Mirabaud hat im Corona-Jahr 2020 die Kundeninteressen vor den Ertrag gestellt, sagt Senior Partner Yves Mirabaud zu finews.ch. Dieses Jahr will die Privatbank nun in ein neues IT-System investieren.


Herr Mirabaud, das Ergebnis für das Geschäftsjahr 2020 der Privatbank Mirabaud ist auf den ersten Blick eher enttäuschend. Sie erlitten einen deutlichen Gewinnrückgang.

Im Vergleich zu den von ausserordentlichen Erträgen gekennzeichneten Geschäftsjahren 2019 und 2018 mag diese Beobachtung richtig sein. Wir zählen 2020 – bei der angesichts der Covid-19-Umstände gebotenen Bescheidenheit – dennoch zu einem der fünf besten Geschäftsjahre in der 200-jährigen Geschichte von Mirabaud, mit sehr guten Resultaten. Eine Rendite auf dem Eigenkapital von 15 Prozent lässt sich mehr als sehen.

Dennoch: Die Erträge waren 8 Prozent schwächer als 2019. Und dies in einem Jahr, in welchem Kunden und Investoren sehr aktiv waren.

Der Rückgang ist durch mehrere Faktoren beeinflusst. Wegen der Dollarschwäche litt unser Zinsgeschäft durch einen zusätzlichen negativen Faktor. Was das Kommissions- und das Handelsgeschäft angeht, haben wir bei Mirabaud im März letzten Jahres bereits vor den sich abzeichnenden Börsenturbulenzen unsere aktiv verwalteten Kundenportfolios abgesichert.

«Die Kunden haben sich jedenfalls nicht beschwert»

Das bedeutet, dass rund 60 Prozent unserer Kunden während dieser äusserst regen Marktphase passiv blieben – sowohl beim Markteinbruch als auch beim Aufschwung, denn sie waren ja immer noch investiert. Für die Kunden und die Performance ihrer Portfolios war dies positiv, für unsere Erträge eher negativ.

Mit Blick auf Ihre Konkurrenten, die vom Handelsboom teils enorm profitiert haben: War diese Absicherungsstrategie der richtige Entscheid?

Ja, das war sie. Wir mögen nun etwas altmodisch und konservativ erscheinen, aber das entspricht eher unserer Kultur, als aggressiv in den Märkten tätig zu sein. Von Seite der Kunden haben wir jedenfalls keinerlei Beschwerden erhalten. Ihre Portfolios entwickelten sich weniger volatil, die Kunden konnten deswegen ruhig schlafen, und die Performance war in den allermeisten Fällen gut.

Also gab es auch Ausrutscher?

Die gab es tatsächlich. Hier geht es um zwei bis drei wichtige Kunden, die von Mirabaud aber nur Execution-Dienstleistungen beanspruchen. Das heisst, wir setzen um, was die Kunden von uns verlangen. Diese Kunden hatten ihre Portfolios stark geleveraged und erhielten von uns in der turbulenten Marktphase Margin Calls. Ihre Positionen haben in der Folge stark gelitten – auch das hat sich in den Erträgen niedergeschlagen.

Wie beurteilen Sie Nettoneugeld-Entwicklung mit 810 Millionen Franken?

Wir hatten zwei gegenläufige Entwicklungen: Im Wealth Management kamen viele Neukunden zu uns, weil sie den sicheren Hafen der Schweiz suchten. Im Asset Management sahen sich hingegen viele Investoren zu Umpositionierungen gezwungen und es kam zu recht bedeutenden Abflüssen im ersten Halbjahr.

«Covid-19 führte zu direkten Einsparungen»

Im zweiten Halbjahr erlebten wir einen vollkommenen Turnaround: Wir spürten starke Neugeldzuflüsse im Asset Management, während das Wachstum im Wealth Management abflachten. Die Covid-19-Situation hatte mit der eingeschränkten Reisetätigkeit und den limitierten Möglichkeiten der physischen Interaktion mit Kunden ihre Auswirkungen.

Offenbar auch bei den Kosten – diese liegen deutlich tiefer als 2019. Führt Mirabaud ein Kostenspar-Programm durch?

