Der Bärenmarkt macht vor Nachhaltigen Anlagen nicht halt: Das ist der aktuelle Befund der wichtigsten Schweizer Branchenstudie zu diesem Geschäft. Ebenfalls sind Fonds mit messbarer Wirkung noch ganz am Anfang.

Dem steilen Trend zu mehr nachhaltig investierten Vermögen ist die Spitze genommen. Nach massiven Zugewinnen seit dem Jahr 2018 sind die Volumen von Nachhaltigen Anlagen im vergangenen Jahr 2022 erstmals rückläufig gewesen – und zwar deutlich.

Wie die aktuelle Marktstudie der von allen wichtigen Akteuren getragenen Branchenorganisation Swiss Suistainable Finance (SSF) am Dienstag festhielt, bildeten sich die nach nachhaltigen Grundsätzen verwalteten Kundengelder von 1’983 Milliarden Franken im Jahr um ganze 19 Prozent auf 1’610 Milliarden Franken zurück. Dies vor dem Hintergrund eines für die meisten Anlageklassen sehr schwierigen Börsenjahr.

Vorsichtigere Auslegung

Wie die Autoren festhielten, hat sich der Nachhaltigkeit-Anteil an den Gesamtvermögen mit 52 Prozent hingegen nicht wesentlich verändert.

Der Rücksetzer im bis dato erfolgverwöhnten Hoffnungsgeschäft der Schweizer Asset Manager mit der «Sustainabilty» lässt sich damit jedoch nicht wegreden. Laut den Studienautoren haben mehrere Faktoren zum Rückgang beigetragen: Die negative Marktperformance im Jahr 2022 ist «schuld» an 18 Prozentpunkten; die vorsichtigere Auslegung von nachhaltigkeitsbezogenen Anlagen durch die Studienteilnehmer ist für den Rest verantwortlich.

Letzteres ist wohl ein Zeichen dafür, dass die Branche den Vorwurf des Etikettenschwindels bei nachhaltigen Produkten («Greenwashing») ernst nimmt, genauso wie die juristischen Folgen, die aus solchen Praktiken erwachsen können.

Run auf «Impact»

«Auch nachhaltigkeitsbezogene Anlagen vermochten sich den Bärenmärkten nicht zu entziehen», liess sich SSF-Chefin Sabine Döbeli in der Mitteilung zur Studie zitieren. Trotz den negativen Einflüssen auf die Volumen hätten aber Anlagen mit Nachhaltigkeitsbezug im vergangenen Jahr Zuflüsse verzeichnen können, erklärte sie weiter.

Wie sich aus der Studie weiter herauslesen liess, ist dies insbesondere zwei Segmenten gelungen: Nachhaltige thematische Investitionen haben um 86 Prozent mehr Kundengelder angezogen. Die Vermögen im so genannte Impact Investing mit messbarer nachhaltiger Wirkung legten um 80 Prozent zu.

Das muss als klares Zeichen betrachtet werden, dass Anlegerinnen und Anleger nicht nur gute Vorsätze im Umgang mit Umwelt, Gesellschaft und Governance (ESG) wünschen, sondern tatsächlich eine zählbare Veränderung hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft. Portefeuilles, die sich etwa auf die Reduzierung des CO2-Fussabdrucks gemäss den Vorgaben der Pariser Klimaziele konzentrieren, verwalten mittlerweile 375 Milliarden Franken.

Drei Sichtweisen

Das klingt nach viel. Je nach Klassifizierung ist aber noch ein weiter Weg zum erstrebenswerten Impact zu gehen. Weiterhin – und nach Jahren der Bemühungen – fehlt dem Markt eine allgemeingültig Definition des Begriffs «nachhaltige Anlagen». Stattdessen herrscht ein Kunterbunt verschiedener Versprechen. Laut der Analyse wollen 569 Milliarden Franken und damit der grösste Anteil der 1’610 Milliarden Franken Vermögen mit «Nachhaltigkeitbezug» gleich fünf oder mehr Ansätzen genügen (siehe Grafik unten).

Wird hingegen die Definition der Selbstregulierung des Fondsverbands Asset Management Association Switzerland (AMAS) für Nachhaltige Alangen hinzugezogen, bleiben noch 85 Prozent des Marktes oder 1’380 Milliarden Franken an Investments übrig. Die AMAS-Definition schliesst dabei Produkte aus, die nur nach ESG-Ausschlusskriterien oder der ESG-Integration investieren.

Ausserdem hat SSF ein Experiment unternommen. In einer Pilotstudie wendete die Vereinigung die Vorgabe eines Eurosif-Whitepapers (Eurosif kann als europäisches Pendant zur Schweizer SSF betrachtet werden) an. Dieses Weisspapier klassifiziert Anlagen je nach ihrem Hauptziel und ihrem Ambitionsniveau, zur Transition in eine nachhaltige Welt beizutragen. Fünf Arten von Anlagen werden unterschieden, von wenig ambitionierten Basis-ESG-Investments bis zu tatsächlich wirkungsgenerierenden Investments.

Gar kein Klassement mehr

Fazit der Anwendung auf das hiesige Fondsgeschäft: Nur 20 Prozent der hierzulande als nachhaltig beworbenen Anlagen weisen einen klaren Bezug zu Wirkung auf, sei es, dass sie in Unternehmen mit Wirkung investieren oder dass das Investment eine direkte Wirkung hat.

Drei Sichtweisen, drei Resultate – das zeigt, welche Gratwanderung Schweizer Asset Manager weiterhin gehen müssen, um das eigentlich hoffnungsvolle und auch margenträchtige Business mit der Nachhaltigkeit voranzutreiben. Die Verwirrung bei den Finanzprofis selber hat scheinbar noch zugenommen, wenn es darum geht, welche Klassifizierung für den Vertrieb auf EU-Gebiet gelten soll. So ist der Anteil der Fonds, für die laut der SSF-Studie überhaupt kein Klassement offengelegt wird, gegenüber dem Jahr 2021 von 39 auf 51 Prozent geklettert.

Übergreifende Regelungen gewünscht

«Das Fehlen einer klaren, allgemeingültigen Definition nachhaltiger Anlagekonzepte und -Methoden führt zu einem Abstimmungsbedarf zwischen Aufsichtsbehörden und Marktteilnehmern», resümieren die Studienautoren. Hatte die Branche bisher ihr Heil in Selbstregulierung gesucht, tendiert sie nun offensichtlich zu einer klaren Ansage des Regulators. «Übergreifende, prinzipienbasierte Regelungen für alle Finanzsektoren würden den Anlegerschutz genauso stärken wie die internationale Wettbewerbsfähigkeit und Reputation des Schweizer Finanzplatzes», hofft man bei der Branchenvereinigung.

Die Vorgaben aus Bern in diese Richtung stehen bereits: Ende 2022 hat der Bundesrat einen entsprechenden Bericht verabschiedet; daraus sollen im Austausch mit der Branche bis ins Jahr 2025 nicht weniger als 15 Massnahmen abgeleitet werden, wie der Schweizer Finanzplatz seine Position als Standort für nachhaltige Finanzen ausbauen kann.

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