Eine Schweizer Stiftung war bis letztes Jahr die Rechtsform der Wahl für Krypo-Firmen. finews.ch zeigt, wie die Branche nach einer Reihe von Skandalen auf den Boden der Tatsachen zurückgefunden hat.

Krypto-Stiftungen haben einen wahren Boom erlebt: 10 Prozent aller letztes Jahr gegründeten Stiftungen stehen im Zusammenhang mit Firmen, die im Bereich der digitalen Währungen tätig sind, wie eine Auswertung von StiftungSchweiz.ch für finews.ch zeigt. Die grosse Mehrheit dieser Neugründungen von 2018 – 23 von 33 Krypto-Stiftungen – haben ihren Sitz im Kanton Zug. 

Die über 13'000 Stiftungen in der Schweiz dienen längst nicht mehr nur philanthropischen Zwecken. Rolex und Victorinox sind namhafte Beispiele für profitorientierte Unternehmen, die von einer Stiftung kontrolliert werden. Auch das WEF, wo man für eine Teilnahme am jährlichen Stelldichein in Davos mindestens 85'000 Franken auslegen muss, gehört dazu. Eine Reihe von Skandalen und die unerwartet anspruchsvolle Regulierung haben den Krypto-Gründern den Appetit auf die Vehikel verdorben. 

Willkommene Nebeneffekte

«Der Boom der Krypto-Stiftungen ist im Sande verlaufen», sagt Oliver Arter, der als Konsulent bei der Zürcher Kanzlei Froriep auf Stiftungsrecht spezialisiert ist. Dabei schien die Rechtsform wie gemacht für Krypto-Unternehmen: Das Konzept entsprach dem in der Branche verbreiteten gemeinschaftlichen Ansatz.

Dass sich mit Stiftungen in der Schweiz viel leichter Geld über Initial Coin Offerings (ICO) einsammeln liess als zum Beispiel in den USA, war ein willkommener Nebeneffekt. Ein weiterer Vorteil war das angenehmen steuerliche Umfeld für Stiftungen hierzulande. 

Wasserdichte Struktur

Eine treibende Kraft hinter Krypto-Stiftungen war die Zürcher Kanzlei MME unter der Führung von Luka Müller. Die schnell wachsende Anwaltsfirma half unter anderem den prominenten Krypto-Firmen Bancor und Ethereum bei der Gründung von Stiftungen.

Die wasserdichte Struktur der Vehikel, wo Aussenstehende praktisch keinen Einfluss nehmen können, schien ideal. Tatsächlich kann sich das zum Bumerang entwickeln. 

Was ging schief? Normalerweise starten Stiftungen mit einem Vermögen, das es über viele Jahre zu verteilen gilt, oft zu wohltätigen Zwecken. «Bei Krypto-Stiftungen fliesst das Geld normalerweise in die umgekehrte Richtung: Projekte werden von Partnern oder externen Investoren finanziert», sagte Raffaella Piraino vom Energy Web Forum, einer gemeinnützigen Organisation, die sich für die Blockchain-Technologie einsetzt. 

«Das macht schon die Verwaltung des Vermögens schwierig.» Piraino weiss wovon sie spricht: Das Energy Web Forum war selbst eine Stiftung, ist aber kürzlich zur Aktiengesellschaft geworden. 

Monatelanges Gezerre

Zwei grosse Skandale haben aufgezeigt, dass Krypto und Stiftungen nicht unbedingt gut zusammenpassen – und dass die Schweizer Behörden wenig bis gar kein Interesse an den entsprechenden Problemen der Krypto-Firmen haben. 

Tezos sammelte 2017 bei einem ICO 232 Millionen Dollar über eine von MME aufgesetzte Stiftung ein. Schon bald darauf kam es zum Zwist zwischen den Gründern des von Tezos und dem von ihnen eingesetzten Stiftungspräsidenten – den sie nun nicht mehr los wurden. Eine Folge des monatelangen Streits war eine Sammelklage von Tezos-Investoren in den USA, die immer noch hängig ist. 

