Die Demokratisierung von Private Equity und Venture Capital hat begonnen. «Die Entwicklung, die in den letzten 20 Jahren an den Börsen stattfand, werden wir auch an den Privatmärkten erleben», sagt Andreas Bezner, der Mitbegründer und CEO des Schweizer Fintech-Unternehmens Stableton, im Interview mit finews.ch.


Herr Bezner, mit welchen Renditen können Privatmarkt-Anleger üblicherweise rechnen?

An den Privatmärkten sind die Renditeaussichten breit gefächert. Wie der öffentliche Markt setzt sich der private Markt aus unterschiedlichen Anlagestilen und vielen verschiedenen Anlageklassen zusammen, darunter Private Equity, Private Debt, Infrastruktur, Immobilien und Fonds.

Langfristig sind Privatmarktanlagen an die öffentlichen Märkte gekoppelt, die über einen langen Zeitraum eine Jahresrendite von durchschnittlich etwa 6 bis 7 Prozent abwerfen. Bei Private Equity ist eine Mehrrendite von 3 bis 8 Prozentpunkte pro Jahr auf lange Sicht realistisch.

Wie liquide sind Privatmarktanlagen?

Die meisten Privatmarktanlagen werden derzeit über klassische Fonds vertrieben, die üblicherweise eine Laufzeit von rund zehn bis zwölf Jahren haben. Bei Direktinvestitionen in Unternehmen ist die Liquidität für Investoren tendenziell kürzer, aber beispielsweise aufgrund von Aktionärsbindungsverträgen auch komplexer.

Auf unserer Handelsplattform lässt sich in Venture Capital und Growth Equity, als Teilbereiche von Private Equity, auch mit Hilfe von Zertifikaten investieren.

«Es gibt jetzt viele reizvolle Opportunitäten»

Diese strukturierten Produkte richten sich speziell an qualifizierte Privatinvestoren. Die Zertifikate sind fungibel, das heisst, sie sind transferierbar. Daher besteht nurmehr die Frage, ob es einen Markt dafür gibt. Stableton wiederum kombiniert ein Orderbuch mit einer sehr breiten Basis von Investoren, was die Handelbarkeit fördert.

Auch an den Privatmärkten haben die Unternehmensbewertungen drastisch korrigiert? Ein ideales Marktumfeld für Schnäppchenjäger?

Ja, auf jeden Fall. Es gibt jetzt viele reizvolle Opportunitäten. Gerade institutionelle Anleger verstehen dank reichem Erfahrungsschatz und grossem fachlichem Know-how auch Rendite- und Risikokonstellationen gut. Die Bewertungskorrektur eröffnet attraktive Chancen, sofern die fundamentale Entwicklung eines Unternehmens stimmt.

Fragen Anleger jetzt vermehrt Privatmarkt-Lösungen nach?

Die langfristige Nachfrage ist weiter ungebrochen. Viele Institutionelle investieren konstant über die Zeit. Daher bleibt die Nachfrage mehr oder weniger stetig. Im gegenwärtigen Marktumfeld werden jedoch aktive Produkte rege nachgefragt, welche die derzeitigen Verwerfungen nutzen können.

Attraktiv sind beispielsweise Lösungen, die den Zweitmarkt für Venture Capital, Growth Equity und Private-Equity-Anlagen nutzen, indem von verkaufswilligen Investoren zu günstigen Bewertungen gekauft wird.

«Kapitaleffizienz und Profitabilität haben einen viel höheren Stellenwert»

In welchen Branchen sehen Sie derzeit die grössten Chancen?

Grundsätzlich sind die Opportunitäten breit gestreut. Stableton konzentriert sich auf vier verschiedene Sektoren. Unsere Kunden profitieren von unserer umfassenden Branchenexpertise in den Bereichen Consumer Tech, Fintech, Software-as-aService (Saas) und Mobilität. Speziell bei SaaS und Fintech sind die Bewertungen jetzt signifikant zurückgekommen. Die Aussichten für die operative Entwicklung solcher Firmen bleiben längerfristig aber oft verheissungsvoll.

