Nach dem Teilverkauf von Avaloq an den US-Investor Warburg Pincus spricht CEO Francisco Fernandez im Interview mit finews.ch über seine Absichten und vergleicht die Banken mit der Viehzucht.


Herr Fernandez, Avaloq ist mehr als 25 Jahre lang seinen Weg allein gegangen. Nun haben Sie den US-Investor Warburg Pincus an Bord geholt. Was hat zu dieser Entscheidung geführt?

Sie war das Ergebnis unseres Strategieprozesses. Ich habe in den vergangenen zwei Jahren das Managementteam erweitert. Wir haben uns dabei gefragt, wohin Avaloq die nächsten fünf Jahre steuern soll. Ein Börsengang war unsere bevorzugte Option. Dabei war uns schnell klar, dass wir dafür einen potenten Partner brauchen. Denn bis zum Börsengang ist es doch noch ein weiter Weg.

Sie bleiben mit 28 Prozent an Avaloq beteiligt, Mitarbeiter und Management mit 27 Prozent. Waren Sie der Hauptverkäufer an Warburg Pincus?

Nein, alle bestehenden Aktionäre haben einen Anteil verkauft.

Wird ein Teil des Verkaufserlöses in die Firma reinvestiert?

Nein, jeder Aktionär kann mit seinem Geld machen, was er will. Avaloq wird als Firma im selben Ausmass investieren und innovieren wie bisher.

Sie werden künftig CEO und Verwaltungsratspräsident von Avaloq sein. Diese Doppelrolle ist heutzutage eher unüblich.

Es entsprach dem Wunsch von Warburg Pincus, dass ich das Verwaltungsratspräsidium übernehme. Sie halten es für wichtig, dass ich in dem Gremium bin, in dem die strategischen Diskussionen geführt werden.

Welche Schritte stehen jetzt an?

Wir haben vier BPO-Zentren (Business Process Outsourcing) aufgebaut. Davon befinden sich mit Ausnahme der Avaloq Sourcing (die frühere B-Source) alle noch in der Startup-Phase. Sie müssen sich im Markt etablieren, wachsen und profitabel werden.

Das ist ein Teil unserer Transformation vom Software-Unternehmen zu einem integrierten IT-Service-Provider, die noch viel Kapital binden wird. Diese Transformation möchte ich bis zum Börsengang abgeschlossen haben.

Es gab Gerüchte, dass Sie aus finanziellen Gründen einen strategischen Partner an Bord holen müssen.

Das war falsch. Sonst hätten die Aktionäre nicht Anteile verkauft, sondern eine Kapitalerhöhung durchgeführt. Es war für Warburg Pincus ausschlaggebend, als sie in Avaloq investierten, dass die Firma mit einem tiefen Verschuldungsgrad solide finanziert ist. Das Unternehmen verfügt über Barreserven von 100 Millionen Franken und hat auch 2016 sehr gutes und profitables Wachstum gezeigt. Die Firma braucht im Moment kein zusätzliches Kapital.

Mit Warburg Pincus besteht nun aber die Option, frisches Kapital zu bekommen.

Richtig. Sollten wir weitere BPO-Zentren aufbauen oder sich Opportunitäten für Akquisitionen ergeben, haben wir nun einen direkten Zugang zu Kapital, das wir brauchen können, um das Unternehmen reif für den Börsengang zu machen.

«Warburg Pincus hat bereits etwa 140 Börsengänge durchgeführt»

Das ist ein Hauptgrund, mit Warburg Pincus einen finanzstarken Partner gewählt zu haben. Ein weiterer Grund ist natürlich die Expertise: Warburg Pincus hat bereits etwa 140 Börsengänge durchgeführt.

Demnach ist eine Kapitalerhöhung für Avaloq mittelfristig und vor dem Börsengang eine Option?

Ja. Aber Warburg Pincus kann uns auch bei möglichen Akquisitionen unterstützen, beim Financial Engineering etwa. Dieser Aktionär eröffnet uns eine Palette an Möglichkeiten, die wir uns im Alleingang nur schwer hätten erarbeiten können.

Warburg Pincus ist als Investor im IT-Bereich präsent wie auch in der Bankenbranche und verfügt über die entsprechende Expertise. Wie wird Avaloq nun davon profitieren?

Indem wir diesen Pool anzapfen. In den Avaloq-Verwaltungsrat treten nun Daniel Zilberman, Europachef von Warburg Pincus, sowie Fintech-Chef Adarsh Sarma ein. Von Warburg Pincus zählen auch der ehemalige US-Finanzminister Tim Geithner und der frühere CEO der Bank of America, David Coulter, zu unserem Team.

«Diese geballte Erfahrung können Sie auf dem Arbeitsmarkt nicht beschaffen»

Weiter dabei sind René Obermann, früherer CEO von Deutsche Telekom, Murat Mergin, ehemaliger Finanzchef der Turkiye Garanti Bank, und Deepak Parekh, Chairman der Housing Development Finance Corporation in Indien. Ausserdem haben wir das European Advisory Board gebildet. Solches Know-how und diese geballte Erfahrung können Sie auf dem Arbeitsmarkt nicht beschaffen.

