Christian Takushi vertritt oftmals Ansichten, die vom politischen und medialen Konsens in der Schweiz abweichen. Gegenüber finews.ch zeichnet der Berater und Ex-Banker mit Blick auf den Ukrainekrieg und die Konjunktur ein Bild voller Risiken und harten Realitäten.

«Die westliche Sicht auf den Ukrainekrieg ist nicht die einzig mögliche», sagt Christian Takushi im Gespräch mit finews.ch. Man müsse in der Lage sein, einen Schritt zurückzutreten und auch andere Sichtweisen auf die neue politische Lage in Europa und der Welt zu verstehen, betonte er am Rande einer Veranstaltung der Union Bancaire Privée (UBP) am vergangenen Mittwoch in Zürich.

«Bei der letzten Uno-Resolution gegenüber Russland, bei der es um den Ausschluss aus dem Menschenrechtsrat ging, haben sich 82 Länder trotz unserer massiven Drohungen entweder enthalten oder dagegen gestimmt.» Sein Fazit: Der Westen sollte solch wichtigen Ländern nicht drohen oder ihnen von oben herab Anweisungen erteilen. «Das ist als undemokratischer Kolonial-Stil angekommen», betont Takushi.

Schwindender Respekt

Unter den Enthaltungen bei der Uno-Resoltion hätten sich viele wirtschaftlich bedeutende und bevölkerungsreiche Länder befunden wie Indien, Brasilien, Südafrika, Mexiko, Ägypten, Saudi-Arabien, Pakistan, Thailand, Malaysia oder Indonesien.

«Die meisten von ihnen haben weniger Schulden und eine nachhaltigere Geldpolitik als der Westen», gibt der Ex-Banker zu bedenken. Auch werde die vermeintliche Doppelmoral des Westens kritisiert, dies unter Verweis auf die vielen Kriege, die von dort aus geführt wurden. «Der Respekt vor dem Westen war schon vor dem Ukrainekrieg weitgehend verschwunden.»

Über unsere Verhältnisse gelebt

«Der Westen ist isoliert wie nie zuvor», sagte er. Der Grund sei aber nicht, dass man nicht die Aggression Russlands verurteile. «Viele dieser Länder sind seit Jahren wirklich wütend auf den Westen und sehen, dass wir in den vergangenen Jahrzehnten über unsere Verhältnisse gelebt haben, aber auf ihre Kosten – Hoffnungslos überschuldet drucken wir einfach Geld, um unsere Defizite und Import-Rechnungen zu zahlen.»

«Die scharfen Sanktionen gegenüber Russland, etwa mit dem Ausschluss aus dem Zahlungssystem, haben nicht nur in China die Alarmglocken schrillen lassen. Auch die Eliten in anderen Ländern denken nun darüber nach, wie man sich für einen solchen Fall wappnen kann und man sucht auch Wege zur Kooperation untereinander. Jahre des Ärgers über unsere mangelnde Fiskal- und Geld-Disziplin mündet nun in entschiedenem Handeln. Dies wird unseren Interessen schaden.»

«Europa hat sich die Falle selbst gestellt»

«Ich habe seit mehr als zehn Jahren gegenüber Politikern und Unternehmen davor gewarnt, sich von autoritär und undemokratisch regierten Ländern abhängig zu machen. Doch mir wurde immer entgegnet, da kann gar nichts passieren.» Durch den Handel und die internationale Verflechtung sei ein Konflikt gar nicht möglich. Das habe sich als Fehler erwiesen, und insbesondere Europa hat sich damit selbst eine Falle gestellt.

Der Kontinent sei auf der Rohstoffseite von Russland abhängig und bei den Lieferketten von China. Jetzt gebe es Probleme auf beiden Seiten, was unweigerlich die stark steigende Inflation zusätzlich beflügle.

«Die Notenbanken und Regierungen befinden sich jetzt in einem Dilemma, aus dem es keinen Ausweg gibt. Die Zinsen müssen trotz der enorm hohen Verschuldung steigen und das wird für die gesamte Wirtschaft und die Konsumenten Folgen haben.»

Geldpolitik im Dilemma

In den vergangenen mehr als zehn Jahren habe der Westen auf jede Krise mit einer erneuten Lockerung der Geldpolitik reagiert. Das räche sich nun. «Das Geld aus der Notenbankpresse ist in die Unternehmensgewinne und die überhöhten Bewertungen in allen Assetklassen geflossen. Die realen Einkommen der breiten Bevölkerung hat davon nicht profitiert.» In Amerika sei nur das oberste 1 Prozent der Haushalte einkommensmässig wirklich besser dran als im Jahr 1980.

Die Geldpolitik habe es lange geschafft, eine Rezession zu vermeiden. Aber das funktioniere nun nicht mehr. «Man kann nicht 10 Prozent Inflation mit 1 Prozent Zinsen in den Griff bekommen. Man muss die Nachfrage abwürgen und die überhöhten Bewertungen abbauen.»

Der Krieg in der Ukraine und die geopolitische Lage würden dem Westen nun damit geradezu in die Hände spielen. «Der Krieg stört die Investitionen und hemmt die Nachfrage – er hilft also das aufgestaute enorme Inflationspotenzial in den G7-Staaten einzudämmen. In der jetzigen Lage hat der Westen wirtschaftlich gesehen kein Interesse den Krieg schnell zu beenden und ich fürchte einen sich lange hinziehenden Konflikt.»


Christian Takushi ist ein selbstständiger geopolitisch-ökonomischer Berater und zählte 2016 zu dem kleinen Lager der Analysten, die sowohl den Brexit als auch die Wahl des ehemaligen US-Präsidentden Donald Trump vorhergesagt hatten. Er hat jahrelang als Stratege sowie als Fonds- und Portfoliomanager bei Instituten wie Swisscanto, BCV oder Credit Suisse gearbeitet. Takushi studierte Volkswirtschaft an der Universität Zürich.

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