Die SIX hat ihre Digitalbörse nun doch eher lanciert als die Berner Kantonalbank ihren Token-Marktplatz. Doch das stört beim Institut wenig. «Unsere verstärkten Innovations-Bemühungen werden am Markt gehört», sagt SME|X-Leiter Andreas Langenegger im Gespräch in finews.ch.

Während der Berner Fussball-Club YB mit dem Sieg gegen Manchester United vergangenen Dienstag einen Überraschungscoup vollbrachte, ist ein solcher der Berner Kantonalbank (BEKB) verwehrt geblieben. In Rennen der Digitalbörsen geht die grosse Zürcher Börsenbetreiberin SIX mit der SIX Digital Exchange (SDX) nun doch eher an den Start als die Berner mit ihrer SME|X.

Wobei man das in der Bundeshauptstadt recht entspannt sieht, wie sich zeigt. «Wir sind in regem Austausch mit der SIX, wir betrachten die Entwicklung des jeweiligen Projekts als partnerschaftlich», sagt Andreas Langenegger (Bild unten) im Gespräch mit finews.ch. Beim Senior Sales Trader des Nebenwerte-Marktplatzes OTC-X bei der Berner Staatsbank laufen die Fäden zur SME|X zusammen. Als Alternative zur OTC-X will die neue Plattform den Handel von Effekten ermöglichen, die als Token transferierbar sind.

Langenegger 503

«Start noch dieses Jahr»

Bis zum Startschuss solle nun aber nicht mehr viel Zeit vergehen, versichert Langenegger. Noch sei man mit technischen und regulatorischen Abschlussarbeiten beschäftigt; der neue digitale Marktplatz wird ihm zufolge in enger Abstimmung mit der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) entwickelt und untersteht wie zuvor schon OTC-X den Bestimmungen des Finanzinfrastruktur-Gesetzes (Finfrag). «Der Start sollte noch dieses Jahr erfolgen», so der Projektleiter.

Schon jetzt sorgt der digitale Marktplatz der Berner für einiges Aufsehen in der Szene. Beim Angebot arbeiteten Langenegger und sein Team mit dem Kryptoaktien-Konsortium Daura zusammen sowie mit der Genfer Verwahrungs-Spezialistin Taurus. Ebenfalls im Boot ist die als Fintech-Vorreiterin bekannte Hypothekarbank Lenzburg. Das katapultiert die Berner gleichsam mit nach vorne in die Digitalisierung-Avantgarde des Finanzplatzes.

Schwesterbanken schauen genau hin

Die Strategie 2025, welche die BEKB unter Chef Armin Brun im Sommer 2020 formuliert hat und die einen Fokus auf die Innovationskraft legt, trägt damit erste Früchte. Dieser Tage erst hat die Staatsbank angekündigt, eine eigene IT-Firma zu gründen.

«Unsere verstärkten Innovations-Bemühungen werden am Markt gehört – inzwischen wird die BEKB in Sachen Digitalisierung anders wahrgenommen als noch vor einigen Jahren», berichtet Langenegger. Das gelte auch für die anderen Kantonalbanken, welche das Tokenisierungs-Projekt «genau» mitverfolgten. Das Interesse ist Willkommen: Mittelfristig müsse es das Ziel muss es sein, jede Schweizer Bank an SME|X anbinden zu können.

Entweder oder

Doch das bleibt alles Schall und Rauch, wenn es am künftigen Marktplatz nichts zu handeln gibt. Entsprechend rührt die Bank die Werbetrommel. Das Interesse aufseiten der Firmen sei definitiv da, erklärt der Langenegger. Man führe diverse Gespräche mit bestehenden und neuen Kunden. Doch auch er gibt zu: Worin genau der Business Case für tokenisierte Nebenwerte besteht, muss sich noch zeigen.

Als Hürde fürs neue Angebot kommt hinzu, dass sich Interessenten aus regulatorischen Gründen entweder für die Blockchain- oder die analoge Welt entscheiden müssen. Ein Emittent kann nicht nur einen Teil seines Aktienkapitals tokenisieren – es sei denn, es bestehen zwei verschiedene Aktienkategorien. «Wie wir es derzeit wahrnehmen, schrecken manche an der OTC-X bereits gelisteten Firmen vor diesem Wechsel zurück», beobachten Langenegger. Denn dann müssten deren Aktionäre ebenfalls auf das neue Angebot umstellen.

Die Kantonalbank kann allerdings sicherstellen, dass tokenisierte Aktien in bestehenden Wertschriften-Depots eingebucht werden können, das allerdings vorerst nur bei der BEKB.

Realtime statt Trade +2

Demgegenüber gibt es für die Emittenten auch einiges zu gewinnen. Bei der Abwicklung der Trades ist die Blockchain-Lösung wesentlich effizienter. Der Token kann «realtime» von A nach B verschoben werden.

Bis anhin braucht es dazu eine zentrale Verwahrstelle, und mindestens zwei Banken sind involviert. Der Standard im Schweizer Börsenhandel beträgt im Post-Trading zwei Tage, hinzu kommen diverse Gebühren. Bei Nebenwerten kann es teils nochmals lange dauern, bis die Trades auch im Aktienregister der jeweiligen Firmen vollzogen sind. Bei der Blockchain-Variante ergeht die Benachrichtigung ans Aktienregister ebenfalls sofort.

Aus Sicht der BEKB gibt es sowieso keine Alternative, als innovativ zu bleiben, betont Langenegger. «Mit den tokenisierten Aktien haben wir ein Feld gefunden, dessen Aufbau für uns Sinn ergibt und das unsere Zukunftsfähigkeit unterstreicht.» Dass ein langer Atem nötig sein wird, um den Token-Marktplatz zum Fliegen zu bringen, nimmt man in Bern in Kauf. Auch bei der vor 15 Jahren gegründeten OTC-X habe es einige Zeit gedauert, bis der Breakeven finanziell erreicht war, erinnert Langenegger.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.5%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.69%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    27.99%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.12%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.7%
pixel