Mit einem umfassenden Massnahmenpaket will sich die Stadt Lugano als Finanzplatz und Wirtschaftsstandort der Zukunft profilieren. Es ist ein kühnes und gleichzeitig überraschendes Vorhaben. 

Die Stadt Lugano, die in den vergangenen zehn Jahren in wirtschaftlicher Hinsicht eher ein Mauerblümchen-Dasein fristete, präsentiert sich neuerdings als Finanzplatz der Zukunft. Daran besteht spätestens seit dem (gestrigen) Donnerstag kein Zweifel mehr.

Die Stadt hat mit dem in Hongkong ansässigen Technologie-Unternehmen Tether eine weitreichende Zusammenarbeit beschlossen. Diese zielt darauf ab, die Verwendung von Kryptowährungen in der Geschäftswelt wie auch im Alltag zu fördern und gleichzeitig Lugano zu einem internationalen Blockchain-Zentrum zu entwickeln.

Stabiler Coin

Tether betreibt die Plattform für den weltweit grössten Stablecoin. Dabei handelt es sich um eine Kryptowährung, die sich an einen unterliegenden Wert – in diesem Fall der Dollar – orientiert, so dass der Kurs nur geringfügig schwankt.

Unterstützt werden diese Pläne mit einer Vielzahl von Initiativen, die kaum einen Zweifel daran lassen, dass es die Stadt Ernst damit meint, wie am (gestrigen) Donnerstag an einer Orientierung mit rund 1'500 Teilnehmenden in Lugano zu erfahren war.

Städtische Kryptowährung

Damit begibt sich die mit rund 65'000 Einwohnern grösste Stadt im Tessin in direkte Konkurrenz zum «Crypto Valley» Zug, das bislang die Führungsrolle in der schweizerischen Kryptowelt für sich beanspruchte. Doch das könnte sich nun ändern, sofern es Lugano gelingt, seine ambitionierten Pläne umzusetzen.

«Lugano investiert in seine Zukunft», erklärte Luganos Bürgermeister Michele Foletti am Donnerstag. «Unsere Zusammenarbeit mit Tether wird eine bessere und offenere, transparentere und intelligentere Stadt schaffen.» Die Ankündigung ist die jüngste Entwicklung eines Prozesses, den Lugano vor knapp zwei Jahren eingeleitet hat.

Neben einer städtischen App und einer eigenen Kryptowährung namens Luga entwickelte die Stadt auch die Blockchain 3Achain, mit der bereits rund 30 Partner aus öffentlichen wie auch privaten Unternehmen der Schweiz arbeiten.

Startup-Hub und Stipendien

Dieser Cluster soll nun weiter ausgebaut und breiten Kreisen der Bevölkerung wie auch der Wirtschaft zugänglich gemacht werden. «Wir stellen uns eine Zukunft vor, in der Unternehmen aller Grössenordnungen in der Lage sind, die Blockchain-Technologie zu nutzen, um die Lebensqualität zu verbessern und nachhaltigere Finanz- und Alltagsdienstleistungen anzubieten», sagte Paolo Ardoino, technischer Direktor bei Tether. Mit einer Videobotschaft meldete sich auch Tether-CEO Jan Ludovicus van der Velde zu Wort und beschrieb die Blockchain-Welt von morgen in den buntesten Farben.

Konkret will Lugano in einem Startup-Hub mehr 25 Jungunternehmen ansiedeln, die sich mit der erwähnten Technologie befassen. Finanziert wird dieses Vorhaben über verschiedene Fonds mit mindestens drei Millionen Franken, die von privater Seite kommen sollen. Mit diesen Mitteln sollen auch Stipendien für mehr als 500 Studentinnen und Studenten in Lugano vergeben werden, die sich mit Kryptowährungen und Dezentralized Finance (DeFi) auseinandersetzen.

Bestattungskosten mit Bitcoin bezahlen

Im Alltag soll es schon bald möglich sein, sämtliche Gebühren, Steuern und anderen Abgaben mit Bitcoin, Tether und dem lokalen Stablecoin Luga zu bezahlen, darunter auch die Hundesteuer, Einbürgerungsgebühren oder Bestattungskosten, wie am Donnerstag weiter zu erfahren war. Darüber hinaus arbeitet Lugano daran, dass mehr als 200 Geschäfte die erwähnten Kryptowährungen akzeptieren.

Ein im kommenden Oktober stattfindendes Bitcoin World Forum soll Lugano dann definitiv zu einem Nabel der Kryptowelt machen. So umfassend und zielstrebig dürfte noch kaum eine Stadt diese Technologien der Zukunft an die Hand genommen haben. Lugano kommt dabei sicherlich seine überschaubare Grösse und die vergleichsweise gut funktionierende Infrastruktur zugute.

Mining mit «grüner» Energie

Das bereits vorhandene Finanz-Knowhow der ansässigen Banken, unabhängigen Vermögensverwalter aber auch Treuhänder und Steuerexperten trägt ein Weiteres dazu bei, dass gute Rahmenbedingungen für dieses Vorhaben durchaus bestehen.

Schliesslich will Lugano auch ein Augenmerk auf die Erforschung und Förderung von erneuerbarer Energie setzen, zumal das Mining von Kryptowährungen sehr viel Strom erfordert. Ziel soll dereinst sein, dass Kryptowährungen in Lugano ausschliesslich mit «grüner» Energie entstehen.

Kritische Stimmen

Ein paar kritische Fragen werden sich die städtischen Verantwortlichen bei ihrem Vorhaben doch gefallen lassen müssen. Denn die Firma Tether ist nicht über alle Zweifel erhaben.

So musste sich das grundsätzlich intransparente Unternehmen 2019 den Vorwurf gefallen lassen, den Verlust von insgesamt 850 Millionen Dollar auf seinem System verschleiert zu haben. Ausserdem ist die Deckungssituation des Stablecoins Tether unklar und nicht ausschliesslich mit Dollar, sondern auch mit anderen Kryptowährungen und Krediten unterlegt.

Ausserem könnte der Sitz des Unternehmens in Hongkong mittelfristig auch zu kritischen Fragen führen, zumal die einstige britische Kronkolonie immer stärker unter die Kontrolle Chinas gerät.

Luganos Plan B

Das insgesamt als Luganos «Plan B» angekündigte Projekt passt indessen zum Ansinnen der Stadt, seinen Finanzplatz nach Jahren des Niedergangs zu revitalisieren und sich als kleine, aber feine Anlaufstelle für eine lokale, aber auch internationale und nun auch jüngere Kundschaft zu empfehlen.

Im Gegensatz zu Zug verfügt die grösste Stadt im Tessin bereits über ein Cluster, das alle Stakeholder für einen Finanzplatz der Zukunft umfasst, also Unternehmen, Hochschulen, die Behörden sowie Stiftungen und andere Förderorganisationen. Der Wille zur Zusammenarbeit scheint nun so gross wie kaum je zuvor zu sein.

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