Echte Innovation und Banken vertragen sich vielfach mehr schlecht als recht. Doch im Bereich Decentralised Finance herrscht ein reger Innovationsbetrieb, den Banken nicht ignorieren können, schreibt Blockchain-Experte Pascal Hügli.

Open Finance, hinlänglich auch als «Decentralized Finance» (DeFi) bekannt, befindet sich in einer rasanten Entwicklung. In weniger als einem Jahr hat diese neue Finanzwelt auf der Basis öffentlicher Blockchains einen fulminanten Aufstieg hingelegt: Lag die Marktkapitalisierung von DeFi-Anwendungen Ende Juni 2020 noch bei unter 2 Milliarden Dollar, sind wir heute bei fast 70 Milliarden Dollar angelangt.

Der Zufluss von Finanzmitteln und das Interesse an dieser neuen DeFi-Welt dürfte vor allem ihren Versprechen geschuldet sein: Zugriff und gleich lange Spiesse für alle, weniger Ineffizienz, höhere Transparenz sowie weniger hierarchisch geführte Strukturen.

DeFi heisst Demokratisierung

Immer mehr Menschen stören sich an der steigenden Vermögensungleichheit. Die Schuld wird auch einem sich immer ungerechter anfühlenden Finanzsystem angelastet. Das DeFi-Phänomen will hier Antidot sein. Uneingeschränkter Zugriff und erlaubnisfreie Nutzung sollen Finanzanwendungen vollständig demokratisieren. Auch sollen Finanzapplikationen rund um die Uhr und 365 Tage im Jahr verfügbar sein; mit viel weniger Mittelsmännern – oder ganz ohne – dazwischen.

Pascal Huegli

Pascal Hügli, Finanzexperte und HWZ-Dozent

In der Realität trifft das schon zu: Wartezeiten übers Wochenende kennen DeFi-Nutzer keine mehr. Auch ist der Grossteil aller Applikationen frei zugänglich und nutzbar. Transaktionen, egal ob 15 oder 15'000 Franken überwiesen werden, kosten gleich viel. Aus der traditionellen Finanzwelt bekannte zentralistische Strukturen werden aufgebrochen.

Mitsprache ist möglich

Die Zukunft verschiebt sich in Richtung sogenannter DAOs, dezentralisierte autonome Organisationen also. Basierend auf flachen Hierarchien sind auf der ganzen Welt DAO-Mitglieder verteilt, welche bei der Verwaltung von in Smart Contracts gehaltenen Finanzmittel oder über die Weiterentwicklung eines DeFi-Protokolls mitentscheiden.

Wer darüber hinaus den DAO-eigenen Token hält, ist zur Mitsprache berechtigt. Dank dieses Token-Netzwerkeffektes kann potenziell jedermann schon von Anfang an – und nicht erst nach einem Börsengang – Nutzer, Mitarbeiter und Anteilseigner eines DeFi-Projekts sein.

Tokenisierung öffnet neue Wege

Die fortschreitende Tokenisierung von allem und jedem schafft zudem neue Finanzwerte, die man unabhängig vom eigenen Einkommen als Besicherung für liquide Kredite hinterlegen kann. Während die Reichen und Mächtigen das traditionelle Finanzsystem heute dazu nutzen, ihr Vermögen stetig zu hebeln, um auf diese Weise ihren Reichtum zu mehren, bleiben derartige Praktiken Normalbürgern grösstenteils verwehrt. Mit DeFi nun ändert sich dies. Die gewaltigen Implikationen davon sind heute noch kaum abzuschätzen.

Das Open-Source-Umfeld dürfte aber in der DeFi-Welt Innovationen im Schnellzugtempo und von atemberaubender Vielfalt ermöglichen. So werden Finanzapplikationen möglich, die überhaupt erst nur dank der öffentlichen Blockchain-Technologie realisierbar werden. Atomic Swaps, Yield Farming, autonome Liquiditätspools, dezentralisierte Stablecoins oder auch Flash Loans, um nur ein paar Favoriten zu nennen.

Eine echte Chance für die Banken

Für die Banken stellen die neuen DeFi-Protokolle eine grosse Chance dar. Wer sich als Bank heute Expertise zu diesem Thema aufbaut, kann seinen Kunden morgen kuratierten und gefilterten Zugang zu den neuen DeFi-Applikationen verschaffen. Der Kunde profitiert von attraktiven Erträgen, während sich die Banken einen neuen, noch kaum erschlossenen Einnahmekanal aneignen können. Eine solche Dienstleistung schüfe einen echten Mehrwert.


Pascal Hügli ist Leiter Research für den Vermögensverwalter Schlossberg&Co. Nebenbei engagiert er sich als Moderator, Debattierer und Dozent an der HWZ. Mit seinem neuen Newsletter Insight DeFi möchte er die breite Masse kompetent und prägnant über die Ereignisse und Chancen der neuen dezentralen Welt von Bitcoin und Co. informieren. Auch ist er Autor von «Ignorieren auf eigene Gefahr: Die neue dezentrale Welt von Bitcoin und Blockchain».

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