Nach der Zins-Party: Für die Retailbanken brechen schwierige Zeiten an
Sinkende Zinsen, steigende Kosten, regulatorischer Druck – den Schweizer Retailbanken droht ein schleichender Ertragsverfall. Jetzt zeigt eine detaillierte Analyse: Viele Institute verdienen bereits heute ihre risikobereinigten Kapitalkosten nicht.
Am Donnerstag hat das Zürcher Corporate-Finance-Haus IFBC seinen aktuellen «Sector Report – Swiss Retailbanking» für das Jahr 2024 veröffentlicht. Die Analyse basiert auf den publizierten Abschlüssen von 55 Schweizer Retailbanken mit einer Bilanzsumme über einer Milliarde Franken – darunter 15 Institute mit börsenkotierten Titeln (mehrheitlich Kantonalbanken).
Ziel ist es, die finanzielle Performance und Wertschöpfung der Branche differenziert abzubilden.
Gute Resultate knapp gehalten
«2023 war ein ausserordentlich gutes Jahr für die Retailbanken», sagt Studienautor Christian Hirzel, Partner Financial Services bei IFBC. «2024 konnte der Sektor diese guten Resultate noch knapp halten. Die rückläufigen Erträge aus dem Zinsgeschäft konnten insgesamt relativ gut kompensiert werden durch höhere Kommissions- und Dienstleistungserträge.»
Tatsächlich wuchs das Kommissionsgeschäft im vergangenen Jahr um durchschnittlich 8,4 Prozent (im vergleich zu deutlich schwächeren 1,9 Prozent im Vorjahr).
Zinserfolg um 2,8 Prozent geschrumpft
Doch der Rückenwind flaut ab: «Das Erreichen dieser guten Ergebnisse wird 2025 und voraussichtlich auch in den kommenden Jahren aufgrund sinkender Zinsmargen und anhaltendem Kostendruck immer anspruchsvoller werden. Besonders gut sind jene Retailbanken positioniert, die im indifferenten Geschäft [Kommissions- und Dienstleistungserträge, Anm.] bereits stark sind», so Hirzel.
Die Studie zeigt, dass der Median-Zinserfolg 2024 um 2,8 Prozent schrumpfte – vor allem wegen deutlich höherer Passivzinsen. «Getrieben war diese Entwicklung hauptsächlich vom überproportionalen Anstieg des Zinsaufwands (+33.0 Prozent) im Vergleich zum Zinsertrag (+5.9 Prozent)», heisst es in der Studie.
Steigende Sachaufwände
Gleichzeitig steigen die Sachaufwände weiter, insbesondere für IT und Regulatorik. Kleine Banken leiden besonders, weil ihnen Skaleneffekte fehlen. «Besonders stark macht sich der Kostendruck bei kleineren Instituten bemerkbar, da diese bei Systemen und Standardanwendungen (bspw. Kernbankensystem, Twint) weniger von Skaleneffekten profitieren können», sagt Hirzel.
Auch an der Börse werden die Retailbanken zurückhaltend bewertet: Der Median des Kurs-Gewinn-Verhältnisses liegt bei 11,8x, die Market-to-Book-Ratio bei tiefen 0,8x.
Eigenkapitalrenditen vertieft analysiert
Ein wichtiger Grund dafür sind die tiefen Eigenkapitalrenditen, welche die Studie sehr aufwändig analysiert. Um eine Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen Instituten herzustellen, wird zunächst der sogenannte «Return on Required Equity» (RorE) analysiert, also die Rendite im Verhältnis zum regulatorisch vorgeschriebenen, minimalen Eigenkapital.
46 der 55 Institute konnten anhand dieser Kennzahl einen positiven sogenannten Economic Profit 1 erzielen – also eine Wertschöpfung oberhalb der regulatorischen Mindesteigenmittel. Spitzenreiterin dabei ist die Banque Cantonale Vaudoise, die einen RorE-CoE-Spread von 11 Prozent erzielte. Bemerkenswerterweise erwirtschaften alle 24 Kantonalbanken nach dieser Metrik eine positive Rendite.
Gemessen an regulatorischen Mindestkapital sind die meisten Retailbanken profitabel (vertikal: 2024; horizontal: Durchschnittswert 2018 bis 2024). (Bild: IFBC)
Hälfte der Banken unprofitabel
Beim Economic Profit 2, der das effektive Eigenkapital berücksichtigt und damit die Eignerpräferenzen in diesem Bereich abbildet, sieht es schlechter aus: Von den 55 Instituten bewegten sich 31 sowohl im Jahr 2024 als auch im Schnitt der vergangenen sechs Jahre im negativen Territorium. Bei den kleinen Retailbanken schafften es 2024 gerade einmal drei, auch auf dieser Basis einen positiven Wert zu erzielen.
«Viele, gerade kleinere, Retailbanken erwirtschaften schon heute keinen risikogerechten Gewinn», bilanziert Studienautor Christian Hirzel.
Gemessen am effektiven Eigenkapital ist das Bild weniger freundlich. (vertikal: 2024; horizontal: Durchschnittswert 2018 bis 2024). (Bild: IFBC)
Regulierungsdruck betrifft nicht nur die UBS
Schliesslich stellt der Report auch fest: Die Regulierungsoffensive infolge der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS dürfte langfristig nicht nur systemrelevante Institute betreffen. «Die Branche geht davon aus, dass der eingeleitete Regulierungsdruck im Zusammenhang mit der Grossbankenfusion auch Einfluss auf die Regulierung kleinerer Banken haben wird», erklärt Hirzel.
Umso wichtiger sei eine klare strategische Ausrichtung, konstante Kostendisziplin und ein gezielter Ausbau des kommissionsbasierten Geschäfts, betonen die Autoren.