Tidjane Thiam steckt als CEO der Credit Suisse in einer ausweglosen Situation. Es wäre an der Zeit, die Idee einer rein schweizerischen CS wieder zu beleben, findet finews.ch. Eine Option, die unwahrscheinlich klingt, es aber nicht unbedingt ist.

Tidjane Thiam und die Schweiz: Das wird nichts mehr. Der CEO der Credit Suisse (CS) hat im Zuge der «Spygate»-Affäre seine Glaubwürdigkeit definitiv verloren. Inzwischen kämpft er im anhaltenden Medientrommelfeuer nicht nur um seinen Job, sondern auch um seine Würde.

Gut möglich, dass Thiams Absetzung als CEO bereits diese Woche im CS-Verwaltungsrat beschlossen wird. Genauso möglich ist, dass die wichtigsten CS-Aktionäre seinen Machterhalt sichern.

Gestörte Beziehungen

Auch in diesem Fall bliebe der Fakt: An Thiam wird vor allem hierzulande die Beschattungsaffäre haften und die Beziehungen mit hiesigen Stakeholdern immer gestört bleiben – für den CEO der zweitgrössten Schweizer Bank eine unmögliche Situation.

Die CS braucht eher früher als später einen radikalen Schnitt – und dieser könnte darin liegen, die Schweizer Einheit abzuspalten. Paradoxerweise ist dies eine Option, die bereits Thiam vor einiger Zeit mit grosser Energie verfolgt hat. Man erinnert sich: Zur Diskussion stand ein teilweiser Börsengang der CS Schweiz – um Kapital für die CS-Gruppe zu schaffen. Doch soweit kam es damals nicht; die Grossbank konnte sich anderweitig Geld holen.

Bewegliche Bank

Zugegeben, es wäre ein komplexes und sicherlich heikles Unterfangen, das Schweizer Heimgeschäft von den internationalen Aktivitäten im Wealth Management und Investmentbanking abzutrennen. Doch ummöglich wäre es nicht – und brächte durchaus einige Vorteile mit sich, wie finews.ch feststellt. Hier sind die Überlegungen. 

Zunächst: Thiam könnte CEO der CS-Gruppe bleiben, die sich als beweglichere globale Bank mit bedeutendem Vermögensverwaltungsgeschäft und Investmentbank positionieren würde, was seinen strategischen Interessen absolut entspricht.

Rassistische Ressentiments

Und nicht nur das. Der französisch-ivorische Doppelbürger fühlt sich mit seinem staatsmännischen Habitus ohnehin auf den internationalen Bühnen deutlich wohler als im Kontakt mit der Schweizer Banken- und Kunden-Folklore. Er könnte elegant aus der Schusslinie verschwinden – und sich den Anfeindungen wegen seines umstrittenen Managementstils als auch der rassistischen Ressentiments entziehen.

Eine CS Group mit gänzlich internationaler Ausrichtung würde überdies eine deutlich geringere regulatorische Komplexität aufweisen und unterläge aufgrund der wegfallenden Systemrelevanz milderen Kapitalvorschriften. Ihre strategische Ausrichtung wäre klarer und liesse sich potenziellen Aktionären als Wachstumsstory einfacher vermitteln.

Knappes Gut

Ein weiterer Vorteil einer Abspaltung der CS Schweiz: Die CS-Gruppe wäre ein grosses Legacy-Problem los. Die Modernisierung der veralteten IT-Struktur der CS Schweiz wird in den kommenden Jahren enorme Mittel verschlingen. Kapital ist jedoch ein knappes Gut. Aus strategischer Sicht könnte es Thiam für sinnvoller halten, das Kapital effektiv in Wachstum zu investieren, als in einen Schweizer Markt, dessen Wachstumsaussichten stark limitiert sind.

Eine unabhängige CS Schweiz würde allerdings auch an strategischer Flexibilität gewinnen, was in Anbetracht der erheblichen Mittel, die der Aufbau der digitalen Direct Bank benötigt, nicht unwichtig ist.

Ohne Interessenkonflikte

Die Bank könnte im Schweizer Markt aus einer bereits starken Position agieren – ohne sich um die politischen Streitereien im CS-Konzern scheren zu müssen. Der Wegfall des ständigen Interessenkonfliktes, eine globale Handelsbank zu sein, wäre ein Plus für die Kundenakquisition und -bindung. Ausserdem fände eine CS Schweiz mit einem erprobten und vorhersehbaren Geschäftsmodell bei Börsianern durchaus Anklang.

Natürlich wäre eine Abspaltung eine zwar hoch komplexe und teure Angelegenheit. Doch viele Vorarbeiten sind bereits gemacht – vor allem rechtlich und organisatorisch. Aber im Gegensatz zum Plan von 2017, als nur ein Minderheitsanteil an der CS Schweiz an die Börse gebracht worden wäre, müsste es nun eine Mehrheit sein, um eine klare regulatorische Trennung der beiden Banken herzustellen.

Abgesehen davon, ob die CS-Aktionäre eine solche Abspaltung des wichtigsten Geschäfts der CS Gruppe unterstützen würden, lautet die Kardinalfrage: Wie wahrscheinlich ist diese Option?

Thiam nicht abgeneigt

Die CS wollte eine diesbezügliche Anfrage von finews.ch nicht kommentieren. Doch der CS-Verwaltungsrat wird an der voraussichtlich (heute) Dienstag stattfindenden ordentlichen Sitzung in erster Linie entscheiden müssen, unter welchen Bedingungen Thiam als CEO bleibt – oder eben nicht.

Thiam selber, so heisst es aus seinem engeren Umfeld, schätzt den zuverlässigen Gewinnlieferanten CS Schweiz. Doch was seine persönlichen Pläne und Freiheiten betrifft, wäre er nicht unglücklich, ohne die CS Schweiz manövrieren zu können. Bekannt ist zudem, dass VR-Präsident Urs Rohner eine solche Abspaltung bereits vor Jahren einmal skizziert hat. Reif ist die Zeit bei der CS so oder so für einen Neuanfang.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.23%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.71%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.97%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.35%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.74%
pixel