Wealth Management: Wie die Schweiz von den USA lernen kann

Ein Generationenwechsel rollt auf die Schweizer Vermögensverwalter zu. Ein Blick in die USA zeigt, wie Skalierung, Nachfolge und Private-Equity-Investoren das Wachstum beschleunigen können.

Die unabhängige Vermögensverwaltungsbranche in den USA hat in den vergangenen Jahrzehnten eine beachtliche Entwicklung vollzogen. Vor allem die sogenannte RIA-Industrie (Registered Investment Advisors) hat sich von kleineren Boutique-Firmen zu hoch skalierbaren Plattformen gewandelt. Dabei gibt es sowohl strukturelle Unterschiede zur Schweiz als auch zahlreiche Gemeinsamkeiten – mit wichtigen Erkenntnissen für den Schweizer Markt.

Zwei Systeme mit vergleichbarer Mission

Während unabhängige Vermögensverwalter (UVVs) in der Schweiz meist aus dem Private Banking hervorgegangen sind, entwickelten sich RIAs in den USA aus traditionellen Brokerage-Häusern – den sogenannten Wirehouses. Dennoch vereint beide Modelle ein zentrales Ziel: Sie wollen ihren Kunden einen unabhängigen, langfristig orientierten Anlageansatz bieten – abseits von Konzerninteressen.

Sowohl in den USA als auch in der Schweiz ist die Branche vergleichsweise jung: Die Professionalisierung begann in beiden Ländern vor rund drei Jahrzehnten. Heute beschäftigen sich UVVs und RIAs mit denselben Kernthemen – nachhaltigem Wachstum, regulatorischem Druck, intergenerationaler Kundenbindung und struktureller Nachfolge. 

USA Vorbild in Sachen unternehmerischer Geist  

Ein wesentlicher Unterschied liegt in der Kundengewinnung. «Amerikanische Berater mussten ihre Kundenbeziehungen von Grund auf selbst aufbauen, während Schweizer Berater oft als Assistenten begannen und im Laufe ihrer Karriere Kunden aus bestehenden Strukturen übernahmen», sagt Fernand Schoppig, CEO von FS Associates, einer internationalen Beratungsfirma für Investmentmanagement.

Dieses unternehmerische Element hat die gesamte Branche geprägt. In der Schweiz hingegen wechselten viele Berater von einer Grossbank in die Unabhängigkeit und nahmen Kunden mit – was zu einer stärkeren Abhängigkeit von bestehenden Netzwerken führte. 

Das hat Folgen: Amerikanische RIAs sind oft marketingorientierter, technologieaffiner und experimentierfreudiger – Eigenschaften, die ihnen auch bei der Skalierung helfen. Gleichzeitig setzen sie stärker auf Spezialisierung, etwa auf bestimmte Zielgruppen wie Unternehmerfamilien, Ärzte, Athleten oder Technologieunternehmer.

Rasantes Wachstum

Sowohl in den USA wie auch in der Schweiz verzeichnete die Branche in der Vergangenheit ein rasantes Wachstum. In den USA sticht insbesondere der Anstieg der Anzahl RIAs mit einem verwalteten Vermögen von über 1 Milliarde Dollar ins Auge: Sie hat sich in den vergangenen sieben Jahre mehr als verdoppelt.

«Das rasante Wachstum der meisten dieser Top-RIAs basiert in erster Linie auf anorganischer Expansion durch Zukäufe nach Private-Equity-Beteiligungen. Auch wenn diese Form des Wachstums in der Schweiz derzeit noch kaum verbreitet ist, deutet die zunehmende Konsolidierung im UVV-Sektor darauf hin, dass Private Equity bald auch hier Einzug halten und eine ähnliche Entwicklung wie in den USA auslösen könnte», beobachtet Brad Bueermann, CEO von FP Transitions, einem US-Unternehmen, das Vermögensverwalter bei der Bewertung, Weiterentwicklung und Übergabe ihres Unternehmens unterstützt.

US Wealth Management

Fernand Schoppig (links) und Brad Bueermann. (Bilder: zVg)

Brennpunkt Nachfolgeplanung 

Die zentrale Herausforderung neben der Kundengewinnung ist in beiden Ländern die Nachfolgeplanung. In den USA haben sich unterschiedliche Modelle etabliert – von Management-Buyouts über Earn-Out-Strukturen bis hin zu Verkäufen an strategische Plattformen oder Private-Equity-Investoren. Die Schweiz steht hier noch am Anfang, auch wenn die Zahl an Transaktionen steigt.

«Die zentrale Herausforderung bleibt in beiden Ländern dieselbe: eine Balance zwischen Mandatskontinuität und Wertschöpfung für die Eigentümer zu finden. In der Praxis stellen sich dabei Fragen der Kapitalbeschaffung für interne Lösungen oder der Suche nach Käufern, die Philosophie und Kundennähe des Unternehmens bewahren», sagt Schoppig.

Noch fehlt eine Akquisitionskultur

«Der Schweizer Markt ist zwar kleiner und reifer, zeigt aber vergleichbare demografische Muster wie die USA vor rund zehn Jahren – etwa den hohen Anteil an UVV-Inhabern über 60 Jahre. Zwar gibt es hierzulande bislang keine ausgeprägte Akquisitionskultur, doch die Pensionierungswelle dürfte das ändern», führt Bueermann aus.

Hinzu kommt das Entstehen von Plattformanbietern, die mehrere Vermögensverwalter bündeln. Sollte sich der Markt in Richtung des US-Modells entwickeln, könnten diese Plattformen künftig selbst als Käufer auftreten.