Im Ausland testen Banken gemeinsam betriebene Filialen. Ist das chancenlos in der Schweiz? Gedacht wurde die Idee jedenfalls schon vor mehr als zehn Jahren.

Augenschein in Rapperswil: Im Umkreis von 150 Metern um den zentralen Hauptplatz finden sich nicht weniger als sieben Bankfilialen (Grafik unten). Die Grossbanken UBS und Credit Suisse, natürlich die St. Galler Kantonalbank (SGKB), aber auch Postfinance, Migros Bank sowie die Regionalbanken Bank Linth, Acrevis und Neuankömmling Valiant haben sich im schmucken mittelalterlichen Städtchen mit Seeanstoss niedergelassen. Die Geldhäuser stehen dicht an dicht.

Testlauf in Grossbritannien

Ein ähnliches Bild zeigt sich in beliebigen anderen Schweizer Gemeinden mit einem grösseren Einzugsgebiet. Die Folgen der Coronakrise mögen das Filialsterben in der Schweiz beschleunigt haben. Doch dort, wo die Geldhäuser Flagge zeigen wollen, macht es ihnen scheinber nichts aus, in nächster Nähe zueinander zu geschäften.

Und dennoch scheint der Schritt schier unvorstellbar, den derzeit die Institute in Grossbritannien unternehmen. Seit vergangenen April und betreiben sie so genannte Banking Hubs im Testlauf. Das Konzept: die britische Post betreibt einen Schalter, den die grössten Geldinstitute der Region mit Banking- und Beratungsdiensten beliefern. Auf Englisch heisst das «Shared Branch», also geteilte Filialen. Im August wurde nun beschlossen, diese Standorte bis ins Jahr 2023 zu betreiben, berichtete die Zeitung «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig).

Filialen Tab 500

(Bild: Google Maps)

Sinkenden Margen, aufstrebende Kanäle

Mehrere Banken, einträchtig unter einem Dach: diese Idee wurde in der Schweiz bereits gedacht. «Im Jahr 2008 haben wir in der Lehre ein Shop-in-Shop-Konzept für Banken ausgearbeitet», sagt Andreas Dietrich, Leiter des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) zu finews.ch. «Filiale der Zukunft» hiess das Konzept, an dem die Finanzwissenschafter tüftelten. Doch umgesetzt wurde es nie, bedauert Dietrich. «Dies, obwohl die Idee durchaus interessant und für die Banken auch wirtschaftlich gewesen wäre.»

Stattdessen hat die Branche nach der Finanzkrise einen anderen Pfad beschritten. Mit Schliessungen, einerseits. Sinkende Margen im Zinsengeschäft und die Verlagerung auf den digitalen Kanal haben dazu geführte, dass Banken wenig frequentierte Standorte von der Karte streichen. In der Folge hat sich die Anzahl Filialen pro 100’000 Einwohner in der Schweiz von 51,8 im Jahr 2010 auf 39,5 im Jahr 2018 verringert.

Nie mehr geöffnet nach dem Shutdown

Die forcierten Schliessungen während des Corona-Shutdowns im Frühjahr 2020 hat dieser Praxis zusätzlichen Auftrieb verschafft – geschlossene Filialen wurde teils gar nicht wieder eröffnet. Hinzu gekommen sind zusätzliche Arrondierungen. Gegenwärtig schliesst die Marktführerin UBS jede sechste Filiale im Land, die Credit Suisse (CS) jeden vierten Standort.

Anderseits lassen sich die Banken ihre verbliebenen Filialen einiges Kosten. Sie werden architektonisch aufwändig renoviert und oftmals zu «hybriden» Standorten aufgebaut: Schalterdienste gibt es über den Videokanal, während im zur Lounge umgebauten Hinterzimmer zu Vermögens- und Finanzierungsfragen beraten wird. Die Regionalbank Valiant etwa eröffnet entlang dieser Strategie schweizweit neue Niederlassungen.

Sehr stark auf den Brand fokussiert

Mit Blick auf die Kundenwünsche sind die Institute sogar bereit, ihre Hallen für andere Zwecke und Dienstleister zu öffnen. Gastrobetriebe, Velohändler und Sportartikel sind beliebt, aber auch Workspaces für die neuen, flexiblen Arbeitsmodelle. Die Grossbank CS dachte unlängst laut darüber nach, auch Generalgenturen von Versicherern in ihren Standorten zu beherbergen. Doch eine andere Bank in der Bank – dazu bleibt es weiter still.

Die Zeichen im Banking mögen zwar auf Zusammenarbeit stehen. Dieser neue Spirit macht aber vor dem eigenen Filialnetz halt.

«Die Schweizer Banken sind weiter sehr stark auf ihren Brand fokussiert. Dabei wird der Filiale viel Wert beigemessen, um die Marke und die damit verbundenen Werte zu reflektieren», analysiert Dietrich die Beweggründe. Das stehe einem gemeinsam betriebenen Standort im Weg. Zudem seien gewisse Banken der Überzeugung, dass Kunden gerne für sich behalten, welche Bank sie berücksichtigen, und ungern beim Gang dorthin beobachtet werden.

Mit Bancomaten den Anfang machen?

Doch solche Sentimentalitäten könnten fallen, wenn der Kostendruck noch brutaler wird und sich die Kundengewohnheiten noch mehr auf den Online-Kanal verlagern. Davon betroffen werden nicht nur Filialen sein, sondern auch Bancomaten. Auch bei deren Betrieb achten die Banken sehr stark auf den Brand; wer das Gerät einer «fremden» Bank benützt, wird mit zusätzlichen Gebühren bestraft. Kundenfreundlich ist das nicht, und für die Branche ausserdem zunehmend teuer: Seit Ausbruch der Coronakrise ist «Cash» bei den Schweizer nicht mehr «King».

Und wenn die Bancomaten weniger genutzt werden, steigen die Transaktionskosten der nicht eben billigen Geräte für die Betreiber an.

Hier erkennt der Finanzwissenschafter einen Ansatzpunkt. «Eine tiefere Schwelle zur Zusammenarbeit sehe ich bei den Bancomaten», sagt der IFZ-Leiter. Eine «white label»-Lösung werde derzeit diskutiert und auch von der SIX propagiert. «Sie stiess aber bisher wegen Marken-Überlegungen bei den Banken noch auf wenig Gegenliebe», berichtet Dietrich.

Auf der Not geboren

In Grossbritannien, wo jetzt die Banking Hubs zum Providurium werden, herrschen weit harschere Zustände. Dort wurden über die letzten Jahre Tausende von Filialen und Geldautomaten aufgehoben; 2018 fanden sich dort noch 25 Bankstandorte je 100’000 Einwohner.

Das Beratungsunternehmen Accenture prognostiziert nun, dass bis 2025 gegen 90 Prozent der britischen Bankfilialen schliessen könnten. Die Shared Branches sind deshalb auch aus Not heraus entstanden: Die Politik drängte die Banken, für ältere oder in der Bewegung eingeschränkte Personen eine minimale Grundversorgung mit Schalterdiensten zu gewährleisten.

Auf den ersten Blick eine Zwangsgemeinschaft also – aus der aber ein neues Geschäftsmodell spriessen könnte. Die Schweizer Retailbank tun womöglich gut daran, nicht nur den eigenen Brand im Auge zu behalten.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.29%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.7%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.96%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.3%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.75%
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