Dorothea Baur hilft Pensionskassen aus ihrer Nachhaltigkeits-Verwirrung. Gegenüber finews.ch erklärt die Ethikerin, warum es wichtig ist, dass Grossbanken wie die UBS Kohleförderer finanzieren.


Frau Baur, Sie haben unlängst ein Beratungsmandat bei einer der grössten Schweizer Pensionskassen erhalten. Weshalb braucht das Vorsorgewerk eine Ethik-Expertin?

Interessanterweise wurden wir an einer Investorenkonferenz aufeinander aufmerksam. Dort erklärte ein Referent, seine Pensionskasse lasse sich in Sachen Nachhaltigkeit von den demokratisch legitimierten Gesetzen der Schweiz leiten. Ich verlangte das Mikrofon und fragte: Wie lauwarm ist das denn?

Lauwarm, wieso?

Weil das unmöglich durchdacht sein kann – etwa im Hinblick auf Vorstösse wie die letztjährige Selbstbestimmungs-Initiative, die Schweizer Recht über ausländisches Recht stellte und damit weltweit geltendes Menschenrecht tangiert hätte.

Worauf man Sie vom Fleck weg engagierte.

Tatsächlich sassen Vertreter jener anderen Pensionskasse im Publikum und wurden auf mich aufmerksam. Sie wollten eine nachhaltige Anlagepolitik entwickeln und suchten dazu eine unabhängige Beratung. Dies, um sich intern zuerst darüber klar zu werden, was Nachhaltigkeit bedeutet.

Auch Sie finden den Begriff unscharf?

Für den einen heisst Nachhaltigkeit, nur den CO2-Ausstoss zu kalkulieren. Ein anderer fasst bis hin zur Governance und zur Geschlechter-Diversität von Firmen alles Mögliche unter den Begriff. Und für Dritte ist es nur ein PR-Gag.

«In einer Welt, die vom Klimawandel zerstört ist, hat die Rente keinen grossen Wert mehr»

Es ist tatsächlich so, dass unter Pensionskassen eine grosse Verwirrung darüber herrscht, was Nachhaltigkeit bedeutet. Mein Job ist es, den Kunden Klarheit zu verschaffen, worüber sie miteinander reden wollen.

Und, ist Ihnen das gelungen?

Ich fühlte zuerst den verschiedenen Involvierten in Einzelinterviews auf den Zahn, um herauszufinden, wo der Konsens liegt. Also, was sie sich von der Nachhaltigkeit erhoffen – und wovor sie sich allenfalls fürchten. Die Verletzung von Sorgfaltspflichten ist etwa ein grosses Thema.

Wer nicht nachhaltig investiert, verletzt die Sorgfalt gegenüber den Versicherten?

Das wird ausserhalb der Schweiz zunehmend heftig diskutiert. Auch hierzulande gilt, dass die Kassen den Lebensstandard der Versicherten erhalten müssen. Da geht es in erster Linie um die monetäre Komponente. Aber in einer Welt, die vom Klimawandel zerstört ist, hat die monatliche Rente keinen grossen Wert mehr.

Das heisst?

Wer in Firmen investiert, die den Klimawandel befördern, setzt den Wert der Renten mutwillig herab. In Grossbritannien etwa müssen Pensionsfonds bereits aktiv begründen, warum sie nicht nach nachhaltigen Kriterien investieren.

Mit Blick auf die Nachhaltigkeits-Ziele der Uno arbeitet die EU inzwischen an einem Aktionsplan, der in diverse europäische Finanzrichtlinien einfliesst und nachdem sich die Schweizer Finanzbranche wohl oder übel wird richten müssen. Ist das in Kauf zu nehmen, um endlich klare Regeln im Umgang mit nachhaltigen Investments zu erhalten?

Es braucht dringend Standards. Wenn die EU diese festlegt, werden sich die Schweizer Pensionskassen kaum entziehen können.

«Die heutigen Klimajugendlichen sind die Bankkunden von morgen»

Ich persönlich finde es wichtig, dass die Vorsorgewerke selber Werte definieren und verinnerlichen – anstatt sich diese von aussen aufoktroyieren zu lassen.

Wie die Proteste der so genannten Klimajugend und der jüngste Siegeszug von Umweltparteien zeigen, wird die Thematik auch hierzulande politisch zunehmend brisant. Unterschätzt das die Finanzbranche?

Aufgrund ihrer Lebenserwartung hat die Klimajugend einen langfristigen Horizont – das hat sie sinnigerweise mit den Pensionskassen gemeinsam. Entsprechend sehe ich hier Synergien. Der Rest der Finanzbranche ist hingegen oftmals kurzfristig orientiert. Schon dadurch wird das Metier von den Protesten herausgefordert. Allen dürfte jedoch klar sein: Die heutigen Klimajugendlichen sind die Bankkunden und Mitarbeitenden von morgen.

Können Sie Schweizer Finanzinstitute nennen, die in Sachen Nachhaltigkeit vorbildlich sind – ausser der Alternativen Bank, bei der sie ein Mandat als unabhängige Ethikbeauftragte haben?

Ich möchte keine Werbung für einzelne Unternehmen machen. Mittlerweile bieten fast alle Banken und auch diverse Fintechs Nachhaltigkeits-Produkte an. Damit sind selbst für den Kleinanleger die Hürden zu diesem Bereich deutlich gesunken.

Die Schweizer Grossbank UBS hat angekündigt, bis Ende 2020 den Anteil entsprechender Investments an den verwalteten Vermögen im Vergleich zu 2017 verdoppeln. Wie nachhaltig sind solche industriellen Ansätze?

Die Skalierung ist wichtig, um überhaupt einen Effekt zu erzeugen. Aber es fragt sich, was da genau skaliert wird.

«Scheinheilig wird es für mich dann, wenn versucht wird, solche Transaktionen zu vertuschen»

Darum ist es wichtig, trennscharf festzulegen, was nachhaltige Anlagen sind – ohne hier der UBS einen Vorwurf machen zu wollen.

NGO wie Greenpeace sind da weniger zurückhaltend. Sie prangern Banken wie die UBS an, weil diese die Produzenten von fossilen Energieträgern finanzieren. Darf man den Banken Scheinheiligkeit vorwerfen?

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
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