Er lag mehrfach richtig mit seinen Prognosen. Jetzt erwartet der Ökonom Walter Wittmann eine rabenschwarze Epoche. Wie kann man sich wappnen?


WalterWittmannWalter Wittmann ist emeritierter Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Freiburg. Unter anderem veröffentlichte er 2007 «Der nächste Crash kommt bestimmt», in dem er die nachfolgenden Ereignisse vorweg nahm. Im Frühjahr 2010 erschien sein nicht weniger prophetisches Buch «Staatsbankrott».

Ein Bild seiner Prognosefähigkeit erhält man auch beim Rückblick aufs Interview, das Wittman finews.ch Anfang Februar 2011 gab: «Das Gold liegt nicht mal auf der Hälfte des Niveaus von 1980».


 Herr Wittmann, Sie erwarten zehn Jahre mit enttäuschenden Wachstumsraten, eine Phase, die alles in den Schatten stellen dürfte, was wir von der Finanz- und Schuldenkrise seit 2007 bis 2009 kennen. Wie kann man sich als Anleger da wappnen?

Zum Beispiel, indem Sie Anleihen meiden. Bei Aktien sollte man nur mit Stopp-Loss-Aufträgen operieren. Und wenn jemand deshalb dann zum Ausstieg gezwungen sind, sollte er Cash bewahren. Das ist wohl das wichtigste in solchen Zeiten: Cash.

Nach den jüngsten Geldschwemmen müssen wir doch mit Inflation rechnen.

Das ist so. Aber die Frage lautet momentan, wie lange die Teuerung verzögert werden kann – jetzt haben wir noch keine Inflation. Potenziell ist die Inflation jedoch tatsächlich das grosse Thema...

...und da nützt einem Cash auch nicht viel.

Nein, dann ist Gold gut. Das ist ja auch der Trend – die Menschen flüchten in Gold. Wenn Sie auf einen Indikator wie den MACD schauen, sehen Sie als untersten Punkt im Trend bei 1550 Dollar pro Unze, der mittlere Punkt ist bei 1750, und jetzt kann es in der Spitze bis 2100 Dollar gehen.

In welchem Zeitraum?

Relativ kurzfristig. Wenn der Kurs einmal ausbricht, braucht es nicht lange. Ich denke, das ist eine Sache von Tagen und Wochen.


«Was heisst denn Goldblase? Stellen Sie sich vor, eine Bankenkrise bricht aus oder die ersten Staatsbankrotte werden verkündet»


 Es gibt aber auch ernstzunehmende Leute, die im Gold bereits eine Blase sehen.

Die sahen schon eine Blase bei 1'200 oder 1'500 Dollar pro Unze. Was heisst denn Blase? Natürlich ging der Kurs stark nach oben, aber die Rahmenbedingungen sind doch so, dass der Goldpreis weiter aufwärts streben kann. Wir haben zum Beispiel noch überhaupt keine Panik – stellen Sie sich vor, eine Bankenkrise bricht aus oder die ersten Staatsbankrotte werden verkündet: Dann kann es nochmals rasant hinaufgehen mit dem Goldpreis. Denn wohin flüchten die Leute sonst?

Und mit solchen schweren Krisen rechnen Sie offenbar im «verflixten Jahr 2012».

Das ist zumindest möglich. Bereits hält Griechenland seine Ziele nicht ein, andere Staaten werden ebenfalls Probleme kriegen. Und wenn die Wirtschaft, wie erwartet, in eine Rezession gerät, gibt es logischerweise weniger Steuereinnahmen. Auf der anderen Seite erwarten den Staat mehr soziale Aufwendungen. Die Tendenz geht also hin zu steigenden Staatsdefiziten – nicht sinkenden.

Wie können sich Anleger sonst noch wappnen? Sie haben gesagt: keine Staatsanleihen, mehr Bargeld, mehr Gold...

