Was steckt hinter den beiden Emissionen der SIX Group?

Im Mai hat die SIX gleich zwei Anleihen lanciert. Sie nimmt damit 250 Millionen Franken und 500 Millionen Euro ein. Äufnet der Börsenbetreiber damit seine Kriegskasse für Expansionspläne? Oder geht es bloss um die Refinanzierung bald fälliger Verbindlichkeiten und die Übernahme von Aquis?

Die Betreiberin der Schweizer Finanzmarktinfrastruktur, die SIX Group, braucht offenbar selber Geld – doch wofür?

Mitte Mai hat sie eine Frankenanleihe über 250 Millionen Franken lanciert, die an der gruppeneigenen SIX Swiss Exchange kotiert wird. Der Coupon dieser Anleihe in digitaler Form beträgt 1 Prozent, die Laufzeit endet 2032. Gemäss der Medienmitteilung wird der Nettoerlös aus der Emission für allgemeine Unternehmenszwecke verwendet (was der marktüblichen Standardformulierung entspricht).

Finanzierung des Aquis-Kaufs

Immerhin ist darin auch noch der Passus «einschliesslich der Möglichkeit der Refinanzierung bestehender Verbindlichkeiten und der Finanzierung des Erwerbs von Aquis Exchange Plc» zu finden. Die SIX hatte im November 2024 bekanntgegeben, dass sie das multilaterale Handelssystem für Aktien mit Sitz in London übernimmt.

Nur recht allgemein äussert sich in der Mitteilung auch Daniel Schmucki, CFO der SIX: «Mit dieser Transaktion kehrt SIX seit ihrer letzten Emission im Jahr 2021 an den Frankenanleihenmarkt zurück. Der Erlös wird unsere finanzielle Flexibilität weiter erhöhen und uns helfen, weiterhin innovative Lösungen anzubieten und einen Mehrwert für unsere Anspruchsgruppen zu generieren.»

Banken-Spitzentrio kommt zum Handkuss 

Begleitet wurde die Emission von Raiffeisen, UBS und Zürcher Kantonalbank. Dass die SIX, die von Standard & Poor's mit einem Rating von A eingestuft wird, diese drei Banken mit der Federführung betreut hat, erstaunt nicht. Denn das Trio dominiert auch die Rangliste der Banken (League Table) im Emissionsgeschäft mit inländischen Schuldnern, die (notabene ebenfalls an der SIX Swiss Exchange kotierte) Frankenobligationen begeben.

Am vergangenen Donnerstag folgte dann erneut eine Emission, diesmal über 500 Millionen Euro, die über die Tochtergesellschaft SIX Finance (Luxembourg) begeben wurde. Der Coupon beträgt 3,25 Prozent, die Obligationen werden 2030 fällig – und ebenfalls an der SIX Swiss Exchange kotiert.

«Refinanzierung bestehender Verbindlichkeiten»

In der entsprechenden Mitteilung heisst es zum Verwendungszweck: «Der Nettoerlös aus der Anleihe im Wert von 500 Millionen Euro wird für allgemeine Unternehmenszwecke der Emittentin und des Konzerns verwendet, einschliesslich der Möglichkeit der Refinanzierung bestehender Verbindlichkeiten.» Bei dieser Emission kamen BNP Paribas, BofA Securities, Deutsche Bank und UBS Investment Bank als Bookrunner zum Handkuss.

Die Medienstelle der SIX hielt auf Anfrage von finews.ch fest, dass sie zum Verwendungszweck nicht mehr sagen könne, als den Mitteilungen zu entnehmen sei.

Das Profil der ausstehenden SIX-Anleihen

Wenn es um eine Einschätzung geht, ob die Mittel aus frischen Emissionen für die Ablösung bestehender Verbindlichkeiten oder doch eher für neue Projekte verwendet werden, liegt es nahe zu prüfen, wie die Fälligkeiten ausstehender Anleihen aussehen.

Die SIX hat gemäss ihrer eigenen Investor-Relations-Website drei ältere Anleihen ausstehend.

Es handelt erstens sich um eine an der spanischen Börse BME kotierte Nullprozentcouponanleihe (Zerobond) über 650 Millionen Euro mit Fälligkeit Dezember 2025. Sie wurde seinerzeit zur Ablösung einer Brückenfinanzierung für die Übernahme der BME durch die SIX emittiert.

Zwei Spanien-Bonds und ein SDX-Debütant

Die zweite Anleihe über 450 Millionen Franken ist 2021 lanciert worden, läuft aber bis 2029. Auch ihr Erlös diente der Finanzierung des BME-Kaufs.

Die dritte Anleihe – der allererste Bond, der je an der Swiss Digital Exchange (SDX), der auf Distributed-Ledger-Technologie basierenden Handelsplattform der SIX, kotiert wurde – stammt ebenfalls aus dem Jahr 2021, umfasst 150 Millionen Franken und wird 2026 fällig.

Ablösung des alten Zerobonds

Die Vermutung, dass der Erlös der Euro-Emission von diesem Monat dazu dient, den alten Zerobond (teilweise) zu refinanzieren, liegt nahe. Und dafür, dass die Emission über 250 Milllionen Franken eng mit dem Kauf von Aquis in Zusammenhang stehen dürfte, sprechen die Grössenordnungen. Der (im November) in Franken umgerechnete Kaufpreis beträgt nämlich 235 Millionen Franken.

Auch wenn sich somit der Anfangsverdacht, dass die beiden jüngsten Emissionen in Verbindung mit neuen Projekten stehen, nicht erhärten lässt; der Umkehrschluss, dass die SIX keine solchen Pläne wälzt und in den nächsten Monaten nicht mit entsprechenden Nachrichten aufwarten wird, ist ebensowenig zulässig.

Ambitionen der neuen Führung und finanzielles Arsenal 

Bjørn Sibbern, CEO seit Jahresanfang, hat nämlich schon im Kostenmanagement und personellen Fragen bewiesen, dass er durchgreift und nicht lange fackelt. Ihm sind aber durchaus auch Ambitionen und Durchsetzungsvermögen in Bezug auf die längerfristige Positionierung der SIX zuzutrauen – und in diesem Kontext dürften unter Umständen kapitalintensive Akquisitionen fast unweigerlich wieder zum Thema werden.

Die SIX verfügt allerdings schon heute über Munition, die sie für den Fall der Fälle einsetzen könnte. Sie hält zwei Drittel ihrer Aktiven von insgesamt 14,4 Milliarden Franken in Liquidität oder in liquiditätsnaher Form und weist zudem ein Eigenkapital von immerhin 3,8 Milliarden Franken auf (Zahlen per Ende 2024).