Trotz Coronakrise und einer drohenden globalen Rezession hat die Privatbank Pictet im laufenden Jahr einiges vor. Das Genfer Institut will wachsen – und das auch von Zürich aus. Das sind die Pläne.

Mit dem für Anfang 2021 geplanten Einzug in die historische Liegenschaft Leuenhof an der Bahnhofstrasse hat Pictet seine grossen Ambitionen noch zusätzlich unterstrichen. Platz hat es dort für rund 300 Beschäftigte; zu Beginn werden dort etwa 200 Mitarbeitende tätig sein – weitere sollen folgen.

Operativ wachsen will die Bank nicht nur in ihren angestammten Domänen Private Banking und Asset Management, sondern ebenso in einem bislang in Zürich eher wenig beachteten Bereich – im Geschäft mit unabhängigen Vermögensverwaltern (UVVs).

Wenig beachtet – aber attraktiv

Dazu hat das Institut die Leitung in der Deutschschweiz Alain Gallati übertragen, der vor genau zwölf Monaten nach insgesamt 25 Jahren im Sold der Schweizer Grossbank UBS (zuerst SBG, dann UBS) zu Pictet gestossen ist.

UVVs sind ein attraktives, weil wachsendes Betätigungsfeld. In der Schweiz arbeiten rund 2'500 solcher Firmen, die insgesamt zwischen 500 und 600 Milliarden Franken an Kundengeldern verwalten. Das sind knapp 12 Prozent der hierzulande verwalteten Vermögen. Dabei handelt es sich um Unternehmen, die vom Ein-Mann-Betrieb, der vielleicht 100 Millionen Franken verwaltet, bis hin zu Instituten mit 50 oder mehr Personen, die jeweils bis zu 6 Milliarden Franken betreuen.

Lukrative Klientel

Ihre Tätigkeit besteht darin, Privatpersonen in der Vermögensverwaltung zu betreuen und dabei als Bindeglied zu den (Depot-)Banken zu agieren, wo die Kunden ihr Geld haben. Aus Sicht der Banken stellen die UVVs eine lukrative Klientel dar, weil deren Geschäft nach wie vor stark wächst; dies im Gegensatz zur Königsdisziplin im Schweizer Bankwesen, dem Private Banking, das hierzulande seit dem faktischen Ende des Bankgeheimnisses kaum mehr die selbe Attraktivität besitzt wie früher.

Dass das UVV-Segment wächst hängt auch damit zusammen, dass sich viele Bankangestellte mit zunehmender Erfahrung sich selbständig machen; gleichzeitig schätzen viele Leute die Unabhängigkeit dieser Vermögensverwalter wenn es um Geldanlagen geht – und nicht zuletzt auch die Tatsache, dass ein UVV im Durchschnitt rund 50 Kunden betreut und nicht 200 wie bei einer Grossbank. Alles in allem ist es somit ein höchst dynamisches Geschäft.

Weiteres Personal gesucht

Im laufenden Jahr musste Gallati aufgrund der Coronakrise und dem damit verbundenen Lockdown unter noch nie gesehenen Bedingungen arbeiten – mit mehr Telefongesprächen und Videokonferenzen; trotzdem gelang es ihm, drei Experten zu engagieren: Luca Bornatico und Giovanni Cristofaro (beide Ex-UBS) sowie Nadine Bersier (Ex-Zürcher Kantonalbank, mit denen das UVV-Team von Pictet in Zürich auf zwölf Personen gewachsen ist. In Genf arbeiten weitere 36 Personen in dieser Sparte.

Auf dem Zürcher Team ruhen hohe Erwartungen; denn im Gegensatz zur Rhonestadt, wo Pictet in jeder Hinsicht zu den Platzhirschen gehört, hat das Unternehmen in der Deutschschweiz, wie viele andere Genfer Institute, sein Potenzial bislang kaum ausgeschöpft. Das ist nun Gallatis Aufgabe. Konkrete Zahlen oder Ziele gibt Pictet keine bekannt, einzig, dass man aktuell mit rund 100 UVVs im Geschäft sei.

Die Festung Pictet

Die jüngste Krise mag die Wachstumspläne durchkreuzt und die Aktivitäten eingeschränkt haben. Doch heisst das offenbar nicht, dass die Bank in dieser Zeit gelitten hat, wie Gallati im Gespräch mit finews.ch erklärt. Im Gegenteil, viele Kunden hätten die «Festung Pictet» regelrecht gesucht, also die Solidität des bald 215-jährigen Unternehmens, das in seiner Geschichte bereits mehr als eine Krise durchlaufen hat und für das insgesamt sieben Teilhaber mit ihrem Vermögen haften.

Insofern ist es nicht falsch, die Pictet als Krisengewinnerin zu bezeichnen. Der Zulauf an Neugeld in den vergangenen Monaten sei überaus positiv gewesen, sagt Gallati. Und nun, da bei vielen Banken nach den jüngsten Erfahrungen aus der Corona-Zeit die Zeichen auf Stellenabbau und Kosteneinsparungen stünden, sende Pictet ein gegenteiliges Signal aus – Wachstum.

Sparen als schlechtes Signal

«Für gute Kundenberater ist Sparen ein schlechtes Signal», sagt Gallati und sieht so die Gunst der Stunde, sein Team personell weiter auszubauen. «Zürich steht für Pictet auf der Prioritätenliste nun ganz oben», erklärt der frühere UBS-Mann, der seinen Stellenwechsel als Schritt von einer prozessorientierten Unternehmung zu einer beziehungsorientierten Institution sieht – «mit allen damit verbundenen Vor- und Nachteilen dieser beiden Modelle», wie er im Gespräch erklärt.

Das UVV-Geschäft zählt im Bankwesen vermutlich zu den letzten Geschäftsfeldern, wo eine gewisse Individualisierung vonnöten ist, da jedes UVV-Geschäftsmodell etwas anders funktioniert und die Bank sozusagen als unterstützende Einheit je nach Bedarf mehr oder weniger Service bieten kann. Unter diesen Prämissen besteht für die Banken ein relativ grosser Gestaltungsfreiraum.

Preiskampf in der Branche

Neben den Platzhirschen UBS und Credit Suisse (CS), die in keinem Portefeuille eines UVVs als Depotbanken fehlen können, forcieren seit einigen Jahren auch die Kantonalbanken das Geschäft, zumal sie mit der Staatsgarantie ein einzigartiges Alleinstellungsmerkmal im Rücken haben und damit die Preise für ihre Dienstleistungen drücken können, wie es in der Branche heisst. Ergänzend dazu bieten sich die Privatbanken als dritte grössere Kraft für UVVs an. Doch wie kann sich ein einzelnes Institut wie Pictet noch profilieren?

Neben der erwähnten Stabilität und Sicherheit, beides Werte, die in der jüngsten Krise wieder markant an Bedeutung gewonnen haben, seien es vor allem digitale Annehmlichkeiten, erklärt Gallati, wie Handelsmöglichkeiten rund um die Uhr, eine vielseitig verwendbare Buchungsplattform, vereinfachte Prozesse bei einer Kontoeröffnung oder die systematische Integration von Nachhaltigkeitskriterien (ESG) in ein Kundenportefeuille.

Phänomen der Krise

«Least but not least sind es aber die Mitarbeitenden, die mit ihrer Kompetenz und ihrer Dienstleistungsbereitschaft den Unterschieden machen», sagt Gallati, «die Leute wollen bei einer Bank arbeiten, die Erfolg hat – auch jetzt. Das ist ein Phänomen, das man in der Krise klug nutzen sollte», erklärt der Pictet-Banker.