Chief Technology Officer Paolo Ardoino erklärt finews.ch, warum der Stablecoin von Tether den Angriffen von Hedgefonds und den Turbulenzen auf den Kryptomärkten standhält. Auch für den Bürgermeister von Lugano ist Tether immer noch ein Versprechen für die Stadt.

Die Auswirkungen auf Tether nach dem TerraLuna-Absturz waren unmittelbar und beispiellos: Grosse Hedgefonds kündigten an, dass sie die Anbindung von Tether an den US-Dollar durch Leerverkäufe testen würden – und haben dies seither getan.

Innerhalb von 48 Stunden nach dem Zusammenbruch von TerraLuna war Tethers Stablecoin gezwungen, Rücknahmen im Wert von 7 Milliarden Dollar vorzunehmen. «Das waren 10 Prozent unseres gesamten Vermögens», sagt Chief Technology Officer Paolo Ardoino gegenüber finews.ch.

Enorme Abflüsse

In der jüngeren Finanzgeschichte gibt es nur einen Fall, in dem ein Institut versucht hat, 10 Prozent seines Vermögens zurückzukaufen, fügt Ardoino hinzu und verwies auf den Konkursantrag von Washington Mutual im Jahr 2008, bevor das Unternehmen von J.P. Morgan übernommen wurde. «Sie hatten 10 Tage Zeit und sind gescheitert.»

Von den Abflüssen bei Tether gingen 30 Prozent an den Stablecoin USDC. Der Rest verliess das Krypto-Universum komplett, was ein Loch in die Marktkapitalisierung von Tether gerissen hat. Diese liegt nun bei 63 Milliarden Dollar liegt, gegenüber 83 Milliarden Dollar anfangs Mai.

Perfekter Sturm

Neben dem TerraLuna-Crash haben nach Ansicht von Ardoino die Überschuldung von Kreditgebern und der Anstieg der Zinssätze für Dollar-Anlagen quasi einen perfekten Sturm ausgelöst. Dadurch wurden Milliarden von Dollar aus der Kryptobranche abgezogen.

Höhere Zinssätze führten gemäss Ardoino dazu, dass die Leute ihr Geld auf der Bank liessen, da sie keine Rendite auf den Stablecoin erzielen konnten. «Gleichzeitig hat die hohe Fremdverschuldung den Markt schon zu lange belastet», so Ardoino.

Silberstreif am Horizont

Bei Tether werde das Risikomanagement ernst genommen. Im Gegensatz dazu hätten viele Unternehmen im Ökosystem den Händlern Kredite ohne jegliche Sicherheiten gewährt. «Dies hat eine enorme Hebelwirkung im System erzeugt, was den Bitcoin-Preis auf 18’000 Dollar gedrückt hat», sagt er.

Ein Silberstreif am Horizont ist, dass Tether sich gerade im Crash von anderen Stablecoins abheben konnte: «Während Terra durch seinen eigenen Token Luna im Wesentlichen durch Goodwill gestützt wurde, basiert Tether auf einem liquiden Portfolio harter Vermögenswerte», betont Ardoino.

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Paolo Ardoino, CFO bei Tether (Bild: Lugano Plan B)

Dennoch sind Hedgefonds immer noch Leerverkäufer von Tether und drücken den Preis nach unten, indem sie die Münzen zu einem niedrigeren Preis zurückkaufen, als sie sie zuvor verkauft haben. Market Maker nutzen die Preisverzerrungen. Sie kaufen diese «billigeren» Tether und tauschen sie gegen Tether für 1 Dollar pro Münze ein, wobei sie die Differenz einstecken.

Für Ardoino ist die Situation klar – unabhängig von der Marktdynamik oder davon, ob Tether von Arbitrageuren angegriffen wird. «Als Stablecoin ist es unsere einzige Aufgabe, den Leuten Geld zurückzugeben, wenn sie danach fragen», sagt er.

Kritik an der Qualität der Reserven

Natürlich hängt die Fähigkeit des Unternehmens zu ständigen Rückzahlungen von der Qualität der Tether-Reserven ab. Bei Kritikern des Unternehmens sind hierzu Zweifel aufgekommen. Dabei sind die Commercial Papers in der Vergangenheit am stärksten ins Visier genommen worden.

Gegenwärtig besteht der Grossteil der Vermögenswerte von Tether aus US-Staatsanleihen, so Ardoino. Tether hat den Bestand an Commercial Papers von 45 Milliarden Dollar vor 10 Monaten auf 8,4 Milliarden Dollar reduziert; bis zur zweiten Hälfte dieses Jahres soll er vollständig abgebaut werden.

Offenlegung der Reserven

Laut einem Blog-Post von Tether wird die Skepsis von Hedgefonds bewusst mit Fehlinformationen geschürt. Damit sollen die Märkte in jene Richtung geleitet werden, die Spekulanten selber für eine Gewinnspanne ausnutzen. Ardoino verbringt einen Grossteil seiner Zeit damit, die Qualität der Stablecoin-Reserven zu erklären und die Community aufzuklären, von denen nicht alle aus dem Finanzsektor kommen.