Avaloq ist Marktführer in der Schweiz und in Europa vor allem in Deutschland stark vertreten. Ausserdem verfügt das Unternehmen über einen Fussabdruck in Asien. Es liegt also noch viel Marktpotenzial brach.

Der Fokus liegt weiterhin auf diesen Märkten. Doch nutzen wir die Zeit, um weitere Märkte zu analysieren, das sind vor allem die USA und China.

Was ist der Stand der Dinge dort?

In den USA haben wir einige Vereinbarungen abgeschlossen. Das heisst, wir werden unser Angebot dort aufbauen. Die Partnerschaft mit Warburg Pincus wird hierbei von grosser Hilfe sein. Sie kennen den Markt bereits in- und auswendig.

Avaloq positioniert sich als Unternehmen, das die Digitalisierung in der Finanzbranche vorantreibt. In welchem Stadium befindet sich die Branche in dieser Entwicklung?

Wenn Sie das mit der Automobilindustrie vergleichen, steckt die Finanzindustrie noch ganz am Anfang. Mir ist keine andere Branche mit einem dermassen hohen Eigenwertschöpfungsgrad wie der Finanzsektor bekannt.

«Banken würden noch Viehzucht betreiben, um das Leder für die Autositze zu beschaffen»

Auf die Automobilindustrie bezogen: Banken würden noch Viehzucht betreiben, um das Leder für die Autositze zu beschaffen. Nun schauen Sie Porsche an. Der Eigenfertigungsgrad geht hier gegen Null. Praktisch jedes Einzelteil eines Autos wird eingekauft. Porsche designt die Autos noch, baut sie zusammen, vermarktet und verkauft sie. That's it.

Ist das Ihre Vision der Finanzbranche?

Der Industrialisierungsprozess lässt sich nicht aufhalten. Jede Industrie und jedes Unternehmen hat die Aufgabe, für den Kunden den höchsten Wert zu generieren. Je komplexer ein Produkt und ein Herstellungsprozess, desto schwieriger ist die Aufgabe, eine effiziente Wertschöpfungskette mit den besten Komponenten und Prozessen herzustellen. Er folgt darum einer Logik, dass Unternehmen viel mehr outsourcen und einkaufen.

Warum ist das in der Finanzbranche noch nicht geschehen?

Die Hürden sind relativ hoch: Regulation und Kundendiskretion stellen Hindernisse im Outsourcing-Prozess dar. Ausserdem fehlte der Technologie lange die Reife, um Outsourcing effizient betreiben zu können.

«Ich möchte das Vertrauen in die Finanzindustrie wieder herstellen»

Zudem war dem Kostenmanagement im Banking lange Zeit nicht besonders hohe Bedeutung zugemessen worden, weil die Institute alle sehr gut verdient haben. Aber seit der Finanzkrise hat sich dies radikal gewandelt.

Vor 25 Jahren hatten Sie mit der Gründung von Avaloq die Vision, die Abläufe im Banking effizienter zu machen. Was hat sich an dieser Vision geändert?

Ich habe diese Vision erweitert: Ich möchte das seit der Finanzkrise erschütterte Vertrauen in die Finanzindustrie wieder herstellen. IT ist dazu das Werkzeug. Sie sorgt für die Einhaltung von Compliance und verhindert das individuelle Aushebeln von Regeln. Allein die Regulationsflut ist ohne geeignete IT kaum mehr zu registrieren und zu implementieren.

Warburg Pincus hat zahlreiche Börsengänge, andererseits auch Übernahmen und Fusionen durchgeführt. Sind dies auch Optionen für Avaloq?

Sag' niemals nie. Als Unternehmer und CEO einer Firma ist man immer verpflichtet, die besten Lösungen für Kunden und Stakeholder zu wählen. Im Moment ist eine Option ein Börsengang mit einem starken Partner. Aber es wäre falsch, alle anderen Optionen von vornherein auszuschliessen.


Francisco Fernandez hat Avaloq vor 25 Jahren als Spin-off von Martin Ebners BZ-Gruppe gegründet. Innert weniger Jahre gelang es ihm, aus der kleinen Software-Schmiede ein leistungsstarkes IT-Haus aufzubauen, das inzwischen über 2'000 Angestellte beschäftigt und mehr als eine halbe Milliarde Umsatz erzielt.

Avaloq wandelt sich von einer reinen Software-Herstellerin zur Banken-IT-Dienstleisterin, die nun auch Outsourcing-Services bietet. Mit dem Einstieg von Warburg Pincus hat Avaloq eine Unternehmensbewertung von mehr als einer Milliarde Franken erreicht. Ein Börsengang wird in vier bis fünf Jahren angepeilt.

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