Der mehrwöchige Ausfall von SNB-Präsident Thomas Jordan kommt zu einem schlechten Zeitpunkt. Die Nationalbank und ihre Geldpolitik sind Zielscheibe vielfältiger Kritik. Und einmal mehr lässt die Kommunikation Fragen offen.

Thomas Jordan ist als Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB) für einige Wochen ausser Gefecht. Der 58-Jährige musste sich am Wochenende einer Herzoperation unterziehen. Die SNB geht aber davon aus, dass Jordan nach seiner vollständigen Genesung wieder in sein Amt zurückkehren wird.

Fragen warf die Kommunikation der SNB zur Stellvertretung Jordans während seiner Abwesenheit auf. Die anstehenden Termine würden Vizepräsident Fritz Zurbrügg, Direktoriumsmitglied Andréa Maechler sowie die stellvertretenden Mitglieder des Direktoriums wahrnehmen, hiess es.

Was ist mit Jordans offiziellem Stellvertreter?

Jordans offizieller Stellvertreter ist Martin Schlegl, auch er ist im Stellvertretenden Direktorium, doch ist er in der SNB-Mitteilung vom Montag nicht erwähnt.

Wie die SNB und das Direktorium Jordans Ausfall verkraften wird, ist schwierig zu beurteilen. Aus dem Inneren der Nationalbank dringt kaum je etwas an die Öffentlichkeit, was nicht explizit für sie bestimmt wäre, und schon gar kein Gerücht über politische Geplänkel.

Kritik nahm im Laufe der Amtszeit zu

Für erhebliches Aufsehen hatte darum vergangenes Jahr eine Reihe von Artikeln über angeblichen Sexismus, Mobbing und Diskriminierung in der SNB gesorgt. Jordan liess die Vorwürfe untersuchen – es sei kein systemisches Problem festgestellt worden, hiess es rund sechs Monate später. Prozesse im Personalbereich mussten aber geprüft werden, und ausserdem stellte die SNB eine Diversitäts-Strategie auf.

Der Ökonom Jordan ist seit über 25 Jahren bei der SNB und seit 2012 deren Präsident. Die knapp zehnjährige Amtszeit ist durch das fortdauernde Negativzins-Regime geprägt sowie eine anhaltende Bilanzausweitung der Nationalbank. Kritik ist an Jordan immer abgeperlt, echte Alternativen zur Bekämpfung der Frankenstärke schienen in den vergangenen Jahren keine vorhanden.

Anlagepolitik im Visier

Doch das hat sich in jüngeren Jahren geändert. Die Vollgeld-Initiative meisterte die SNB unbeschadet, aber ihre gewaltigen Buchgewinne mit den Gold- und Währungsreserven wecken in der Schweizer Politik immer mehr Begehrlichkeiten, wie auch finews.ch verschiedentlich berichtete. Der Nachhaltigkeits-Boom in der Finanzgemeinde machte zudem vor der SNB nicht halt.

Die Kritik an der Anlagepolitik der Währungshüter, die ein Aktien-Portfolio von über 150 Milliarden Franken halten, reisst nicht ab. Schon in früheren Jahren blieb SNB gegenüber Kritik an Investments in der Rüstungsindustrie stur. Auch gegenüber Forderungen, aus potenziell klimaschädlichen Investments komplett auszusteigen, begegnet die SNB mit dem immer wieder hervorgebrachten Argument, sie investiere passiv und neutral.

Eine neue Strategie gefordert

Geschmerzt haben muss Jordan aber die Kritik von Dirk Niepelt. Der Ökonomieprofessor leitet das Studienzentrum Gerzensee, eine Stiftung der SNB. Niepelt steht der SNB also zumindest sehr nahe. Dennoch schrieb der in Bern lehrende Deutsche kürzlich in einem langen Leitartikel in der «Neuen Zürcher Zeitung» (bezahlpflichtig), die SNB brauche eine neue Strategie.

Niepelt nahm darin die unter Geldpolitikern kursierende Kritik am anhaltend tiefen Inflationsziel der SNB auf sowie jene an der Breite des Zielbandes. Er vollführte einen eigentlichen Rundumschlag: Wie die SNB jeweils zur ihrem vierteljährlich Inflationsziel gelange? Man wisse es – im Gegensatz zur US-Fed und zur EZB – nicht. Wie die SNB die Begehrlichkeiten zur Gewinnausschüttung beenden könne? Mit Hilfe eines Ausschüttungsfonds. Die Haltung der SNB zu elektronischem Zentralbankengeld? Dazu sei sie im Prinzip nicht mandatiert, nur zur Geldpolitik. Die Kommunikation der SNB insgesamt? Kenntnisse zum Prozess der Meinungsbildung innerhalb der SNB habe niemand.

Wagenburg-Mentalität

Niepelt kommt zum Schluss, dass die SNB ihre Strategie überprüfen und überarbeiten müsse, so wie das die Fed und die EZB getan hätten.

Es ist demnach nicht gerade ein Pulverfass, welches Jordan nun für einige Wochen in den Händen seiner Direktoriumsmitglieder überlässt. Aber dass die Währungshüter sich – wie die gesamte Finanzindustrie auch – einem Wandel und entsprechenden Forderungen nicht verschliessen kann und ihre bisherige Wagenburg-Mentalität beibehält, wird nun immer deutlicher.

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