, Modelle und Entscheidungen zusammenführt und genau das leistet SAS Viya. Sie ist das Fundament für Datenintegration, Modelltraining, Echtzeit-Entscheidungen und Reporting. Alles an einem Ort. Wir liefern nicht nur Technologie, sondern auch spezialisierte Lösungen für Risk Management, Fraud & Compliance und Customer Intelligence.
Müssen Banken jetzt sofort auf diesen Zug aufspringen?
Lopez: Je früher, desto besser. Der Wettbewerbsvorteil liegt heute in der Geschwindigkeit, mit der eine Bank Daten in Entscheidungen umsetzt. Angesichts des Margendrucks, der wachsenden Konkurrenz durch Fintechs und der regulatorischen Komplexität kann ein orchestrierter, skalierbarer KI-Ansatz den Unterschied machen zwischen Marktführer und Mitläufer.
Wie stellt SAS sicher, dass KI verantwortungsvoll eingesetzt wird?
Simmeth: Mit «Responsible AI» stellen wir sicher, dass KI-Modelle fair, transparent und regelkonform arbeiten. Dazu gehört auch der Einsatz von synthetischen Daten: künstlich erzeugten, aber realistisch strukturierten Datensätzen, die keine echten Kundendaten enthalten. Das ermöglicht es Banken, neue Modelle zu trainieren oder bestehende zu testen, ohne Datenschutzrisiken einzugehen.
«Mit ‹Responsible AI› stellen wir sicher, dass KI-Modelle fair, transparent und regelkonform arbeiten.»
Lopez: Besonders im sensiblen Schweizer Finanzmarkt ist das ein Gamechanger: Man kann Innovation beschleunigen, regulatorische Anforderungen erfüllen und gleichzeitig Kundendaten schützen. Unser SAS DataMaker ist hier eine Schlüsseltechnologie, er erzeugt qualitativ hochwertige, realitätsnahe Daten für Test-, Trainings- und Simulationszwecke.
Abschliessend: Wo sehen Sie SAS in der Schweizer Bankenlandschaft in fünf Jahren?
Simmeth: In fünf Jahren werden Schweizer Banken nicht mehr fragen, ob KI sinnvoll ist, sondern wie sie mit ihr neue Standards setzen. SAS wird dabei nicht nur Technologie liefern, sondern auch Vertrauen, Expertise und lokale Nähe. Wir wollen die erste Anlaufstelle für Banken sein, die KI nicht nur ausprobieren, sondern operativ einsetzen – sicher, transparent und mit echtem Geschäftsnutzen.
Roberto Lopez ist Senior Banking Business Advisor bei SAS Schweiz. SAS ist weltweit führend in Analytics und KI und unterstützt Unternehmen dabei, datenbasierte Entscheidungen zu treffen – von der Kundenbindung bis zur Betrugsprävention. Robert Simmeth ist Country Manager SAS Schweiz und SAS Deutschland: Er verfügt über mehr als 25 Jahre internationale Führungserfahrung in IT und Telekommunikation mit Schwerpunkt auf Künstlicher Intelligenz. Als Physiker mit KI-Spezialisierung engagiert er sich für nachhaltige Innovationen und Ethical AI.