Im Kern dreht sich der Konflikt um die Frage, ob Tezos eine Investition war, von der sich die Geldgeber eine Rendite erhoffen durften. Die Entwickler der Krypto-Währung argumentieren dagegen, es handle sich um eine Spende. MME-Anwalt Müller kommentierte den Tezos-Fall gegenüber finews.ch nicht, hielt allerdings fest, dass Schweizer Stiftungen nicht für kommerzielle Zwecke genutzt werden sollten, darunter der Verkauf von Tokens. 

Unklare Zukunft der Tezos-Stiftung

Dieses Dilemma ist noch nicht gelöst, auch wenn Tezos aufgrund des Disputs eine Aktiengesellschaft gegründet hat. Nachdem sich der Streit der Gründer mit der Stiftung erledigt hatte – angeblich mit einer Zahlung von 400'000 Dollar an den unliebsamen Präsidenten der Stiftung – hat diese mehr Freiheiten. Ob sie jedoch künftig noch eine Rolle spielen wird, ist noch nicht entschieden, sagte Tezos. 

«Es macht keinen Sinn, kommerzielle Aktivitäten in eine Schweizer Stiftung einzubinden, wenn die Beteiligten einen Profit erwarten oder ihren Beitrag als Investition sehen», sagte Arter. 

Cardano, ein weiterer Klient von MME, ist ein zweites Beispiel. Das Krypto-Unternehmen hatte Schwierigkeiten, einen angeblich untauglichen und zur Vetternwirtschaft neigenden Stiftungspräsidenten loszuwerden. Der Streit wurde letztlich privat beigelegt. 

«Eines der Probleme ist, dass viele dieser neuen Stiftungen auf eine standardisierte und simple Art und Weise aufgesetzt wurden, oft mit nur elementarsten Statuten und ohne Klarheit über das geplante Projekt», sagte Arter. Müller sagte derweil, es gebe keine «standardisierte» Form der Stiftung. 

Regulator auf falschem Fuss erwischt

Eine weitere Herausforderung ist die Regulierung. Offiziell ist die Eidgenössische Stiftungsaufsicht dafür zuständig. Diese wurde durch den Erfolg der Krypto-Stiftungen allerdings komplett überrascht. «Es war ein ganz neues Thema» mit ungeklärten Fragen zum Management, der Buchhaltung und der Regulierung, sagte Piraino. 

In der Praxis beschränkt sich die Aufsicht darauf, einmal jährlich die Bücher der Stiftungen zu prüfen. Die Regulierung ist dabei nicht sehr streng. Ein Sprecher der Stiftungsaufsicht wollte dazu keine Stellung nehmen.

Müller sieht den Ruf seiner Kanzlei durch die Krypto-Skandale nicht in Mitleidenschaft gezogen. Bei MME arbeiten etwa 25 Personen an Fintech- und Blockchain-Themen. «Im Gegenteil. Die Etherum Foundation legte den Grundstein für die Entwicklung dieses Bereiches und die personellen Herausforderungen bei Tezos und Cardano führte zur Weiterentwicklung der Governance in der Führung einer Stiftung.»

Nicht leicht zu zähmen

Die Stiftungen erfüllen im Krypto-Bereich durchaus einen Zweck, etwa indem sie die Unabhängigkeit der Währungen wahren und Schutz vor einem plötzlichen Verkauf bieten, sagte Arter. Aber der Boom scheint definitiv vorbei zu sein. 

Laut Piraino spricht ihre Organisation mit vielen Exponenten der Krypto-Szene, vor allem aus dem Ausland, über Schweizer Strukturen. «Wir raten ihnen, die verschiedenen Strukturen genau zu analysieren. Eine Stiftung ist nicht leicht zu zähmen.» 

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.35%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.78%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.88%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.35%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.64%
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