Im Zuge der ultralockeren Geldpolitik kauften Investoren in den letzten Jahren Wachstum praktisch um jeden Preis. Hat sich der Fokus nun auf rentables Wachstum verschoben?

Etliche Anleger sind risikoaverser geworden. Kapitaleffizienz und Profitabilität haben einen viel höheren Stellenwert. Wir wählen Unternehmen aus, die weder viel neues Kapital brauchen noch von Wachstum um jeden Preis abhängig sind.

Unser Investitionskonzept fokussiert auf stark überdurchschnittlich wachsenden, hochqualitativen und kapitaleffizienten Unternehmen bei gleichzeitig attraktiven Bewertungen, die auch in Zukunft Wachstumschancen offerieren.

«Ich erwarte, dass wir spätestens gegen Ende 2023 in den Wachstumsmodus zurückkehren»

Wie lange wird die Durststrecke an den Märkten noch andauern?

Ein Grossteil der Korrektur liegt hinter uns, bei den Bewertungen wurde bereits recht viel vorweggenommen. Wagniskapitalgeber wiederum haben an der Seitenline mit rund 290 Milliarden Dollar reichlich Investitionskapital parkiert. Ich erwarte, dass wir spätestens gegen Ende 2023 in den Wachstumsmodus zurückkehren.

Welche massgeblichen Trends beobachten Sie an den Privatmärkten?

Viele Unternehmen bleiben länger in Privatbesitz, ehe sie sich zu einem Börsengang entschliessen. Ein Grossteil der Wertsteigerung findet bereits vor einer Publikumsöffnung statt. Auch ist es für Privatunternehmen einfacher geworden, sich ohne Going public ausreichend Kapital zu beschaffen.

Und auf der Anlegerseite?

Die Demokratisierung von Private Equity und Venture Capital hat begonnen. Früher waren die Privatmärkte hauptsächlich Institutionellen, Wagniskapitalgebern und reichen Einzelpersonen vorbehalten.

Künftig werden wir weitere Kreise von Privatinvestoren sehen, auch Retail-Anleger, die den Anteil von Private Equity in ihren Portfolios erhöhen. Nicht zuletzt erwarten wir eine erhöhte Transparenz und Liquidität, denn es gibt immer mehr Standards, Datenanbieter und Handelsplattformen.

«Ein Grossteil der Wertsteigerung findet bereits vor einer Publikumsöffnung statt»

Wohin führt diese Demokratisierung?

Der Wandel wird sich noch viel mehr verstärken, als heute schon absehbar ist. Gegenwärtig wird die ganze Infrastruktur aufgebaut und bereitgestellt. Die Entwicklung, die in den letzten 20 Jahren an den Börsen stattfand, werden wir daher auch an den Privatmärkten erleben.

Was genau sprechen Sie an?

Die Entwicklung von teuren, aktiv gemanagten Investmentfonds über günstigere Indexprodukte und Robo-Advisor bis hin zum Trader, der auf gebührenfreien Plattformen wie Robinhood handelt.

Eine ähnliche Entwicklung erwarte ich im Bereich Venture Capital in den nächsten fünf bis zehn Jahren. Dieser Wandel wird sich enorm schnell vollziehen. Die meisten Leute unterschätzen diesen Wandel gegenwärtig.

Wie verbreitet ist ihre Handelsplattform in Schweizer Finanzkreisen?

Schätzungsweise 80 Prozent der grössten Schweizer Banken halten bei uns schon Produkte für ihre Kunden. Das sind entweder Direktkunden oder Vermögensverwalter, die über diese Banken als Custodian zeichnen.

