Was das konkret bedeutet, hat Collardi bei seiner früheren Arbeitgeberin demonstriert, wo er eine beispielslose Personaloffensive einläutete und die Bilanz der Bank im grosse Stil ausbaute, um damit den Kunden noch höhere Kredite gewähren zu können. Doch gerade ein solches Vorgehen könnte Pictet schon bald einmal an seine Liquiditätsgrenzen bringen.

Wichtigster Mann in Asien

Denn bislang verfolgte das Institut einen überaus massvollen, vorhersehbaren und vor allem auch sparsamen Ansatz. Damit nahm die Bank auch in Kauf, nicht mit dem rasanten Wachstum in Asien Schritt zu halten. Doch genau das dürfte sich mit Collardi ändern, der mit Asien bestens vertraut ist und Julius Bär mit seiner offensiven Strategie sehr weit gebracht hat. Ein Sprecher von Pictet wollte sich zu diesen Informationen nicht äussern.

Pictets bislang wichtigster Mann in Asien heisst Claude Haberer, ein Banker, der nunmehr wohl am meisten zu verlieren hat, nicht zuletzt, wenn sich nun in der Branche auch noch die Stimmen mehren, die sagen, Pictets Organisation in Asien könnte durchaus etwas gestrafft werden.

Zünglein an der Waage

Und noch etwas kommt hinzu: Zwischen Nicolas Pictet und Haberer besteht seit vielen Jahren eine enge Beziehung, während Rémy Best (Bild unten), ein weiterer Pictet-Partner, der nun zusammen mit Collardi die globale Vermögensverwaltung verantwortet, Haberer weniger nahe steht.

Remy Best 500

Unter diesen Prämissen könnte Collardi sehr wohl das Zünglein an der Waage spielen, wenn es um die Zukunft des derzeitigen Asien-Chefs geht. Wie Recherchen von finews.ch ergaben, versuchte Haberer in den vergangenen Monaten, bei anderen Bankern denn auch möglichst viel über Collardi in Erfahrung zu bringen, um ihm möglichst auf Augenhöhe begegnen zu können.

Renommierter Arbeitgeber

Haberer ((Bild unten) hat in den vergangenen Jahren einen durchaus soliden Leistungsausweis hingelegt. Nicht zuletzt ist es ihm auch gelungen, mit einer umsichtigen Anstellungspolitik einige hochkarätige Banker wie Randy Chu für das diskretionäre Portfolio-Management, oder die Südostasien-Spezialistin Grace Barki an Bord zu holen. Insofern ist Pictet zu einem renommierten Arbeitgeber in der Region avanciert.

Claude Haberer 527

Doch trotz guter Mitarbeiter blieb Pictet bis heute der ganz grosse Durchbruch in Asien verwehrt. Einige Kaderleute haben das Unternehmen denn auch bereits wieder verlassen, wie Barki, die nach nur zwei Jahren zu J.P. Morgan wechselte. Auch Anuj Khannas Engagement als CEO in Singapur endete abrupt, während sein Nachfolger, Dominique Jooris, der von Goldman Sachs kam, gemäss Branchenkennern nicht das nötige Netzwerk hat, um weitere, hochkarätige Anstellungen zu gewährleisten.

Vor diesem Hintergrund dürfte es nicht überraschen, wenn Collardi, der über beste Beziehungen in der Branche verfügt, diverse Leute von seiner früheren Arbeitgeberin Julius Bär zu Pictet lotst.

Bilanzsumme entscheidet

Hauptursache für das bisher eher bescheide Wachstum von Pictet in Asien ist der Umstand, dass die Bank mit ihrer Bilanz immer sehr restriktiv verfahren ist. Oder anders gesagt: «In Asien vertrauen die Kunden ihr Geld nicht einer Privatbank an, damit es dort verwaltet wird, sondern als Sicherheit, um Kredite aufzunehmen, mit denen sie wiederum an der Börse spekulieren können. Ein ehemaliger Mitarbeiter von Pictet formuliert es so: «In Asien ist es für eine Privatbank mit Wachstumsabsichten unmöglich, mit einer kleinen Bilanz zu arbeiten.»

Genau diese Feststellung ist zentral für die Zukunft von Pictet. Unter diesen Prämissen werden die insgesamt sieben Partner der Bank nicht umhin kommen, sich zu entscheiden, ob sie einen substanziellen Teil ihrer riesigen Kapitalreserven – inklusive der Stillen – für den weiteren Ausbau in Asien verwenden wollen. Oder ob sie eine andere Variante wählen, indem sie beispielsweise eine Partnerschaft eingehen oder einen grossen Investor, beispielsweise einen Staatsfonds, ins Aktionariat aufnehmen.


  • Lesen Sie am Donnerstag auf finews.ch, wie sich die Struktur von Pictet verändern könnte, und was der Eintritt von Boris Collardi in die 213 Jahre alte Privatbank Pictet noch alles bewirkt.
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