...und wenn jemand Schulden hat, soll er sie abbauen. Also auch die Hypotheken weitmöglichst abzahlen. Erstes Ziel muss sein, keine Schulden zu haben. Denn wenn die Inflation kommt, steigen die Hypothekarzinsen rasant. Es ist zu befürchten, dass viele dann in die Klemme kommen, auch in der Schweiz.

Wären nicht andere Edelmetalle, wo derzeit weniger Fantasie drinsteckt, attraktiver als Gold?

Gewiss, Silber ist auch gut; die anderen Edelmetalle sind zu kompliziert, das ist etwas für Spezialisten.


«Bislang gehörte die UBS jedenfalls nicht zu den Häusern, die sehen, was kommt»


 Was ist mit den Aktien? Wir reden wie gesagt vom Szenario einer langen Schwächephase von zehn Jahren und mehr.

Ganz einfach: Wir laufen in eine lange Baisse hinein. Es gab beispielsweise von 1925 bis 1937/1938 eine lange Phase, wo die Märkte fast nur seitwärts tendierten. Aber hervorragende Werte können Sie natürlich immer halten. Schwierig ist es nur, die richtigen zu wählen. Normalerweise gelten ja Versorgungsaktien als ideal für solche Phasen, aber in Deutschland haben wir es ja bei Fällen wie RWE und E.on gesehen – die haben sich halbiert. Denn sie sind politischen Gefahren ausgesetzt.

Industriewerte?

Die machen auch selten Sinn, denn angesichts der drohenden Entwicklung erwirtschaften die Unternehmen nicht mehr viel Gewinne. Bleiben also die Grundbedürfnisse: Nahrungsmittel und ein Minimum an Pharma. In der Schweiz erachte ich eigentlich nur Nestlé und Novartis als aussichtsreich, sonst würde ich überhaupt nichts anrühren.

Was würde eine lange Niedergangsphase für die Finanzbranche bedeuten? Es könnte ja immerhin sein, dass uns eine noch viel längere Ära des billigen Geldes bevorsteht.

Ja, die Grossbanken spekulieren jetzt schon wie vor der Krise. Und schon sind sie wieder voll mit maroden Staatsanleihen. Wenn ich lese, dass die UBS wieder der weltgrösste Aktienhändler ist, beruhigt das nicht gerade; man muss versuchen sich vorzustellen, was ein wirklicher Crash hier bedeuten könnte. Bislang gehörte die UBS jedenfalls nicht gerade zu den Häusern, die sehen, was kommt.

Das heisst: In der Finanzbranche gibt es eine Konsolidierung.

Die kommt sowieso. Es ist zu befürchten, dass verschiedene Grossbanken pleite gehen werden. Sie sind dann immer noch «Too big to fail», aber der Staat wird sie nicht mehr retten können.

Auch hier: Wie könnte ich mich gegen solch ein Worst-Case-Szenario wappnen?

Indem ich keine Bankenpapiere halte. Und auch keine Versicherungstitel. Die Versicherungen sind ja immer falsch investiert. Es ist bezeichnend, dass sie den ganzen Aufstieg der Börsen ab März 2009 verpasst hatten. Die Baisse von 2002/2003 endete auch genau dann, als die Versicherung alle Aktien verkauft hatten.

Zum Grundsätzlichen: Die Kontratjeff-Theorie der langen Wellen erklärt sich damit, dass der Mensch nur phasenweise grosse technologische Durchbrüche schafft, die dann der Wirtschaft Schub verleihen. Mal waren es die Eisenbahnen, dann die Elektrizität und das Automobil, und so weiter.

Genau. Der letzte Zyklus, der 1983 abhob, lebte stark vom Mikroprozessor mit all seinen vielen Auswirkungen.

Und jetzt verspüren wir einen Niedergang, weil die Fortschritte durch die Digitalisierung weitgehend gemacht sind?

Ja, Nanotechnologie und Biotechnologie alleine genügen beispielsweise nicht für einen neuen grossen Sprung. Dort kann man höchstens weiterentwickeln auf der Basis von bestehenden Technologien.