Wir haben mittlerweile über 50 Finanzintermediäre, die mit uns zusammenarbeiten. Zudem besteht eine offizielle Kooperation mit der Bank CIC. Eine ganze Reihe von weiteren Kooperationen ist in der Schwebe. Bei Direktkunden, die ihre Gelder für sich selbst verwalten, ist das Wachstum ungebrochen.

«Alle Banken suchen da händeringend nach interessanten Anlagemöglichkeiten»

Man darf also mit neuen Kooperationen schon im Jahr 2023 rechnen?

Die Nachfrage für bankfähige Privatmarktanlagen bleibt anhaltend gross. Alle Banken suchen da händeringend nach interessanten Anlagemöglichkeiten. Noch ist nichts spruchreif, aber ich wäre sehr enttäuscht, wenn wir nicht bereits im ersten Halbjahr 2023 wesentliche neue Kooperationen bekanntgeben würden.

Wie hoch sind die verwalteten Vermögen in ihren Anlagelösungen?

Wir sind bei rund einer Viertelmilliarde Franken. In absehbarer Zeit, also in den nächsten zwei bis drei Jahren, wollen wir die Milliardenhürde genommen haben.

Welche weiteren Wachstumsziele steckt sich Stableton?

Zunächst lag unser Fokus auf Finanzintermediären, danach haben wir den Bereich Direktkunden ausgebaut. Neu wollen wir Institutionelle wie Family Offices und Pensionskassen noch stärker erschliessen.

Weiter haben wir unser Angebot an Anlagelösungen ausserhalb des Zertifikatebereichs ausgebaut. Dieses Jahr werden wir zudem einen Fonds für Institutionelle lancieren, der sich auf Late-stage Venture-Capital und Direct Secondaries konzentriert, aber auch via Zertifikat zugänglich sein wird.

«FTX war eine kleine Allokation in einem unserer Portfolios im Promillebereich»

Wie gestaltet sich dieser Fonds?

Wir können da unser ganzes Know-how und unsere Netzwerkeffekte bei der Identifikation von attraktiven Zweitmarktopportunitäten interessanter Wachstumsunternehmen einbringen. Der Fonds wird ein Zielvolumen von voraussichtlich 100 Millionen Franken haben und eine Struktur, die ihn für eine breitere professionelle Investoren-Basis attraktiv macht.

Er wird international ausgerichtet sein, 15 bis 25 Unternehmen umfassen mit einem Fokus auf die entwickelten Märkte und unsere vier Kernsektoren, 80 Prozent via Secondaries-Transaktionen. Wir schreiben damit unser bestehenden Leistungsausweis fort.

Stableton war unter anderem in der inzwischen konkursiten Krypto-Börse FTX investiert. Welche Lehren ziehen Sie aus diesem Skandal?

FTX war eine kleine Allokation in einem unserer Portfolios im Promillebereich gemessen an den verwalteten Mitteln. Grundsätzlich kommt kein Anleger früher oder später um Fehlinvestments herum.

Gerade bei Wagniskapital wird es immer Ausfälle oder Verluste geben. Betrug und Täuschung kann überall passieren, selbst bei börsenkotierten Unternehmen, siehe beispielsweise die Fälle Wirecard oder Enron. Aus diesem Grund ist eine angemessene Portfoliodiversifikation sehr wichtig. Klassische Fehleinschätzungen hinsichtlich Wachstum oder Bewertung kommen dabei sehr viel häufiger vor.


Andreas Bezner ist Unternehmer, Spezialist für alternative Anlagen und aktiver Risikokapitalgeber. Bevor er Stableton mitbegründete, verwaltete und überwachte er Anlageportfolios sowie mehrere Beratungs- und Vertriebsprojekte, die es Finanzintermediären und alternativen Investmentgesellschaften ermöglichten, Geschäfte miteinander zu tätigen. Bei Stableton, das zum Schweizer Fintech des Jahres 2022 gekürt wurde, amtiert Bezner als CEO und Chief Investment Officer.

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