Jordan Belford verfiel schon früh der Gier des Geldes. Als er dann aber Millionen scheffelte, demoralisierte ihn das zusehends. Denn eigentlich machte er Geschäfte mit einem Stück Scheisse, wie er sich im Exklusiv-Interview mit finews.ch erinnert.


Jordan Belfort arbeitet heute als Verkaufstrainer und tritt im kommenden Mai in Zürich auf. Mehr dazu unter diesem Link. Anmeldung mit Frühbucher-Rabatt bis 31. Januar 2017.


Herr Belfort, als Kind haben Sie Limonade verkauft, schaufelten Strassen frei und verkauften Ice Cream am Strand. Ihr erstes grosses Geschäft war der Handel mit Fleisch und Meeresfrüchten, bei dem Sie feststellten, dass Sie extrem gut darin sind, andere Menschen zu motivieren. Wie kam das?

Ich habe dieses Geschäft in Rekordzeit aufgebaut. Ich begann mit einem Lieferwagen und bald waren es deren 26, was ich tatsächlich meiner Fähigkeit verdanke, die Leute für etwas zu begeistern. Gleichzeitig hatte ich aber ehrlich gesagt überhaupt keine Ahnung, wie man ein Unternehmen führt. Ich machte jeden Fehler, den man sich vorstellen kann, so dass ich mit 23 oder 24 auf einen Schlag alles wieder verloren hatte. Boom!

Was geschah dann?

Diese Erfahrung brachte mich an die Wall Street. Ich war wie gesagt 24 und ohne Geld. Ich kannte einen Typen dort aus meiner Jugend – kein besonders aufgeweckter Bursche, aber er scheffelte Millionen.

Jordan Belfort Beach 500

Eine Million Dollar, das war Mitte der 1980er-Jahre eine schöne Stange Geld, eigentlich unmöglich, für einen Normalsterblichen so viel in einem Jahr zu verdienen. Ich ging also hin und bewarb mich bei der angesehen Firma L.F. Rotschild. Meine Zeugnisse waren nicht besonders gut. Ich hatte meine Zahnarzt-Ausbildung geschmissen und war eben erst Pleite gegangen. Aber das hielt mich nicht davon ab, mit dem nötigen Selbstbewusstsein zu haben: «Nehmt mich! Was ja dann auch geschah.

Sie wuchsen in einer mittelständischen, jüdischen Familie auf, die Ihnen Tugenden wie Ehrlichkeit und Integrität mit auf den Weg gab. Warum haben Sie sich um diese Werte foutiert?

Schwer zu sagen. Ich habe viel darüber nachgedacht, weil ich glaube, dass mein Werdegang für eine Fallstudie wirklich alles hergibt. Natürlich war ich nicht der Einzige, der an die Wall Street ging und dort vom vielen Geld korrumpiert wurde. Aber ich habe darüber ein Buch gemacht – und ein zweites.

jordan belfort mit kathrin 500

Darin beschrieb ich nicht nur die Wall Street als solches, sondern das ganze Umfeld, diesen unsäglichen Herdentrieb, in dem die Leute gefangen sind und Dinge machen, die sie sonst nie tun würden. Es ist wie eine Gehirnwäsche, die man dort durchmacht, so dass am Ende gar keine Werte mehr zählen – ausser eben Geld.

Wie kamen Sie mit Geld eigentlich in Berührung?

Als ich 11 oder 12 war, träumte ich von einem Motorrad. Doch meine Eltern sagten ganz klar: «Wir können uns das nicht leisten.» Ein solches Teil kostete damals etwa 130 Dollar. Mein Vater und meine Mutter sassen da und erklärten: «Das sind unsere Ersparnisse und das ist unser Budget...»

Und?

Ich war zu Tode betrübt. Meine Eltern sagten, sie müssten für meine College-Ausbildung sparen. In dem Moment ging mir ein Licht auf. Ich realisierte, dass man noch so smart und gut ausgebildet und hart arbeitend sein kann, aber dass sich das alles nicht zwangsläufig in barer Münze niederschlägt. Für diese Gleichung fehlte etwas.

Wie läuft die Verführung an der Wall Street ab?

Die Verwandlung findet schleichend statt. Es ist, als ob man eine Zehe in heisses Wasser taucht und sie ganz rasch wieder herauszieht, weil man denkt, man verbrenne sich. Doch schon wenige Minuten später fühlt man sich plötzlich wohl in dem Wasser. Man will gar nicht mehr raus; genauso erging es mir an der Wall Street.

Wie haben Sie das bemerkt?

Eigentlich ist alles eine moralische Frage. Denn an der Wall Street sind die Interessen der Kunden nicht identisch mit denjenigen der Wertschriften-Broker.

Wie meinen Sie das?

Nehmen Sie einen Hedgefonds, ein Hedgefonds kriegt kaum je Probleme, weil er den Kunden Geld abknöpfen will, sondern eher, weil er mit Insider-Informationen operiert, um so mehr Geld für den Kunden zu scheffeln. Denn er verdient ja vor allem daran. Er kriegt eine Erfolgsprämie.

Jordan Belfort Hands 500

Im Gegensatz dazu kauft und verkauft ein Broker einfach Aktien. Ihm ist egal, wie gut diese Papier laufen, Hauptsache er kassiert am Ende des Tages seine Gebühr. Er hat also nicht die gleichen Interessen wie sein Kunde. Und genau das verleitet zu Betrügereien.

Wann wurde Ihnen dieser Mechanismus richtig bewusst?

Das war zu jenem Zeitpunkt, als ich zu einem so genannten Pennystock-Broker wechselte. Solche Aktien sind wie ein Stück Scheisse, hochspekulative Investments, bei denen gutgläubige Anleger meinen, sie würden damit auf die nächste Aktienperle, etwa auf eine «Apple», setzen. Das ist der Grund, warum so viele Leute solchen Schmarren kaufen.

Was war Ihr Job damals?

Anfangs hatte ich von diesem Geschäft überhaupt keine Ahnung. Ich wusste generell wenig vom Aktienmarkt. Ich besass zwar eine Broker-Lizenz, aber diese Gesetze und Bestimmungen kümmerten mich herzlich wenig. Mir ging es schlicht darum, mit dem Verkauf von Pennystocks möglichst viel Geld zu machen. Immerhin waren das ja alles Aktien von Firmen, die von der US-Börsenaufsicht SEC am Markt zugelassen worden waren. Ich sagte mir, weshalb sollte an meiner Tätigkeit etwas Betrügerisches sein.

Wie ging es dann weiter?

Mit meinen Zahlen brach ich sämtliche Verkaufsrekorde. Das ganze Top-Management der Firma hofierte mich und wollte, dass ich die anderen Broker ausbildete. Wenn ich mir aber vorstellte, was ich eigentlich machte, wurde mir übel. Bald war ich völlig demoralisiert.

Jordan Belfort Asia 500

Natürlich gibt es gute Pennystocks. Aber die meisten davon sind wertlos. Nach einem Monat fiel es mir wie Schuppen von den Augen, dass ich da nur Scheisse verkaufte. Ich begann, mich gehörig zu ärgern. Eigentlich hätte ich am liebsten den ganzen Bettel hingeschmissen und wäre zu Hause geblieben. Doch ich verdiente enorm. Ich beschloss also, nur noch zwei Tage die Woche im Büro zu erscheinen. Trotzdem machte ich noch immer 80'000 Dollar im Monat – stellen Sie sich das vor, für zwei Tage Arbeit die Woche...

  • Weitere Auszüge aus dem Exklusiv-Interview mit Jordan Belfort bringt finews.ch in den nächsten Tagen.
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