Aktionäre der Credit Suisse revoltieren gegen Verwaltungsratspräsident Urs Rohner – und stützen CEO Tidjane Thiam. Ein bisher beispielloser Vorgang in der Schweizer Bankengeschichte. Was sind die wahren Motive dahinter?

Mit Harris Associates, Silchester International und dem US-Hedgefonds Eminence Capital haben sich diese Woche gleich drei namhafte Investoren in den tobenden Machtkampf an der Spitze der Credit Suisse (CS) eingemischt.

Ihre Absicht ist inzwischen deutlich: Tidjane Thiam, der durch den Beschattungsskandal angeschossene CEO, soll die CS weiterhin führen. Demgegenüber soll Verwaltungsratspräsident Urs Rohner weg.

Thiam in Siegeslaune

David Herro, das Sprachrohr der Phalanx gegen Rohner, verstieg sich in die Drohung, Rohner mit «sofortiger Wirkung» zu ersetzen, sollte dieser Thiam als CEO entlassen. Thiam zeigte sich bereits in der Nacht auf Mittwoch in Siegeslaune: Auf seinem mittlerweile viel beachteten Instagram-Account ist ein lachender Thiam zu sehen, umringt von seinen loyalen Geschäftsleitungsmitgliedern.

 

Dies ist vorläufig die letzte Eskalation in einem seit Monaten kochenden Skandal. Heute Donnerstag werden der CS-Präsident und der Verwaltungsrat nicht umhin kommen,  Klarheit zu verschaffen, wer inskünftig diese Bank führen soll. Das notabene Aktionäre die Absetzung des Präsident fordern und gleichzeitig den CEO stützen ist ein bislang beispielloser Vorgang in der Schweizer Bankengeschichte.

Alles bloss ein Zufall?

Einerseits kann man diese kommunikativen Attacken gar nicht wirklich ernst nehmen. Denn wie sollen Herro & Co. die Statuten der CS aushebeln und ohne Beschluss einer ordentlichen oder ausserordentlichen Generalversammlung Rohner mit sofortiger Wirkung absetzen wollen? Andererseits lässt die Heftigkeit und die Orchestrierung der Attacken gegen Rohner sowie der bedingungslose Support Thiams durch ebendiese Aktionäre doch aufhorchen.

Es mag in dem Zusammenhang ein Zufall sein, dass ausgerechnet jetzt die Verbindungen des nominal grössten CS-Aktionärs, Harris Associates, zu Finanzkreisen in Frankreich zum Thema werden. Doch Zufälle gab und gibt es in diesem von Anfang an mit viel PR-Power und gezielt gestreuten Informationen zum CS-Machtkampf hochstilisierten Beschattungsvorfall eigentlich keine.

Grösster CS-Aktionär ist französisch

Dass Harris Asscociates eine Tochter des französischen Asset-Management-Riesen Natixis ist, gehört zum Allgemeinwissen in der Branche. Neu ist jedoch, dass Natixis und weitere französische Interessengruppen hinter den Angriffen auf Rohner stehen sollen.

Auf den Punkt bringt dies der bekannte Finanzautor Gian Trepp in seinem jüngsten Blog-Eintrag. Der Titel des Textes lauftet: «Frankreich kämpft über die Kontrolle der Credit Suisse». Und der erste Satz lautet: «Der grösste Aktionär der Credit Suisse (CS) ist die französische Bankengruppe BCPE».

Was ist an der CS interessant?

Die Groupe BCPE ist die weit verzweigte, zweitgrösste Finanzgruppe Frankreichs, deren Asset-Management-Arm Natixis ist. Harris Associates, die zusammen mit ihren Oakmark Fonds 8,4 Prozent der CS-Aktien halten, ist bloss eine von rund zwei Dutzend Asset-Management-Töchtern von Natixis. Effektiv dürfte der von Natixis beziehungsweise BCPE kontrollierte Anteil an der CS grösser sein.

Worin könnte das Interesse der BCPE, deren starker Mann François Pérol im Pariser Elysée ein- und ausgeht und mit Präsident Emmanuel Macron eng befreundet ist, an der CS liegen?

Kontrolle des Franken-Währungsraums

Trepp schreibt, für die geopolitischen Interessen Frankreichs sei die Kontrolle der zweitgrössten Bank des Franken-Währungsraumes von grosser Bedeutung, insbesondere bei der anstehenden Post-Brexit-Positionierung der Euro-Finanzplätze London, Frankfurt und Paris.

Mit Thiam als CS-CEO – er hat die französische Staatsbürgerschaft und spielt mit der Pariser Hochfinanz Golf – könnte Frankreich diese Interessen eher durchsetzen, so wird insinuiert.

Dies als Fantasterei abzutun, ist allzu einfach. Die Positionierung Europas als Wirtschaftsgrossmacht ohne dominante Banken ist seit geraumer Zeit ein heisses Diskussionsthema. Die Übermacht der US-Finanzinstitute hat sich in den vergangenen Jahren in Europa weiter akzentuiert.

Entsteht ein «Europäischer Champion»?

Die Krise des europäischen Bankensektors sorgen sowohl das deutsche Kanzleramt und den Pariser Elysée-Palast. Der immer wieder gehörte Ruf nach einem neuen «Europäischen Champion» prallte bislang aber an den Hürden ab, welche durch die verschleppte Umsetzung der europäischen Bankunion nicht überwindbar waren.

Die Ängste, die gestandene Banker und Topmanager formulieren, sind real. Ein europäischer Bankensektor mit wengistens einem global bedeutenden Player ist notwendig, um den europäischen Binnenmarkt nicht an die USA oder an China zu verlieren.

Erste Konturen

Bezüglich der Bankenunion wird im laufenden Jahr der Durchbruch erwartet. Er könnte das Fusionskarussell anstossen, in welchem die französischen Grossbanken wie die Société Générale einen aktiven Part spielen wollen.

Es ist auch in den Chefetagen der Schweizer Grossbanken UBS und CS mehrfach formuliert worden: Eine Konsolidierung in Europa ist unerlässlich. Die Institute seien im globalen Konkurrenzkampf «to small to survive», hat UBS-CEO Sergio Ermotti mehrfach festgestellt.

Ist die CS somit ein hypothetisches Übernahmeziel? Antwort: Mit ihrer starken Stellung im Wealth Management und ihrer nach wie vor schlagkräftigen Investmentbank bei einer Marktkapitialisierung von 32 Milliarden Franken ist sie das durchaus. Mit der französischen BCPE hat die CS zudem einen mächtigen Aktionär, dessen Interessen sich nun in den ersten Konturen zeigen.

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