Was bringt 2026? Vier Asset Manager wagen den Blick nach vorn

sven wuerttemberger

(Bild: zVg)

Sven Württemberger, CEO der DWS CH AG und Head of Client Coverage für die Schweiz und Israel


Viele Investoren rechnen mit weiter fallenden Zinsen. Wo liegen aus Ihrer Sicht die grössten Fehlbewertungen im Markt?

Grössere Fehlbewertungen im Segment der Developed Market Rates existieren in unserem Hauptszenario nicht. Wir denken aber, dass der Markt derzeit das Kurspotenzial von zehnjährigen britischen Gilts auf Sicht von zwölf Monaten etwas zu konservativ einschätzt. Mit Blick auf den Euro-High-Yield-Markt sind unserer Ansicht nach viele BB-Anleihen mit längeren Laufzeiten zu teuer, während diverse B- und CCC-Anleihen aufgrund der Underperformance – auch adjustiert um die höheren Risiken – attraktive Renditen offerieren. Viele Neuemissionen sind unserer Meinung nach zu teuer und mit unattraktiven Strukturen ausgestattet, was Covenants und Call-Strukturen betrifft.

Gleichzeitig scheint auf der illiquiden Seite, also Private Credit, die Ausfallrate zu steigen, was einzelne publik gewordene Credit Events zeigen. Die Mischung aus dem Hyperscaler Super Capex Cycle und der Frage nach der Finanzierung im Lichte einer möglichen restriktiveren Kreditvergabe, vor allem auch im Private-Credit-Bereich, kann zu einer Belastungsprobe für die globalen Risikomärkte werden. Liquid Credit ist nicht das Auge des Sturms, aber nicht immun, sollte der skizzierte Druck von Illiquid Credit überschwappen.

Nach Jahren der Unsicherheit: Ist der Risikoappetit Ihrer Kunden wieder zurück?

Die Resilienz der Aktienmärkte im Angesicht rekordhoher Unsicherheit ist bemerkenswert. Kunden nehmen vor allem die weiterhin stabile Gewinnsituation vieler Unternehmen wahr, trotz der Zollerhöhungen durch die USA. Innerhalb Europas hat vor allem die Fiskalexpansion Deutschlands zu mehr Optimismus gegenüber Aktienmärkten geführt, wobei das Thema KI viele Gespräche dominiert. Insgesamt ist der Risikoappetit der Kunden auch angesichts einer vergleichsweise stabilen makroökonomischen Situation und lockerer US-Geldpolitik recht hoch.

Welche Anlagethemen oder -stile sehen Sie 2026 als besonders attraktiv für Schweizer Privat- und institutionelle Investoren?

Sicherlich wird uns das Thema KI und die damit verbundene transformative Innovation auch im neuen Jahr intensiv begleiten. Der Dialog zwischen Ausgaben und Erträgen dürfte reflektierter werden, was sich auf Bewertungen und Wachstumspotenzial auswirken kann. Darüber hinaus bleiben Infrastruktur sowie Verteidigung im Fokus der Anleger. Rohstoffe wie Gold zur Risikodiversifizierung, aber auch Industriemetalle und Agrarprodukte sind weiterhin für die taktische Allokation interessant. Ergänzend könnten Themen wie Langlebigkeit (Longevity) und Health Innovation wieder an Bedeutung gewinnen. Auch die Stilfrage Value vs. Growth bleibt 2026 spannend – erste Tendenzen deuten auf eine stärkere Ausrichtung hin zu Value-Investments. Der Trend zu alternativen Anlagen setzt sich fort, insbesondere im aktuellen Niedrigzinsumfeld der Schweiz. Abschliessend sollten wir auch den Blick auf Asien, insbesondere China, richten.

Der Schweizer Asset-Management-Standort steht im internationalen Wettbewerb. Welches sind die Trümpfe des hiesigen Finanzplatzes?

Der Schweizer Asset-Management-Markt behauptet sich weiterhin erfolgreich und ist laut einer aktuellen Studie mit 3,45 Billionen Franken an verwaltetem Vermögen der drittgrösste Markt Europas – nach dem Vereinigten Königreich und Frankreich. Seit 2019 wächst der Markt jährlich um rund 5 Prozent. Zu den entscheidenden Vorteilen zählen eine starke lokale Präsenz mit Produkt- und Vertriebskompetenz sowie die politische und wirtschaftliche Stabilität, die ein ideales Umfeld für lokale wie globale institutionelle Investoren und Vermögensverwalter schafft. Ein weiterer Trumpf ist die frühzeitige Ausrichtung auf digitale Assets, sei es im Bereich der Tokenisierung oder bei digitalen Investmentlösungen. Dank des fortschrittlichen regulatorischen Rahmens hat die Schweiz hier früh eine europäische Führungsrolle übernommen. Diese Position gilt es nun zu festigen und unter Einbindung aktueller Trends weiter auszubauen.

Welche Rolle spielen Private Markets in Ihren Multi-Asset-Strategien?

Aus regulatorischen Gründen spielen Private-Markets-Anlagen in unseren Multi-Asset-Fonds für Retail-Kunden keine Rolle. In institutionellen Mandaten setzen wir sie auf Wunsch des Kunden ein. Allerdings gilt es hier zu bedenken, dass der Begriff Private Markets eine ganze Reihe von Instrumenten abdeckt – Private Credit, Private Equity, Infrastruktur etc. – die mit Blick auf Transparenz und andere Risiken ganz unterschiedliche Charakteristiken aufweisen.

Wie schätzen Sie das Momentum im Bereich digitaler Vermögenswerte ein – insbesondere nach neuen regulatorischen Klarheiten und institutionellen Entwicklungen in der Schweiz und den USA?

Die zurückliegenden Wochen haben gezeigt, dass Kryptowährungen weiterhin als «Risk-on»-Assets gelten und in geopolitisch sowie makroökonomisch unsicheren Zeiten zu erhöhter Volatilität neigen. Stablecoins sind und bleiben das Thema der Stunde. Nicht zuletzt hat der Genius Act in den USA das ohnehin starke Momentum zusätzlich befeuert, so dass derzeit zahlreiche Stablecoin-Projekte aus dem Boden spriessen. Mittelfristig ist hier jedoch von einer Konsolidierung auszugehen. Die Tokenisierung von Vermögenswerten entwickelt sich weiterhin langsam, aber stetig. Die Infrastruktur rund um Tokens wächst und wird zunehmend professioneller. Auch die Zahl der Emittenten tokenisierter Wertpapiere nimmt zu – aktuell liegt der Fokus dabei häufig auf tokenisierten Geldmarktfonds.