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Michele Foletti, Bürgermeister von Lugano (Bild: Stadt Lugano)

Zumindest Luganos Bürgermeister Michele Foletti (Bild oben) zweifelt nicht daran, dass Tether unterstützt wird. Er hat das Kryptounternehmen als Partner des «Plan B» der Stadt begrüsst. Diese Initiative baut auf der institutionellen Blockchain 3Achain der Stadt auf, welche den lokalen Unternehmen zur Verfügung steht. Gleichzeitig wird die Verwendung weiterer Kryptowährungen in der Stadt gefördert.

Stadt Lugano als weltweite Vorreiterin

Als Ardoino im Oktober letzten Jahres mit Vertretern der Stadt zusammentraf, stellte er schnell fest, dass die Behörden in ihren Digitalisierungsbemühungen weit fortgeschritten waren. Ardoino attestiert ihnen ein hohes Mass an Verständnis für «verteilte Kontenbücher», die sie für juristische Zwecke, etwa für die Beglaubigung von Dokumenten, verwendeten.

Neben dem Aufbau einer eigenen Blockchain hatte die Stadt ihre eigene digitale Währung «LVGA» eingeführt. Auf der Cashback-App «MyLugano» kann mit «LVGA» bezahlt und können Punkte gesammelt werden. Rund 10 Prozent der 70’000 Einwohner der Stadt haben sich seit der Einführung im vergangenen Jahr dafür angemeldet.

«Lugano war mit dem, was sie geschaffen haben, weiter als jede andere Stadt oder jedes andere Land der Welt», lobt Ardoino.

Kritiker plötzlich stumm

Die Stadt hat sich zum Ziel gesetzt, ihre Leistungen an die Einwohner bis 2028 vollständig zu digitalisieren und sich als Krypto- sowie Blockchain-Drehscheibe zu etablieren. Für ihre dazu eingegangene Partnerschaft mit Tether musste sie einiges an Kritik einstecken. «Einige Gegner kritisierten die Nutzung von Energie durch die Kryptoindustrie und äusserten Bedenken, dass Kryptowährungen zur Geldwäsche und für kriminelle Aktivitäten genutzt werden könnten», so Foletti.

Erstaunlicherweise blieben die Kritiker nach dem Zusammenbruch von TerraLuna stumm. Für Foletti liegt es daran, dass «die Menschen verstehen und schätzen lernten, was die Stadt tut».

Geld geht auf der Bankenseite verloren

Im Hinblick auf die Sicherheitsbedenken, «gibt es keinen Zusammenhang zwischen der Zahl der Cyberangriffe und der Ankündigung von Plan B», versicherte der Bürgermeister. Die Risiken lägen oft bei Einzelpersonen und Unternehmen, die sich nicht um den notwendigen Schutz kümmern.

«Ausserdem geht der Grossteil des Geldes auf der Bankenseite verloren», sagt Ardoino. Das Problem sei, dass Banken ohne öffentliches Kontenbuch nicht transparent sind. Dies mache es schwierig, Gelder zurückzuverfolgen, sobald sie verschwunden sind.

Tether hingegen ist in der Lage, Vermögenswerte auf der Blockchain einzufrieren, zu verfolgen und zu blockieren. Das Unternehmen hat Strafverfolgungsbehörden, Privatunternehmen und Privatpersonen dabei geholfen, in den vergangenen 24 Monaten Stablecoin im Wert von mehr als 180 Millionen Dollar zurückzuholen», betont Ardoino.

Hilfe für unterentwickelte Finanzsysteme

Der Konkurrent USDC wendet sich mit dem Ziel an das traditionelle Bankensystem, den Dollar zu ersetzen. Tether sieht sich hingegen als Ergänzung zu den Banken, erklärt Ardoino. Tether habe den Stablecoin mit dem Gedanken geschaffen, dass die Banken bereits die beste Form des Dollars haben und die Wall Street das beste Bankensystem hat, um Dollar zu bewegen.

Es sind jene 2 Milliarden Menschen, die keinen Zugang zu einem Bankkonto haben, und jene 4 Milliarden, die schwachen und volatilen nationalen Währungen ausgesetzt sind, die Tether mit seinen Diensten erreichen will.

Vielleicht ein guter Startpunkt

Beim Vergleich zwischen Tether und USDC sagt Ardoino: «Wir sind beide 1 Dollar auf einer Blockchain». Aber USDC konzentriere sich darauf, Banken Dienstleistungen anzubieten, während Tether Menschen in Argentinien, Brasilien, Venezuela, El Salvador, Indien, der Türkei und fast überall in Afrika Dienstleistungen anbieten wolle.

Für Ardoino macht es keinen Sinn, mit Banken zu konkurrieren. Tether wolle den Menschen dienen, die von den Banken nur schwer bedient werden können, was an deren hohen Kosten aufgrund ihrer veralteten Technologie liege.

Vielleicht ist die Blockchain 3Achain in Lugano ein guter Startpunkt für Schweizer Banken.

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