Nein, absolut nicht. Aber wir waren mit den Ausgaben zurückhaltend. Covid-19 führte auch zu direkten Einsparungen, beispielsweise im Sponsoring, bei den Veranstaltungen und natürlich auch bei der Reisetätigkeit unserer Angestellten.

Wie hat sich die Personalsituation entwickelt?

Wir konnten einige Kundenberater gewinnen, um unsere insgesamt sieben Präsenzen zu verstärken. Weil wir unser Aktien-Brokerage zurückgefahren haben, hatten wir in diesem Bereich einige Abgänge. Dafür bauten wir in Paris und in Zürich zwei Corporate-Finance-Teams auf, die das Advisory im Private Banking mit ihrer M&A- und Private-Equity-Expertise unterstützen. Durch diese neue Pipeline sind bereits einige Deals geflossen.

Werden Sie die Corporate-Finance-Teams weiter ausbauen?

Die Einheit ist noch jung, und wir möchten beim Ausbau schrittweise vorgehen. Einen weiteren Personalaufbau müssen wir durch mehr Geschäfte rechtfertigen. Wo wir in diesem Jahr aktiver werden wollen, ist beim auf Immobilien ausgerichteten Private-Equity-Fonds. Hier haben wir bereits 1 Milliarde Dollar eingesammelt und planen in den USA weitere Transaktionen.

Wie sieht es mit der Akquisition von Kundenberatern aus?

Wir setzen unsere Strategie fort, die lokalen Präsenzen in der Schweiz, in Europa, Lateinamerika und im Nahen Osten weiter zu verstärken; das dürfte im laufenden Jahr 15 bis 20 zusätzliche Kundenberater sein. Wo wir nicht mithalten wollen, ist bei der Akquisition von grösseren Teams.

«Das können und wollen wir uns nicht leisten»

Hier beobachten wir eine Tendenz, dass viele Berater nach zwei bis drei Jahren weiterziehen – das können und wollen wir uns nicht leisten.

Wo wollen Sie weiter investieren? Bei der geografischen Erweiterung?

Derzeit haben wir keine solchen Pläne. Eher möchten wir nach der Expansion im Nahen Osten und in Lateinamerika das Geschäft konsolidieren. Im Nahen Osten ist der Breakeven praktisch erreicht, in Brasilien und in Uruguay sind wir auf gutem Weg. Unser Investitions-Fokus liegt in diesem Jahr eher auf der technologischen Seite...

Was haben Sie vor?

Nach annähernd drei Jahrzehnten mit einer selbst entwickelten IT-Plattform sind wir an gewisse Grenzen gestossen. Wir stehen derzeit im Evaluationsprozess für ein neues Kernbankensystem.

Wer kommt zum Zug, Avaloq oder Temenos?

Wie gesagt, wir sind mitten im Evaluationsprozess. Die beiden genannten Anbieter dürfen Sie zu den Favoriten zählen.

Sie haben während des bisherigen Gesprächs mit finews.ch das derzeit alles bestimmende Anlagethema ESG gar nicht erwähnt...

Unser ESG-Engagement ist bereits sehr stark und wir werden es weiter fortsetzen. Grundsätzlich frustiert es mich manchmal, dass der Bankensektor in Bezug auf die Klimaerwärmung als Verursacher und als Problem betrachtet wird. Ich bin der festen Überzeugung, dass Banken ein Teil der Lösung sind. Es liegt an uns Banken, Anlagegelder in neuartige Technologien zu lenken, welche die Klimaerwärmung abschwächen. Wir sind dafür prädestiniert und können dabei eine wichtige Rolle einnehmen.


Yves Mirabaud ist seit dem Jahr 2012 Senior Partner der Genfer Privatbank Mirabaud. Diese verwaltete Ende 2020 rund 34,9 Milliarden Franken. Ins Institut eingetreten ist er im Jahr 1993, drei Jahre später wurde er Managing Partner. Mirabaud studierte Internationale Beziehungen Genf und startete seine Banking-Karriere bei verschiedenen Instituten in Genf, Zürich, New York und Boston.

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