Auf dem Finanzplatz Lugano wird die Genfer Bank Reyl im kommenden Jahr eine zentrale Rolle spielen. Denn seit sie 2020 vom italienischen Finanzkonzern Intesa Sanpaolo mehrheitlich übernommen wurde, entwickelt sie sich zu einem europäischen Vermögensverwaltungs-Hub.

Neben Genf und Zürich wo Reyl ebenfalls vertreten ist, erhält der Standort Lugano vor allem deswegen eine grosse Bedeutung, weil hier künftig das Private-Banking-Geschäft von Intesa Sanpaolo und dessen Privatbanken-Tochter Morval mit demjenigen von Reyl zentralisiert wird. Die entsprechenden Vorkehrungen erfolgten in den vergangenen Monaten unter der Leitung von Reyl-Teilhaber Nicolas Duchêne (Bild unten).

Die italienischen, wie auch die schweizerischen Finanzmarkt-Behörden haben den Schulterschluss kürzlich genehmigt, so dass Anfang 2022 das neue Konstrukt unter der Marke Reyl-Intesa Sanpaolo seinen Betrieb aufnehmen wird, wie Duchêne im Gespräch mit finewsticino.ch erklärt.

Beträchtliches Potenzial in der Südschweiz

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Dabei werden über 90 Mitarbeitende in der Schweiz, davon 70 an zwei Standorten (Riva Antonio Caccia 1A und Palazzo Riforme, Crocicchio Cortogna 6) in Lugano tätig sein. Sie werden vor Ort ein Volumen an Kundengeldern von rund 6 Milliarden Franken betreuen.

Der Schweizerische Bankpersonalverband (SBPV) teilte am (gestrigen) Dienstag mit, er befürchte aufgrund der Zusammenlegung einen Stellenabbau. Manchen Mitarbeitenden sei eine Versetzung nach Genf zu ungünstigen Bedingungen angeboten worden, so eine SBPV-Vertreterin.

Angemessene Begleitmassnahmen

Intesa Sanpaolo bekräftige jedoch gegenüber der Nachrichtenagentur «AWP» als auch finewsticino.ch, dass die Aktivitäten auf dem Tessiner Markt fortgesetzt werden sollen – und es zu keinen Stellenstreichungen gekommen sei.

Ohne einen Stellenabbau auszuschliessen, versicherte ein Sprecher von Reyl, dass gegebenenfalls «angemessene Begleitmassnahmen» vorgeschlagen würden, die jedoch den geltenden Vorschriften entsprächen.

Duchêne sieht in der Südschweiz ein beträchtliches Potenzial im Geschäft mit italienischen sowie anderen vermögenden Kundinnen und Kunden: «Gerade für diese Klientel besteht ein grosses Bedürfnis nach Anlagen und Finanzierungen, die vor allem Schweizer Banken anbieten können», betont der Partner der Bank Reyl und unterstreicht damit die Relevanz des Swiss Banking auch am Standort Lugano.

Sehnsucht an einem «sicheren Hafen»

Der Zeitpunkt für die Offensive von Reyl im Tessin könnte vom Timing her äusserst günstig sein: Diente das Tessin in der Vergangenheit vor allem als Offshore-Standort, wo vermögende Ausländerinnen und Ausländer ihr Geld deponierten, lassen sich heute immer mehr wohlhabende Personen und Familien in der Südschweiz nieder.

Ein wichtiger Grund dafür ist die anhaltende Corona-Pandemie, die selbst bei vielen Schweizerinnen und Schweizern die Sehnsucht nach einem «sicheren Hafen» enorm verstärkt hat. Verzeichnete das Tessin als eine der wenigen Regionen in der Schweiz in den vergangenen Jahren sinkende Immobilienpreise, so hat spätestens seit 2021 eine Trendwende eingesetzt, wie auch Duchêne feststellt.

Wichtige Ertragsquelle: Vermögensverwalter

Die Pläne Reyls sind in einem paneuropäischen Kontext zu sehen, wie Duchêne weiter betont. Der Intesa-Konzern, hinter Unicredit, Italiens zweitgrösstes Finanzinstitut und im Private Banking sogar die Nummer eins, will in den nächsten Jahren zu den fünf wichtigsten Akteuren in der europäischen Vermögensverwaltung avancieren. Und dabei dient die Schweizer Bank Reyl seit vergangenem Herbst als Zentrale, die inzwischen mehr als 25 Milliarden Franken an Kundengeldern verwaltet.

Eine wichtige Ertragsquelle in diesen Überlegungen ist das Geschäft mit unabhängigen Vermögensverwaltern (EAM), von denen es im Tessin nach wie vor überdurchschnittlich viele gibt. Allein dem Verband Schweizerischer Vermögensverwalter (VSV) sind in der Südschweiz rund 110 Firmen angeschlossen. Vor dem Hintergrund der jüngst verschärften Gesetze und Bestimmungen durch das Finanzdienstleistungsgesetz (Fidleg) und dem Finanzinstitutsgesetz (Finig) deutet einiges darauf hin, dass einzelne, vor allem kleinere Akteure fusionieren oder den Anschluss an ein grösseres Finanzinstitut suchen werden.

Kundendepots gesucht

Mit diesen Überlegungen übernahm die Bank Reyl im vergangenen Sommer 40 Prozent am Schweizer Vermögensverwalter 1875 Finance, der mit elf Milliarden Franken an verwalteten Kundengeldern einer der grössten EAM in der Schweiz ist. 1875 Finance soll als Dreh- und Angelpunkt für die Akquisition von EAM dienen. Gesucht werden Akteure mit Kundendepots zwischen einer und drei Milliarden Franken.

Unter diesen Prämissen wird es nicht zu einer Fusion von Reyl und 1875 Finance kommen. Beide Institute sollen unter ihrem eigenen Namen agieren und entsprechende Übernahmen tätigen, die insgesamt dazu beitragen sollen, dass das Private-Banking-Geschäft von Intesa Sanpaolo Fideuram ISPB bald zu den Top-Fünf-Vermögensverwaltungsadressen in Europa gehört.

Fast so grosse Bilanz wie die UBS

Der Plan mutet vielleicht etwas ambitioniert an, doch der Intesa-Konzern hat durchaus die Ressourcen dafür. Das mit Hauptsitz in Turin ansässige Institut das Private Banking ist unter der Marke Fideuram in Mailand domiziliert, meisterte die Finanzkrise 2008/09 ausserordentlich gut. Es konnte in der Folge einen ehrgeizigen Wachstumsplan fahren, dessen Etappenziele immer wieder übertroffen wurden.

Intesa Sanpaolo ist an der Mailänder Börse kotiert und Bestandteil des EuroStoxx 50. Das Unternehmen verfügt über eine Bilanzsumme von umgerechnet rund 900 Milliarden Franken), die mit derjenigen der UBS mit rund einer Billion Franken durchaus vergleichbar ist. Der Konzern hat somit durchaus die Mittel, um in der europäischen Vermögensverwaltung eine wichtige Rolle zu spielen. Der Schweizer Bank Reyl kommt dabei eine zentrale Rolle zu.

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